Vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2025 zeigen wir eine kleine Doppelausstellung, die von zwei Praktikant:innen gestaltet wurde.
Janne Andersen hat sich mit dem selbstgewählten Thema "Süße Urlaubsträume in den eigenen vier Wänden. Werbesingles westdeutscher Fluggesellschaften der 1960er und 70er" auseinandergesetzt.
André Prange hat sich einer Solokünstlerin gewidmet. Sein Ausstellungsteil trägt den Titel: "'Ich singe kein verlogenes Zeug!' Petra Pascal - eine (fast) vergessene Sängerin zwischen Schlager-Chanson und langen Radionächten".
Die Doppelausstellung ist vor dem Eingang des KKI aufgebaut und ebenda zu erleben. Hier, an dieser Stelle, befindet sich die digitale Version für den virtuellen Raum.
Janne Andersen:
"Süße Urlaubsträume in den eigenen vier Wänden.
Werbesingles westdeutscher Fluggesellschaften der 1960er und 70er"
Aus heutiger Sicht möglicherweise ein "Kuriosum" (Ottmann 2019), waren Schallplatten und Schallfolien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein gängiges Werbemedium. Ab 1932 kommt die Werbeschallplatte zunächst anstelle eingesprochener Werbebeiträge im Hörfunk zum Einsatz und wird ab den 1950ern für den privaten Raum "reaktiviert" (Reimann 2020: 96f.).
"In der vertrauten Umgebung der eigenen vier Wände" auf den heimischen Plattenspieler aufgelegt (Ottmann 2019), vermag die Werbesingle akustisch inszenierte Sehnsuchtswelten und eigene Wohn- und Lebensrealitäten zu verknüpfen. In der Zeit des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg "besinnt [man] sich musikalisch augenscheinlich auf die vermeintliche Gefühlswelt und die schönen Dinge des Lebens", wozu fortan auch das Reisen zählen soll (Bosch; Getzmann; Quaas 2014: 161).
Fluggesellschaften nutzen ab den 1960er Jahren das Schallrillen-Marketing für sich – mit zumeist beschwingten und leicht zugänglichen Liedern für den westdeutschen Markt. So findet sich auch Reinhard Meys bekannte Single "Über den Wolken" ein Jahrzehnt nach deren Veröffentlichung auf einer Werbesingle des Stuttgarter Flughafens (Elflein 2020: 136).
"Sweet Holiday" und der Beginn der Jet-Ära:
"Fliegen Sie in angenehmer Atmosphäre" lautet der zentrale Slogan, der auf dem Cover der 1961 auf der bei Lufthansas eigenem Label erschienenen Werbesingle zwischen vier kreisförmig dargestellten Kontinenten steht. Nicht nur visuell vermittelt, scheinen diese als Reiseziele damit gleichermaßen erreichbar. Denn Langstreckenflüge sind mit der Einführung der Boeing 707, welcher der bekannte Filmkomponist Martin Böttcher (1927-2019) auf der A-Seite eine musikalische Hommage widmet, tatsächlich erstmals für die Zivilgesellschaft denkbar.
Mit schnellem Bossa Nova und einer hintergründigen Frauenstimme ohne erkennbaren Text, öffnet sich eine Klangwelt, die geografische und sprachliche Barrieren vergessen lässt. Der "Lufthansa Cha Cha Cha" auf der B-Seite lädt zu süßen Urlaubsträumen auf der neuen Südamerika-Route ein, die Leichtigkeit und Wärme 'exotischer Ferne', ungeachtet kolonialer Strukturen, verspricht. Doch die verheißungsvollen Klänge dieser "Einführungsmusik" werden für einen Großteil der Gesellschaft noch eine ferne Träumerei bleiben, denn adressiert ist sie an Fluggäste der 1. Klasse.
Beate und Gritli – Condors singendes Flugbegleiterinnen-Duo:
Beinahe mythenhaft erzählt heißt es auf der Cover-Rückseite einer Single der Gesellschaft Condor: "Sie fanden sich […] irgendwo – in Dakar, in Bangkok, in Chicago". Die Metropolen der Welt erscheinen in diesem gekonnten Storytelling ganz nah:
"Wir jetten um die Welt und tragen Uniform.
Doch wir sind so wie ihr, entsprechen eurer Norm".
In beschwingter Stimmung führen Beate und Gritli in "Fliegen ist schön" Hörerinnen und Fluggäste - unisono und mit simplen Reimschemata - in die Welt ihres durchaus anstrengenden Arbeitsalltages ein. Denn zwischen den seichten Zeilen legen sie in den Strophen die "Strapazen" ihrer Arbeit selbstbewusst offen, indem es etwa heißt: "Aber das Geld wird uns auch nicht geschenkt". Mit dem Fliegen als zumeist "klassisch männliche Sehnsuchtsfigur" der Populärmusik (Elflein 2020: 148) oder dem oftmals sexualisierten Bild der weiblichen Flugbegleiterin hält sich das Duo hingegen nicht auf. Stattdessen zeigen sich Beate Steck und Gritli Dorgarten nahbar und bodenständig. Mit der Gitarre locker über der Schulter bieten sie emanzipierten westdeutscher Frauen eine Identifikationsfläche.
Zwischen Freiheit und Bombenwurfübungen:
Schallplatten sind aus heutiger Sicht akustische Dokumente, die nicht nur die gesamtwirtschaftliche Situation ihrer Zeit reflektieren (Bosch; Getzmann; Quaas 2014: 150), sondern auch von inszenierten Träumen und indirekt von vermeintlich hinter sich gelassenen schweren Jahren erzählen. Mit Autogeräuschen auf der B- und dem Klang von Flugzeugen auf der A-Seite, handelt es sich bei dieser Single um eine Geräuschplatte, wie sie üblicherweise für Effekte in Hörspielen oder Filmen verwendet worden. Sie eröffnet eine andere Dimension der Flugreise.
Denn das "Düsenzeitalter" (Frankfurter Aviation Friends), das etwa mit der Boeing 707 und Böttchers heiterer Klanglandschaft euphorisch eingeläutet wird, baut auf Entwicklungen der Rüstungsindustrie. Das besagte Modell wurde 1954 zunächst der Luftwaffe vorgeführt, ehe es ab den späteren 50er Jahren erstmals für zivile Flugreisen von Fluggesellschaften wie der Lufthansa genutzt wurde (Flugzeuglexikon). Als bittersüßer Nachhall zweier Weltkriege finden sich auf der Single neben den Motorengeräuschen einer Propellermaschine ebenfalls Klänge der Bombenwurfübung eines Düsenflugzeuges.
Quellen:
- Beate und Gritli: Fliegen ist schön, Vinyl-Single, Ariola (1976), A: Fliegen ist schön, B: Bitte sprich doch.
- Martin Böttcher: Lufthansa Jet, Vinyl-Single, Lufhansa (1961), A: Lufthansa Jet Einführungsmusik für das Düsenflugzeug Boeing 707 Jet Intercontinental, B: Lufhansa Cha Cha Cha Sweet Holiday.
- Reinhard Mey: Über den Wolken, Vinyl-Single, Intercord (1983), A: Über den Wolken, B: Ikarus.
- Unbekannt: Geräuschplatte 9, Vinyl-Single, Polydor (1958), A: Flugzeuge, B: Autos.
- Bosch, Robert; Getzmann, Patrick; Pesch, Volker; Quaas, Martin (2014): Musik des Homo Oeconomicus? Volkswirtschaft und Schlager. In: Mania, Thomas; Grabowsky, Ingo; Lücke, Martin (Hg.): 100 Jahre deutscher Schlager. Münster: Telos Verlag, 150-167.
- Elflein, Dietmar (2020): Über den Wolken. Zur Metapher des Fliegens in der populären Musik. In: Röhnert, Jan (Hg.): Die Phänomenologie der Flugreise. Wahrnehmung und Darstellung des Fliegens in Literatur, Film, Philosophie und Populärkultur. Wien; Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 135-148.
- Flugzeuglexikon: Boeing 707. URL: https://www.flugzeug-lexikon.de/Berlin_Tegel/Boeing_707/boeing_707.html [25.09.2025].
- Frankfurter Aviation Friends. URL: https://history.frankfurt-aviation-friends.de [25.09.2025].
- Ottmann, Solveig (2019): Die Werbeschallplatte als akustisches Dokument. Ein Kommentar zur Werbeforschung. In: Auditive Medienkulturen. URL: https://www.auditive-medienkulturen.de/2019/06/16/die-werbeschallplatte-als-akustisches-dokument-ein-kommentar-zur-werbeforschung/ [28.09.2025].
- Reimann, Sandra (2020): Die Schallplatte. Sprach- und medienwissenschaftliche Untersuchung zu einem unerforschten Werbemedium. In: Wahl, Sabine; Ronneberger-Sibold, Elke; Luttermann, Karin (Hg.): Werbung für alle Sinne. Multimodale Kommunikationsstrategien. Darmstadt: Springer VS, 91-126.
André Prange:
"'Ich singe kein verlogenes Zeug!'
Petra Pascal - eine (fast) vergessene Sängerin zwischen Schlager-Chanson und langen Radionächten"
Die deutsche Chansonsängerin Petra Pascal hatte ihre produktivste Zeit in den 1970er Jahren. Erst parallel, dann nahezu ausschließlich, wandte sie sich Ende der 70er Jahre dem Hörfunk zu. Für diverse (west-)deutsche Funkhäuser war sie als Moderatorin tätig. So gestaltete sie bei Radio Bremen ab 1982 die "Sonntagsbeilage" (eine sonntägliche, dreistündige Sendung), moderierte u. a. regelmäßig "Klassik-Pop-et cetera" im Deutschlandfunk, begleitete die Hörer bei WDR 4 über 30 Jahre im "Café Carlton", produzierte Musikfeatures und Reportagen für die Deutsche Welle und gestaltete über viele Jahre Sendungen des Hessischen Rundfunks im "ARD-Nachtexpress".
Darüber fast vergessen, zumindest wenig verankert in einer kollektiven, musikalischen Erinnerung, ist ihr musikalisches Schaffen. Erstaunlich – immerhin sind von 1969 bis 1985 zehn Alben erschienen, die sowohl zeitgenössische Kritiker als auch das Publikum überzeugen konnten. In ihrem Werk taucht neben anspruchsvollen, interessant arrangierten oder getexteten Chansons eine ganze Reihe von Titeln auf, die durchaus für eine breiteres Publikum angelegt waren.
Das Archiv des KKI besitzt zwei Schallplatten der Künstlerin sowie Berichte in Musik-Zeitschriften wie "Schallplatte" oder "Memory". Anlass genug, sich mit der Biographie und dem Schaffen der heute 90jährigen Petra Pascal zu beschäftigen.
Stationen:
- Geboren am 21. Dezember 1934 in Frankfurt am Main
- Gitarrenunterricht zu Schulzeiten; statt Gründung einer "Damenkapelle" die Empfehlung, die Kontra-Altstimme auszubilden
- Auf Drängen der Eltern Ausbildung zur Sozialversicherungssachbearbeiterin
Parallel klassischer Gesangunterricht (6 Jahre), Klavier und Ballett
- 04.11.1961: Erster Auftritt im Rahmen eines "bunten Abends" bei Frankfurt; Erweiterung auf ein zweistündiges Programm, inkl. Moderation, literarischen Einlagen und Parodien; Engagements auf intern. Kongressen und Tagungen
- 1964/65: Zwei Schlager-Singles unter dem Künstlernamen Mariett Sorà zusammen mit dem Zitherspieler Hubert Wolf und seinem Sextett
- 1967: Auflösung des Vierjahresvertrag mit Hubert Wolf ihrerseits
- 1968: Start der Zusammenarbeit mit Gert Wilden und Charly Niessen
- 1969: Erstes Album "Kontraste" mit namhaften Literaten und Komponisten;
zwei erfolgreiche Singles und Auszeichnung mit der "Goldenen Europa"
- Teilnahme an diversen internationalen Festivals, u. a. "4. Weltfestival des Pop" in Rio de Janeiro mit 40.000 Gästen
- 1969-1979: fast jährlich eine LP (Konzeptalben)
- 1974: Erste Umweltschutz-LP namens "Das Paradies ist noch nicht verloren" unter der Schirmherrschaft von Bundesinnenminister Friedrich Genscher
- Auszeichnung mit dem Ehrenpreis des Bundesinnenministeriums sowie der Bayrischen Umweltmedaille
- 1981: Beginn der zweiten Karriere als Rundfunkmoderatorin (bis 2011)
- 1985: Letztes Album: "Das Schachspiel unseres Lebens"
- 2018: Website: www.petra-pascal.info; Verantwortlich: Petra Pascal
"Petra Pascal" (1970)
Ariola 80 410 IU
Das schlicht "Petra Pascal" betitelte Folgealbum der Debut-LP "Kontraste" (Ariola 1969) führte deren Konzept weiter: vertonte Texte von Literaten wie Günter Grass, Wolfgang Borchert u. a., Lieder von Gert Wilden und Charly Niessen, traditionelle Weisen sowie eigene Texte und Kompositionen (unter dem Pseudonym "Peter Pen"). Künstlerischer Leiter, Arrangeur und Orchesterleiter war Gert Wilden (und blieb dies jahrelang).
Wie auch bei allen folgenden LPs (bis auf eine Ausnahme) übernahm Petra Pascal selber mit ihrer "Peter Pen Public Relations" die Produktion, um künstlerisch das letzte Wort zu behalten. Aus denselben Gründen hatte sie sich entschlossen, kein externes Management für ihre Karriere zu beauftragen. Lediglich ihr Ehemann (der Architekt Eike Piwitt) übernahm gelegentlich etwaige Aufgaben.
Die Zusammenarbeitet mit Wilden/Niessen erfolgte ebenfalls auf eigenes, beharrliches Betreiben von Petra Pascal, nachdem diese sich nach dem Versuch mit dem eher volksmusikverhafteten Hubert Wolf ihrer Idee eines deutschen Chansons zuwenden wollte.
"Hubert Wolf war ein exzellenter Musiker und Komponist, es fehlte ihm jedoch der innere Zugang zum Bereich des chansonhaften Liedes, das ich zum Mittelpunkt meines künstlerischen Schaffens machen wollte", sagte die Sängerin später.
Wilden/Niessen waren beide maßgeblich für den durchstartenden Erfolg der Chansonkarriere von Hildegard Knef ab Mitte der 1960er Jahre verantwortlich (z.B. "Eins und eins, das macht zwei" 1964). Petra Pascal fand sich hier musikalisch wieder, zumal ihre Stimme ähnlich tief angelegt war wie die der Knef. Systematisch wurde somit ein eigener Stil aufgebaut – leicht verständliche, aber engagierte Lieder. Die Aufnahmen zu "Kontraste" waren derart vielversprechend, dass Ariola die LP als Frühjahrsschwerpunkt 1969 vermarktete. Das zweite Album folgte umgehend.
Das dritte Album "Wenn der Abendwind durch die Taiga weht" (EMI 1971) fokussierte sich auf die damals populäre "Russlandwelle" im deutschen Schlager. Neu getextete osteuropäische Volksweisen, Titel wie "Großväterchen Nicolaiéff", "Raskolnikoff", "Mammuschka" u. a. versuchten die Lücke zu besetzen, die durch den frühen Tod Alexandras ("Sehnsucht - Das Lied der Taiga" 1968) entstand. Das folgende Album "Wie das Glas in meiner Hand" (EMI 1972) erweiterte diesen Ansatz mit deutschen Versionen französischer Chansons. Das titelgebende Lied galt lange Zeit als ihr größter Hit.
"Ich bin eine Frau" (1973)
EMI Columbia 062-29 489
In der Rolle der führenden Produzentin ihrer LPs stellte Petra Pascal bei der Auswahl der Titel, der Komposition und dem Verfassen der Texte meist ein bestimmtes Thema in den Mittelpunkt. Es entstanden Konzeptalben zu Themen wie Russland/Osteuropa, Umwelt, Französische Liedermacher etc.
Zu ihrem fünften Album "Ich bin eine Frau" steuerte Petra Pascal allerdings keine Kompositionen bei und war auch nur an drei Texten beteiligt. Immerhin fertigte sie aber längere Exposés zu Themen an, die in den Liedern verhandelt werden sollten.
Die hier vorliegende LP hat ihr Leitthema schon im Titel. Momentaufnahmen des Lebens aus der Sicht einer (so der Werbetext) "emotionsbewussten Frau". Zwar fernab eines konsequenten Feminismus, steht doch selbstbewusst "die Frau" im Mittelpunkt – im Rahmen einer fiktiven musikalischen Biographie. Einmal mehr wurde hier der Anspruch einer (für die damalige Zeit in Westdeutschland ungewohnt selbstbestimmten) Künstlerin deutlich: durchaus populäre Musik mit inhaltlich angereicherten Texten.
"Verlogenes Zeug singe ich nicht. Ich schaue dem Volk aufs Maul. Darum brauchen meine Texte nicht anspruchsvoll zu sein, aber einen tieferen Gedanken müssen sie haben", erzählt sie 1973 dem Magazin "Schallplatte" (05/73, S. 22). Zudem wird erwähnt, dies habe oft zu Konflikten mit dem "allzu anpassungsbereiten" Marketing geführt.
Untypisch für die Künstlerin, erschien im selben Jahr eine von Ralph Siegel geschriebene und produzierte Single ("Dann stehst du da und trinkst dein Bier", Metronome 1973), die nun aus weiblicher Perspektive den (Ehe-)Mann im Blickpunkt hat. Fortgesetzt wurde dieser Ansatz beim Album "Die zwei Seiten des Michael 'M'" (Jupiter Records 1975), ebenfalls von Ralph Siegel produziert. Petra Pascal hat dieses Album später als ihren einzigen Flop bezeichnet, weil sie die künstlerische Kontrolle abgegeben hatte.
Drei Jahre später erschien mit "Zugegeben" (Elite Spezial 1978) ein letztes Konzeptalbum mit deutschen Versionen bekannter französischer Chansoniers.
Erst sieben Jahre später veröffentlichte die Sängerin das nächste und letzte Album "Das Schachspiel unseres Lebens" (All Star 1985), welches eher ein Best-of mit vier neuen Titel darstellte.
Hörfunkmoderation
Um ihre erste LP 1969 zu promoten, ging Petra Pascal - wie damals üblich - bundesweit auf "Senderreise" bei den einzelnen Radiostationen. Durch ihre Soloprogramme jahrelang geschult, fiel es den Verantwortlichen auf, dass sie gut reden, moderieren und unterhalten konnte und zudem eine "gute Radiostimme" hatte. Für die Vorstellung ihres Albums bekam sie teilweise einstündige Sendezeiten eingeräumt. Angebote für weitere Hörfunksendungen bzw. ganze Hörfunkserien lehnte sie damals ab, da sie sich allein auf ihre gesangliche Karriere konzentrieren wollte.
Ihre erste Radiosendung moderierte sie 1975 beim Südwestfunk in Baden-Baden. Eine Woche lang moderierte sie eine mehrstündige Sendung am Vormittag und führte auch Interviews. Bald folgten Anfragen von weiteren Hörfunkanstalten.
Die ersten Sendungen liefen parallel zu ihrer Arbeit als Sängerin. Da sie zudem als ihr eigenes Management die Aufnahmen, Konzerte, Touren (inklusive Fahrten etc.) zu organisieren hatte, war dies auf Dauer nicht durchzuhalten.
Ab 1980 verlagerte sie daher ihren Schwerpunkt vollständig auf den Hörfunk - auch aus finanzieller Notwendigkeit, da ihr Mann schwer erkrankt war. Als Moderatorin mehrstündiger Hörfunksendungen mit dem Fokus Musik war sie bei verschiedenen Funkhäusern und in verschiedenen Formaten bundesweit tätig.
Bei vielen Programmen wurden die Musiktitel seitens der Redaktion festgelegt, für die Petra Pascal (meist nachts) Moderationen schrieb. Für die "Sonntagsbeilage" bei Radio Bremen (sonntags von 10 bis 13 Uhr) reiste sie hingegen selber mit eigens von ihr ausgesuchter Musik an. Wenige eigene Titel ihres Repertoires waren auch dabei.
Weitere wichtige Sendungen waren u. a.:
- Café Carlton (16 Jahre) im WDR 4 (Klassik, Musical und Operette am Nachmittag)
- Schellack-Schätzchen (23 Jahre) im WDR 4
- Das Morgen-Magazin und die Wunschsendung Musik liegt in der Luft beim HR
- ARD-Nachtexpress beim HR, nachts live aus Frankfurt, Musik & Anrufe.
Dazu kamen eigens vorproduzierte Beiträge für die Deutsche Welle und andere. Mit der aufkommenden Digitalisierung im Radio tat sich Petra Pascal schwer, ebenso mit den Einsparungen bei Redaktion, Technik etc. Die meisten ihrer Sendungen wurden im Rahmen von umfassenden Programmreformen aus dem Programm genommen.
Ihre über drei Jahrzehnte andauernden Tätigkeit als Radiomoderatorin, die sich durch ein breites musikalisches Repertoire und die unverwechselbare Radiostimme auszeichnete, endete 2011: Im Alter von 77 Jahren moderierte sie ein letztes Mal den "ARD-Nachtexpress" aus Frankfurt.
Nachklang?
"Auch ich hab‘ nicht, was ich mal ersehnt, erlangt"
(Text der B-Seite ihrer letzten Single "Mach' Dir nichts draus" [All Star 1985])
Petra Pascal hatte und hat (!) ihre Fans – nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch als bekannte und vertraute Radiostimme. In einen nachklingenden, kollektiven "Schlager-Kanon", wie auch immer dieser definiert sei, scheint sie aber nicht aufgenommen zu sein.
Eine Wiederverwertung ihrer Musik auf modernen Schlagersamplern ist kaum zu finden. Ausnahmen: Ein Lied auf "Das deutsche Chanson und seine Geschichte(n), Teil 3" (Bear Family Records 2012); sowie drei beim Tonstudio LEICO im Saarland im Direktvertrieb bestellbare Best-of-CDs (zusammengestellt mit der Künstlerin). Dabei war sie auf Samplern während ihrer aktiven Zeit als Sängerin durchaus präsent: "Das große Schlagerkarussell", "Schlager Express" (beide SR International 1970), "20 Super-Hits des Jahres" (Jupiter Records 1975), "Die goldene Star & Evergreen-Revue" (SR International 1978), "Taiga-Träume" (Polydor 1985) etc.
TV-Auftritte waren rar, da sie ungern Playback sang. So taucht sie kaum bei Wiederholungen im TV auf (Ausnahme: "Die größten Schlager der 70er", SWR vom 08.03.2022). Einen großen Hit, einen Evergreen über den Kreis treuer Fans hinaus, hat Petra Pascal nicht vorzuweisen. Ihre Musik hatte einen (vehement beworbenen) künstlerischen Anspruch, ohne explizit massenkompatibel sein zu wollen. Dabei gab es durchaus Ausflüge in den gefälligen Unterhaltungsschlager zum Mitklatschen, vereinzelt gar erstaunliche Ausfälle in der musikalischen Qualität.
Mit Konzeptalben über Umweltschutz oder das Selbstverständnis der Frau wandte sie sich kritischen, mindestens ungewöhnlichen Themen zu – im Kontrast zu eher leicht konsumierbaren Titeln des deutschen Schlagers. Dabei wirken einige Texte bemüht und holprig, der erhobene Zeigefinger in Text und Vortrag drängt in den Vordergrund.
Ihr Werk oszillierte zwischen künstlerischem Anspruch und den Versuchen einer massentauglichen Unterhaltung, ohne sich dauerhaft in einem der beiden Felder zu verankern, oder sie künstlerisch überzeugend zu verbinden. Ihre Karriere stand im Spannungsfeld zwischen künstlerischer Selbstbestimmung, Markterfordernissen und medialer Repräsentation in der Populärkultur der BRD der 1970er und 1980er Jahre.
Die Erinnerung an Petra Pascal ist diffus. Am ehesten bleibt sie wohl als erfolgreiche Radiomoderatorin im Gedächtnis. Anders als viele Schlagerstars hatte sie als Sängerin keine breite Medienpräsenz. Die moderne Retro-Kultur fokussiert sich jedoch stark auf populäre Medienerinnerungen oder greifbare "Marken". Fehlt es dem musikalischem Werk Petra Pascals an Resonanz? Ihre LPs und Singles harren einer Entdeckung.
Internetquellen
http://www.petra-pascal.info
https://www.memoryradio.de/memoryforum/viewtopic.php?t=5651
https://www.youtube.com/watch?v=9aVY91Xhw38 (memoryradio vom 28.03.2016)
https://www.digiandi.de/zeitzeugen/
https://www.digiandi.de/sammlungen/petra-pascal/
https://www.discogs.com/de/artist/909212-Petra-Pascal?superFilter=Releases
Zeitschriften
Schallplatte 1969/02, S. 16.
Schallplatte 1973/05, S. 22 + 31.
Schallplatte 1973/12, S. 22.
Memory 54, 1996, S. 47-52.
Memory 56, 1996, S. 56-59.
Memory 60, 1997, S. 25.
Der aus Minden stammende Rapper Michael Kurth alias Curse ist Jahrgang 1978. Seinen Durchbruch hatte er um die Jahrtausendwende. Die hier besprochene Maxi-CD ist eine Single-Auskopplung aus seinem dritten Album "Innere Sicherheit" aus dem Jahr 2003. Darauf befinden sich drei Songs ("Und was ist jetzt", "Hoffnung" & "Goldene Zeiten") sowie die jeweiligen Instrumental-Versionen. In Summe werden also sechs Tracks angeboten.
Auch das Musikvideo zu "Und was ist jetzt" wird mitgeliefert (im MPEG-1-Format), ebenso die Noten (PDFs) für den Song als "Piano"-Stimme und als "Score" für Streichtrio (Violine, Viola & Cello). "Und was ist jetzt" in der Single-Version ist eine erweiterte Variante des gleichnamigen Album-Tracks, der nur mit Klavier und ohne Streicher aufgenommen wurde. Dadurch gewinnt die Single-Auskopplung Vielschichtigkeit. Sowohl Original als auch Single-Version vermitteln einen balladesken Eindruck und kommen gänzlich ohne Beats und Bässe daher.
Alle drei Songs der Maxi-Single kreisen um das Thema Trennung. Es ist offensichtlich, dass der Künstler damit persönliche Erfahrungen verarbeitet. Dabei erzielt er mit jedem Song mehr Abstand.
Bei "Und was ist jetzt" gibt Curse noch gekränkte Verse von sich:
"Und was ist jetzt?
Ich bin für dich nur irgendein ex
Und was ist jetzt?
Du scheisst drauf, wenn ich über dich rap
Und was ist jetzt?
Du siehst mich und guckst einfach nur weg
Und was ist jetzt?
Bin ich leicht zu vergessen?
Bin ich ersetzt?"
Im Song "Hoffnung" wird er versöhnlicher und spricht sich und anderen Mut zu:
"Ich hoffe, Du suchst bis Du finden wirst
Ich hoffe, Du folgst, wenn Du Gott rufen hörst
Ich hoffe, Du gibst niemals auf,
weil das Leben weitergeht."
In "Goldene Zeiten" beschwört er schließlich die positiven Erfahrungen, die in der Zukunft auf uns warten:
"Sehnst du dich nach goldenen Zeiten?
Wenn sich dein Herz meldet, folge den Zeichen
Wir tragen's in uns, doch wollen nicht begreifen
Denk' nicht, dass ich davor gefeit bin
Wir sehnen uns nach goldenen Zeiten
Wenn sich die Götter zeigen, folgt ihren Zeichen
Wann wollen wir begreifen?
Wenn nicht für goldene Zeiten
Wofür sollte ich schreiben?"
Bei zwei der drei Hooklines fällt auf, dass ein Gottesbezug hergestellt wird. Gleichwohl handelt es sich nicht um eine christliche oder sonst wie religiöse Musik. Vielmehr wird ein übergeordneter Kontext gesucht, der das persönliche Hadern erträglicher macht. Das hat nichts mit den üblichen Selbstpreisungen zu tun, die im Hip-Hop weitverbreitet sind. Curse spukt nicht einfach wilde, skurrile und zusammenhanglose Zeilen aus, sondern meißelt an seinen Texten bis sich Bewusstsein herausformt aus der Flut an Gefühlen und Eindrücken. Damit hat er sich den Ruf eines "kompletten MCs" erarbeitet, sprich: eines technisch-versierten und zugleich tiefsinnigen Wortkünstlers.
Musikalisch setzt Curse bei dieser Single-CD - wie so oft - auf den Soul und holt sich Unterstützung bei der Sängerin Vanessa Mason (für "Hoffnung") und Max Herre (für "Goldene Zeiten"), der mit seinem Sprechgesang die Grenze zwischen Rap und Gesang permanent durchkreuzt. Die Instrumentierung ist weitgehend akustisch gehalten (Klavier, Streicher, Akustik-Gitarre, Cajon etc.) oder lässt durch ein Fender Rhodes nostalgische Vibes verbreiten. Die markante Stimme von Curse in Verbindung mit den leicht pathetischen Texten hat etwas Feierliches. Insofern sind Stil- und Genre-Bezeichnungen wie Classical Hip-Hop oder (Modern / Conscious) Pop Rap zutreffend, wie man sie beispielsweise auf der Discogs-Plattform findet. Dazu passt das Musikvideo von "Und was ist jetzt": Curse sitzt mit Anzug und Schlips allein im Restaurant am Tisch und rappt in die Kamera. In einer anderen Einstellung läuft er rückwärts durch die Stadt, während er seine Worte in die verregnete Nacht entlässt.
Die norddeutsche Sängerin, Musikkabarettistin, Buchautorin und Fernsehmoderatorin Ina Müller begeht in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag. Zu diesem Anlass ist kürzlich eine 90-minütige Dokumentation unter dem Titel "Ina Müller - laut und leise" vom NDR produziert und ausgestrahlt worden. Aus dieser geht unter anderem hervor, dass die Entertainerin zuerst viele Jahre als Sängerin des Musikkabarett-Duos "Queen Bee" (zusammen mit Edda Schnittgard) aktiv war, bevor sie 2007 ihre eigene Late Night Show namens "Inas Nacht" bekam, mit der sie Bekanntheit bei einem größeren Publikum erreichte und die immer noch beim NDR läuft - nunmehr seit 18 Jahren.
Die Musik der hier besprochenen DVD erschien bereits 2006, also vor Beginn von "Inas [erfolgreicher] Nacht". Im selben Jahr ging Ina Müller mit ihrer Band auf Tour, um "Weiblich. Ledig. 40" live zu präsentieren. Auf der DVD ist ein Konzertmitschnitt des Senders 3Sat zu erleben, der 2007 in Mainz aufgezeichnet worden ist. Als Bonusmaterial werden Ausschnitte einer plattdeutschen Lesung angeboten, die am 30. September 2007 in Hamburg stattgefunden hat. Titel der Lesung mit Musik: "Ina Müller liest & singt op platt - Best of".
Es muss erwähnt werden, dass Ina Müller bereits gegen Ende ihrer Zeit mit "Queen Bee" und ungefähr drei Jahre vor "Inas Nacht" angefangen hatte als Solokünstlerin mit eigener Musik in Erscheinung zu treten. Ihr erstes Soloalbum erschien 2004 unter dem Titel "Das große Du". Zwei Jahre später ging die Sängerin mit "Weiblich. Ledig. 40" an die Öffentlichkeit. Im Anschluss sind über die Jahre weitere Alben von ihr herausgebracht worden. Aktuell ist ihr neuntes Studioalbum auf den Markt gekommen, das passend zum Geburtstagsjubiläum mit "6.0" überschrieben ist.
Auf der DVD werden 15 deutschsprachige Lieder aus dem Programm "Weiblich. Ledig. 40" angeboten, die mit selbstironischen Texten aufwarten. Schon die Titel der Songs sprechen Bände: "Bye, Bye, Arschgeweih", "Lieber Orangenhaut" oder "Hoffentlich ist der Sommer bald vorbei". Inhaltlich werden Themen wie das Älterwerden, Kinderlosigkeit oder Trennung verhandelt - dabei stets mit einem Augenzwinkern. Die Musik kann als handwerklich-solide, akustische Popmusik mit einem Hang zum Rhythm & Blues beschrieben werden. Die Band besteht aus zwei Backgroundsängerinnen, einem Schlagzeuger, einem E-Bassisten, einem Akustikgitarristen, einem E-Gitarristen sowie einem Pianisten/E-Organisten.
Die Bühnenshow hat MTV-Unplugged-Charakter, kommt also dezent und mit sitzenden Musiker:innen daher. Markant sind die frechen, gut durchdachten und professionell vorgetragenen Ansagen/Überleitungen der Sängerin, die sie zwischen den Songs zum Besten gibt. Hier zeigen sich bereits die Qualitäten der angehenden Moderatorin. Sie bindet das Publikum ein, befragt und foppt es und zaubert den Anwesenden ein Lächeln auf die Lippen. Sie begibt sich in die Stuhlreihen und sucht die Interaktion. Dabei spielt sie mit regionalen Besonderheiten, Dialekten und präsentiert stolz ihre plattdeutschen Sprachkenntnisse. Einige Lieder singt sie sogar op platt, so zum Beispiel "Buten Kluten", eine Coverversion des englischsprachigen Charthits "What's up" von den 4 Non Blondes aus dem Jahr 1993.
In diesem Sinne ist auch das 20-minütige Bonusmaterial gestaltet. Die durchgehend plattdeutsche Lesung ist mehr eine Stand-Up Comedy Performance als eine klassische Lesung. Ina Müller spricht weitgehend frei und schaut nur ab und an verstohlen auf ihre Textvorlage. Sie bewegt sich souverän zwischen Vorlesetisch, ihrer Band und den Gästen, die ihr förmlich an den Lippen hängen. Das Publikum lacht alle paar Sätze beherzt los. Aufgelockert wird die ohnehin schon sehr fröhliche Darbietung durch plattdeutsche Coverversionen von mehr oder weniger bekannten Songs, die Ina Müller mit einer kleinen Band (Klavier, Bass, Schlagzeug, Backgroundgesang) vorträgt; so beispielsweise den "Dörp Reggae", der es im Original als "Lemon Tree" von der deutschen Band Fools Garden im Jahr 1995 bis in die Charts schaffte. Ina Müller singt mit kraftvoller und leicht kratziger Stimme und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass Plattdeutsch sehr unterhaltsam sein kann - auch dann, wenn man es kaum versteht.
Bei diesem Buch handelt es sich zweifellos um eine bemerkenswerte Publikation der frühen 1970er Jahre. Genau genommen hat man es mit einer stark überarbeiteten bzw. erweiterten Version eines bestehenden Bilderbuches von Guy Peelaert (und Nik Cohn) zu tun. Im Umschlagtext heißt es dazu: "Dieses Buch vereinigt Guy Peelaerts phantastische, bereits weltberühmte Bildergeschichte des Rock-Zeitalters und Ingeborg Schobers Rock-Lexikon mit der umfassenden Discographie zu einem einzigartigen Nachschlagewerk. 20 Jahre Popmusik von Paul Anka bis Zappa, von Elvis bis heute - das ist die Geschichte einer gewaltigen, nicht nur musikalischen Revolution. Rock hat das Lebensgefühl von zwei Generationen verändert, neue Moden und Mythen geschaffen. 'Rock Dreams' begeistert in Europa und den USA die Fans von heute und einst. Die Kritik feiert 'Rock Dreams' als Meisterwerk".
Im gleichen Jahr (1973) ist auch das bekannte "Rock-Lexikon" von Siegfried Schmidt-Joos & Barry Graves erschienen, das sich ebenfalls die ersten beiden Jahrzehnte der Rock- bzw. Popmusik-Geschichte (im engeren Sinne) vorgenommen hat. Beide Bücher verfolgen also ähnliche Anliegen und nutzen die Form des Lexikons. Allerdings kommt "Rock Dreams" wesentlich bildlastiger daher.
Auch wenn es eine gewisse begriffliche Unschärfe zwischen Rock- und Popmusik zu beobachten gibt, man muss sich klar machen, dass hiermit die Anfänge eines ernstzunehmenden, deutschsprachigen Rock-/Pop-Journalismus dokumentiert sind. Da die akademische Musikforschung im deutschsprachigen Raum die Populäre Musik zu dieser Zeit noch weitgehend aussparte, mussten Musikjournalist:innen Pionierarbeit leisten - wie beispielsweise auch Klaus Kuhnke, Manfred Miller und Peter Schulze, die drei Gründungsväter des KKI.
Der belgische Illustrator, Comiczeichner und Bühnenbildner Guy Peelaert (1934-2008) hatte bereits ein gleichnamiges Bilderbuch herausgebracht, zu dem Nik Cohn Bildunterschriften geliefert hatte. Dieses Buch war 1973 in englischer Sprache publiziert worden. Der Münchner Verlag Schünemann hatte sich sofort die Rechte für den deutschsprachigen Markt gesichert und noch im selben Jahr mehrere Veröffentlichungen unter gleichem Titel herausgegeben, von der einfachen Übersetzung des Originals bis hin zu einer mehrteiligen Heft-Serie. Die hier vorgestellte Publikation reiht sich gewissermaßen ein in diese Mehrfach-Verwertung und fasst die 11 erschienen Hefte noch einmal zusammen in Buchform.
Die Bilder von Peelaert sind weit mehr als nur dokumentarische Kunst. Sie muten wie eingefrorene Bühnenbilder an. Es sind stilisierte Darstellungen von durchkomponierten Szenen. In grellen Farben und einer Mischung aus Foto- und Comic-Ästhetik werden Situationen eingefangen, die zwar zugespitzt sind, aber dennoch einen direkten Bezug zum Leben & Werk des/der jeweils abgebildeten Musiker/in haben. Es sind ausnahmslos britische und US-amerikanische Solokünstler:innen und Bands - allesamt Stars der 50er, 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Darunter finden sich Namen von Superstars wie Bob Dylan und Elvis Presley oder Diana Ross und Tina Turner, es werden jedoch auch Bo Diddley, Tommy Sands oder Leon Russell gemalt. Gleiches gilt für berühmte Bands wie die Rolling Stones und Velvet Underground sowie heute weniger bekannte Formationen wie The Lovin' Spoonful oder The Band. Peelaert gestaltete darüber hinaus Bilder zu Themen wie Letzter Schultag, Highschools und Busfahrten, um den Zeitgeist einzufangen.
Die aus Bayern stammende Ingeborg Stober (1947-2010) war eine der ersten Musikjournalistinnen in Deutschland, die sich intensiv mit Populärer Musik beschäftigte. Sie berichtete ausführlich über den deutschen Krautrock und erklärte dem deutschsprachigen Publikum neue Trends wie den Glam Rock und die New Wave. Sie arbeitete sowohl für (Musik-)Magazine wie den Focus, den Musikexpress, die Sounds, den Stern und die Süddeutsche Zeitung als auch für den Bayerischen Rundfunk. Ihr Rock-Lexikon ist niemals separat erschienen, sondern nur in Verbindung mit den Bildern von Guy Peelaert. Dabei ist der Text recht umfangreich. Der Untertitel lautet: "Wer, wo, was [und] wann? Alle Namen, alle Platten. 20 Jahre Popmusik von A bis Z".
Es gibt viele kurze Einträge zu Musiker:innen und Bands, zu einigen sogar kleine Schwarz-Weiß-Fotos mit Kommentaren. Stets gibt es eine Discographie am Ende der Einträge. Ingeborg Schober findet zudem für alle beschriebenen Solokünstler:innen und Combos markante Untertitel. Der Untertitel zum Eintrag über Kris Kristofferson lautet beispielsweise "Songs über die Rückseite der USA". Der Bette-Midler-Eintrag wird angeteasert mit "Miss M, die Göttliche, mit einem Hauch von Nostalgie-Schmerz". Zu den Rattles steht geschrieben: "Englischer Fan-Club für 'deutsche Beatles'. Das gab's einmal.", womit auf den Fakt hingewiesen wird, dass die Band in England einen eigenen Fanclub hatte und als "Deutschlands 'Beat-Band Nr. 1'" gehandelt wurde. Ingeborg Schober liefert zusätzlich Einträge zu relevanten Begriffen wie Acid Rock, Bootleg, Comeback oder Diskothek, um nur einige zu nennen. Der Autorin gelingt eine prägnante, lebendige und ziemlich dichte Beschreibung der Musikgeschichte zwischen Mitte der 1950er und Mitte der 1970er Jahre. In Verbindung mit den besonderen Bildern von Guy Peelaert ergibt sich daraus ein einprägsames Dokument der Musikgeschichtsschreibung.
Er galt als "the twentieth-century minstrel" bzw. als einer der letzten Repräsentanten der ursprünglichen Minstrel-Tradition: Richard Dyer-Bennet (1913-1991). Der gebürtige Brite pflegte die Kunst der Minnesänger, Troubadoure und Bänkelsänger. Im Englischen bezeichnet der Begriff "Minstrel" den "kleinen Diener" bzw. "Spielmann". Dieser fahrende Musikant trug Lieder und Geschichten vor und begleitete sich dabei zumeist selbst, nicht selten auf der Laute. Im Vordergrund stand die musikalisch-erzählerische Unterhaltung des Publikums.
Es gibt Traditionslinien in Deutschland, Frankreich, Großbritannien sowie in anderen Nationen. In den USA hatte es im 19. Jahrhundert eine Entwicklung gegeben, die zu den sogenannten Minstrel Shows führte, bei denen in der Regel weiße Musiker mit schwarz-geschminkten Gesichtern auftraten und in Form von Stereotypen das Leben der Afroamerikaner:innen nachspielten. Diese wurden als ständig fröhliche, singende und naive Sklaven dargestellt, die ihre Besitzer trotz harter Arbeit liebten. Dabei wurde eine romantisierende Vorstellung gegeben vom Alltag der Sklaven auf den Plantagen. Zugleich machte man sich über deren Gutgläubigkeit lustig und ergötzte sich an deren Art zu sprechen, zu singen und zu tanzen.
Richard Dyer-Bennet betrieb jedoch kein Blackfacing. Ihm ging es um die urtümliche Art des Vortrags, also darum, das Publikum in den Bann zu ziehen durch kurzweilige Geschichten aus dem Leben einfacher Menschen. Und so passte er seine Vortragsweise an, indem er mit bedachter Artikulation seine Tenorstimme einsetzte und sich auf der Gitarre oder Laute selbst begleitete. Zwar war er mehr oder weniger Autodidakt, aber er hatte als ehemaliger Berkeley-Student Zugang zur klassisch-europäischen Kunstmusik und wurde zeitweilig von Gertrude Wheeler Beckman (*1879) unter die Fittiche genommen, einer amerikanischen Autorin, Komponistin, Texterin, Gesangslehrerin und Phonologin.
Besonders beeinflusst hat ihn jedoch der schwedische Sänger Sven Scholander (1860-1936). Im Jahr 1935 reiste Dyer-Bennet zu ihm. Der 75-jährige Scholander erfüllte den Wunsch des jungen Mannes und sang eine Reihe von Liedern aus seinem großen Repertoire. Der Gesangsstil des alten Meisters prägte Dyer-Bennet nachhaltig. Später beschrieb er seine ersten Eindrücke in einem Interview: "Er schaute mich direkt an und erzählte eine Geschichte nach der anderen, als würde er aus seinem eigenen Leben singen. Ein Schauspiel der Zeitalter schien vor meinen Augen vorbeizuziehen, und all das wurde durch die heisere Stimme dieses alten Mannes und durch seine einfache, aber genau passende Begleitung auf der Laute hervorgerufen." Während der zwei Monate, die er in Stockholm verbrachte, lernte der junge Sänger fast hundert Lieder von Scholander, von denen viele zu festen Bestandteilen seines eigenen Repertoires wurden.
Der vorliegende Mitschnitt stammt vermutlich aus dem Jahr 1941. Etwa zu der Zeit kam Dyer-Bennet nach New York und wurde Teil des Folk Music Revivals. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um seine ersten Aufnahmen, die auf Tonträgern erschienen sind. Sie wurden in Form eines grafisch ansprechenden Sammelalbums mit drei Schellackplatten vom New Yorker Label Keynote Recordings veröffentlicht. In Summe sind es acht Songs, darunter einige altbekannte Shantys wie "The Golden Vanity" (ca. 1625) oder "What shall we do with the drunken sailor" (ca. 1825 bzw. 1891), die Dyer-Bennet mit deutlicher Aussprache und theatralischem Gesang deklamiert. Seine songdienliche Lautenbegleitung besteht aus schlichten Akkordfolgen und Wechselbässen. Sie trägt die markante, androgyne Stimme und lenkt nicht ab von den Textinhalten, die wie gesungene Geschichten erzählt werden.
Der Musiker mit britischen und amerikanischen Wurzeln publizierte im Laufe der Jahrzehnte viele weitere Aufnahmen auf diversen Labels und erlangte Anerkennung in der internationalen Folk Community. Nach einem Schlaganfall im Jahr 1972 zog er sich aus dem öffentlichen Musikleben zurück. 1991 starb er schließlich an einem Krebsleiden.
Mehr Informationen hier:
http://richard.dyer-bennet.net
Autos und Populäre Musik - diese Kombination ist in den Vereinigten Staaten von Amerika seit jeher von besonderem Interesse. Das umfangreiche und semi-professionelle Fanzine "Gearhead" vereinigt beide Themenfelder - auch in der zweiten Ausgabe aus dem Jahr 1994 auf stattlichen 112 Seiten. Beigelegt ist außerdem eine 45er-Vinyl-Split-Single der Bands Claw Hammer & Red Aunts.
Zu diesen Combos steht im Heft Folgendes geschrieben:
"Claw Hammer sollte man eigentlich nicht groß vorstellen müssen. Fünf LPs und zahllose Singles mit Blue Collar Rock haben unsere Aufmerksamkeit erregt, und wir wetten, dass nicht wenige von euch dieses Magazin nur in die Hand genommen haben, um die neue Version ihres zeitlosen Klassikers "Car Down Again" zu hören. Jeden Moment könnte Claw Hammer "passieren" und alle fünf Minuten im Fernsehen laufen, aber man kann sich vorstellen, dass John und die Jungs es trotzdem tun würden, egal ob im Keller oder im Stadion. Und das ist Rock and Roll, Baby.
Eines Tages im letzten Jahr hörten wir, dass die Red Aunts auf einer Party in Alex' Haus spielten, und so gingen wir natürlich hin, um sie uns anzuschauen, da wir schon so lange nur Gutes über sie gehört hatten. Als sie anfingen, Songs wie "Hot Rod" mit Gitarren zu spielen, die mit STP-Aufklebern verziert waren, wussten wir, dass wir so schnell wie möglich eine Single mit ihnen rausbringen MUSSTEN. Nun, sie haben "ja" gesagt, und hier ist sie. Diese Version von "My Impala '65" stammt aus einer ganz anderen Session als die, die auf der neuen Bad Mother Fucker LP (auf Sympathy [for the Record Industry]) erscheint, also kauft viel."
Das seit 1993 von Mike LaVella in San Francisco herausgegebene Fanzine kann als verspielt, schräg und ölverschmiert gelten. Es handelte sich jedoch keineswegs um eine Ein-Mann-Show. LaVella hatte von Anfang an ein kleines Team um sich geschart, das ihn beim Artwork und mit Artikeln unterstützte. Schon die ersten Ausgaben lassen viel Potenzial erkennen. Kein Wunder, dass sich das Periodikum über die Jahre professionalisierte und expandierte. 2000 wurde das Label Gearhead Records gegründet und es wurden auch Gearhead-Musik-Festivals veranstaltet. In den letzten Jahren hat sich Gearhead unter der neuen Firmenleitung von Michelle Haunold Lorenz zu einem Online-Shop entwickelt, der thematisch passende Bekleidung und Accessoires, Poster und DVDs anbietet.
Die vorerst letzte 20. Ausgabe das Fanzines bzw. Magazins ist 2017 als Print- (mit 2.500 Kopien) und PDF-Version erschienen. Der Erscheinungsturnus war unregelmäßig: manchmal einmal pro Jahr, manchmal öfter, zwischendurch gab es längere Pausen. Mittlerweile finden sich auf der Gearhead-Online-Plattform unter der Rubrik "What's shakin'" nur noch kurze Artikel bzw. "Stories über Autos, Popkultur, Musik, Kunst, Mode und andere relevante Themen". De facto handelt es sich in erster Linie um Alben-Rezensionen.
In der Selbstbeschreibung auf der Website heißt es: "Das Gearhead-Magazin ist einzigartig in der Welt des Automobil-Journalismus. [...] Das Magazin ist eine berauschende Mischung aus hochoktanigem Punk 'n' Roll, Popkultur und der Schmutzigkeit der amerikanischen Autokultur, die sich [...] zu einem spannenden Lesevergnügen zusammenfügt. Live Fast, Be Weird!" Im Fokus steht der "Lifestyle von Autoenthusiasten", wobei man sich insbesondere den sogenannten Hot Rods und Muscle Cars widmet, also getunten US-amerikanischen Oldtimern. Obwohl die Cover mit farbigen Fotos, Comics und Schriftzügen aufwarten, sind die Heftseiten durchweg in Schwarz-Weiß gehalten und die Typografie ist experimentell.
Es gibt viele Abbildungen von aufgemotzten Wagen zu bestaunen sowie Momentaufnahmen von Autorennen. Dazwischen findet man eine Menge Werbung für Lifestyle-Produkte wie Bekleidung, andere Magazine und vor allem Musikalben. Musik spielt ohnehin eine große Rolle: Es wird über Bands, Festivals, Clubs, Platten und Plattenläden berichtet und eine Split-Vinyl-Single beigegeben - zumeist aus dem Umfeld von Punk, Rock und Rockabilly. In der vorliegenden Ausgabe Nummer 2 geht es jedoch ebenso um die Surfmusik von Gitarrist Dick Dale und sogar um die Musik des Saxophonisten/Arrangeurs Sam Butera, der in Las Vegas für Louis Prima und Keely Smith gearbeitet hat sowie für Frank Sinatra und Sammy Davis Junior. Selbstverständlich wird dabei immer wieder die Verbindung zu historischen Automobilen hergestellt, sprich: der guten alten Zeit, die als wild und unbeschwert beschrieben wird und der man huldigt.
Mehr Informationen hier:
https://www.gearheadhq.com
Der April in Bremen ist jazzahead!-Zeit. Die internationale Messe mit Festival lockte auch dieses Jahr wieder Fachleute aus aller Welt in die Hansestadt und machte aktuelle Entwicklungen im Jazz erlebbar. Zwar standen 2025 die Länder Spanien, Frankreich und die Schweiz (erneut) im Fokus, aber wir haben bei unserem Rundgang durch die Messehallen auch Halt gemacht am Stand der lettischen Ländervertretung - und dort ein sehr feines QR-Code-Album entdeckt. Was ein QR-Code-Album ist? Nun, es sieht aus wie eine CD, nur wenn man sie aufklappt, findet man darin einen QR-Code, der in diesem Falle auf die Plattformen Spotify, Apple Music, YouTube Music, Bandcamp und Tidal verweist sowie auf die Website des Bandleaders bzw. Komponisten. Ist das die Zukunft der Tonträger-Industrie? Vielleicht. Immerhin hat man so einen quasi-physischen Tonträger, der bestens als Merchandise-Produkt eingesetzt werden kann und zudem sammel- und archivierbar ist.
Bei diesem QR-Code-Album handelt sich um die aktuelle Aufnahme namens "Interception" des noch relativ jungen lettischen Saxophonisten/Komponisten Toms Rudzinskis, der in Amsterdam studiert hat und mittlerweile in Berlin lebt. Sein fünftes Album innerhalb von zehn Jahren hat er in Quartettbesetzung mit Klavier (Alex Koo), Kontrabass (Igor Spallati) und Schlagzeug (Ivars Arutynyan) eingespielt. Besonders ist die Hinzunahme eines Streichquartetts in traditioneller Besetzung mit zwei Violinen (Ivars Brīnums & Madara Marta Gaile), einer Viola (Ineta Abakuk) und einem Cello (Madara Norbūte). Die Einspielung des Jazzquartetts wurde 2023 im Lettischen Radio Studio in Riga vorgenommen. Ein Jahr später entstanden die Overdub-Aufnahmen mit dem Streichquartett im Jersika Records Studio, ebenfalls in Riga.
Trotz des zeitlichen und räumlichen Abstands zwischen beiden Aufnahme-Sessions wirken die 12 Stücke, die allesamt aus der Feder des Bandleaders stammen, wie aus einem Guss. Sie fließen leicht federnd dahin und offenbaren zugleich kompositorischen Tiefgang. Diese Musik meistert den Balanceakt zwischen Strukturkomplexität und Sanglichkeit. Sie ist dynamisch vorgetragen und bietet insbesondere dem Bandleader, aber auch dem Pianisten Alex Koo viel Raum zur improvisatorischen Entfaltung. Die Soli sind durchweg spannend und abwechslungsreich gehalten ohne aufdringlich oder kraftstrotzend daherzukommen. Grundtenor: gelassene Könnerschaft.
Das ist erfrischender, zeitgenössischer Akustik-Jazz, der kein Aufheben macht um die Brillanz seiner Instrumentalist:innen, die auf höchstem internationalen Niveau spielen. Kein Wunder, dass Toms Rudzinskis als Komponist und Bandleader zum "Artist of the Year - Jazz/Funk" des neugegründeten GAMMA-Preises gewählt wurde für seine außergewöhnlichen Verdienste um die lettische Musik. Zudem gewann er mit "Interception" in den Kategorien "Bestes Jazz Album 2025" sowie "Top 5 Album of 2025" zwei weitere Preise der lettischen Musikindustrie.
Eine echte Entdeckung für uns war darüber hinaus das Label, bei dem das Album erschienen ist, nämlich Jersika Records aus Riga. Es wurde zwar erst 2017 von Mareks Ameriks gegründet, hat jedoch in kürzester Zeit eine erstaunliche Anzahl hochwertiger Aufnahmen mit "Baltischem Jazz" veröffentlicht, wobei der Schwerpunkt auf analoger Produktion sowie Vinyl-Platten und sogar Tonbändern (!) liegt. Sehr zu empfehlen! "Interception" vom Toms Rudzinskis Quartet ist ebendort auf Vinyl-Platte erschienen und kann auch digital als Stream/Download über die meisten gängigen Online-Plattformen bezogen werden.
Mehr Informationen hier:
https://tomsrudzinskis.com
https://jersikarecords.com
Der 1966 in Kiel geborene Thomas Albrecht ist ein vielseitiger Zeitgenosse. Unter dem Künstlernamen Rocko Schamoni veröffentlicht er eigene Musik und Romane. Er tritt auch schauspielerisch in Erscheinung. Als Mitglied des in Hamburg ansässigen Kreativ-Trios "Studio Braun" - gemeinsam mit Heinz Strunk & Jacques Palminger - hat er sich der heiteren Performance verschrieben. Das unernste Dreier-Grüppchen bewegt sich traumwandlerisch zwischen den Kunstsparten Theater, Musik und Film.
Insofern nimmt es nicht Wunder, dass Rocko Schamonis 2004 erschienener Roman "Dorfpunks" später verfilmt und der Soundtrack des Films auf einem Extra-Tonträger publiziert wurde. Schon seinem Debütroman "Risiko des Ruhms" (2000) war eine Mini-CD beigegeben worden, die Musik des Autors enthielt. An dieser Stelle soll es allerdings um den "Dorfpunks"-Roman und den entsprechenden Film-Soundtrack gehen, da beide Medien im KKI vorhanden sind (der Film bzw. die DVD bislang leider noch nicht). Kleine Randbemerkung: Im Jahr 2008 inszenierte "Studio Braun" außerdem das auf dem Buch basierende Theaterstück "Dorfpunks – Die Blüten der Gewalt" am Schauspielhaus Hamburg.
In 47 kurzen Kapiteln wird auf 200 Seiten die Jugend des literarischen Helden beschrieben, welche viele Parallelen zur Jugend des Autors aufweist. Bereits im ersten Kapitel wird die Kernthematik pointiert eingeführt. Es geht um die Adoleszenz in der norddeutschen Provinz, die natürlich stark von Musik geprägt gewesen ist: "Ich komme von der Ostsee, ich war SH-Punk. SH steht für Schleswig-Holstein. Dies ist eine Geschichte von Ufern. An die Wellen schlugen. Sie kamen aus England, breiteten sich dort sehr schnell aus, sprangen aufs Festland über, setzten die Großstädte unter Wasser und flossen von dort aus weiter, um später in der Provinz zu verebben. Jahre später. 1975 in England ausgebrochen, 1981 bei uns verebbt. In uns. Ein Jugendtsunami." (S. 7)
Der Protagonist der Geschichte ist Lehrerkind und wurde im Alter von 12 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder in einen Vorort der (fiktiven) Stadt Schmalenstedt verpflanzt, wo seine Eltern ein altes Bauernhaus gekauft hatten in einem Dorf mit 300 Einwohnern. Die Erzählung setzt ein im Jahr 1976 inmitten der Schulzeit/Pubertät und endet zehn Jahre später mit dem Bestehen der staatlichen Abschlussprüfung zum Töpfer an einer Berufsschule. Topoi wie das Erwachsenwerden, die Loslösung vom Elternhaus und erste Verliebtheiten werden mit einem lakonisch-ironischen Unterton vorgetragen und ausgeschmückt.
Anfangs begeistert sich der Protagonist noch für den Hardrock von AC/DC und KISS, kommt dann jedoch allmählich mit dem Punk der Sex Pistols und anderer Bands in Berührung. "Unser Wissen über Punkrock, über die richtigen Bands, Styles, Benimmregeln wuchs immens und wurde von uns um eigene Ideen erweitert. [...] Wir beschlossen eine Band zu gründen, so wie das damals Usus war. [...] Wir waren so ziemlich die coolsten Punks, die Schmalenstedt zu dem Zeitpunkt hatte, fand ich. Viel Konkurrenz gab es ja auch nicht." (S. 55f.)
Was Punk zu diesem Zeitpunkt war bzw. sein sollte, wurde im gemeinsamen Diskurs unter den Möchtegern-Musikern verhandelt: "Wir redeten über Musik, warfen alles durcheinander, fanden alles geil, wollten so geil wie die alle sein. Pistols, Dexy's, Clash, Elvis Costello, Cure, Pogues, Killing Joke, A Flock of Seagulls, Buttocks, Boskops, Buzzcocks, Madness, Selector, Echo & The Bunnymen, Specials, Siouxies, Vapors, Vipers, Wire, Damned, Stiff, Anti-Nowhere League, Robert Wyatt, Psychic TV, Plastic Bertrand, Bowie, Iggy, New York Dolls, Richard Hell, Scritti Politti, The Fall, Blondie, Ramones, Dead Kennedys, Witch Trial, Pop Group, Kid Creole, Pig Bag, Gang of Four, Saints, Fehlfarben, Plan, Male, Der Moderne Man, Malaria, Exploited, Kraftwerk, Discharge, Hass, Slime, Rheingold, Andi Giorbino, Jonathan Richman, Bauhaus, The Boys, Fischer-Z, Zeltinger, Kassiber, Die Tödliche Doris, Andreas Dorau, Palais Schaumburg, Mittagspause, Swell Maps, PIL, DAF, KFC, ZK, FSK, ABC, OHL... Alles so wunderbare Musik." (S. 59)
Mit derartigen Bandlisten gibt der Roman Einblicke in den Zeitgeist bzw. Musikgeschmack jener Jahre und fungiert als literarisches Archiv für die Musik Ende der 1970er bzw. Anfang der 1980er - zumindest so, wie sie auf dem platten Land in Norddeutschland rezipiert wurde. Die entsprechenden Bewegt-Bilder dazu lieferte 2009 die Buchverfilmung von Lars Jessen, einem norddeutschen Regisseur & Drehbuchautor, der mit dem Autor Rocko Schamoni befreundet ist.
Den Soundtrack zum Film haben die beiden als CD-Compilation ebenfalls 2009 veröffentlicht. Schamoni schreibt dazu: "Lars bat mich Songs für den Film zusammen zu suchen. Ich dachte lange darüber nach welche Songs es sein könnten. Am wichtigsten ist es für mich bei einem historischen Film den Sound der Zeit zu treffen. [...] In diesem Fall haben wir einige der besten Songs der frühen 80ger lizensieren dürfen, Songs die ich schon fast wider vergessen hatte, völlig zu Unrecht [...]." (sic!, Liner Notes, S. 3) Neben Bands wie Slime, Fehlfarben oder The Buzzcocks sind auch Talk Talk, Captain Beefheart & The Magic Band sowie Heaven 17 auf dem Tonträger vertreten, sprich Bands, die man eigentlich nicht dem Punk-Kontext zuschreiben würde.
Am Ende des Samplers findet sich natürlich auch ein Musikstück von Rocko Schamoni (& den Dorfpunk All Stars). Dessen Titel "Rand der Scheibe" verweist einerseits auf die Randlage der norddeutschen Heimat des Autors/Musikers, andererseits auf die Randständigkeit der Punk-Attitüde, welche die Grenze zwischen Ernst/Unernst sowie Normalität/Andersartigkeit auslotet - auch musikalisch, denn es handelt sich nicht um kratzig-widerborstiges Punk-Geschrammel, sondern um einen fluffig-leichten, ironisch-gebrochenen Wohlfühl-Song, der als Abspann-Lied und Kino-Rausschmeißer gut funktioniert.
Doreen Schneider absolviert vom 24. März bis 11. April ein dreiwöchiges Praktikum im KKI. Zurzeit macht sie eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) am Staatsarchiv Bremen. Zuvor hatte sie bereits ein Bachelorstudium abgeschlossen. Wir gewähren ihr gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag und freuen uns über ihre Unterstützung!
Heute hat uns die Bremer Rolling Stones - Sammlerin Doris Städing ihre vielen Bücher anvertraut. Da ist über die Jahrzehnte Einiges zusammengekommen. Wir freuen uns über die wertvollen Ergänzungen für unseren Buch-Bestand zur britischen Ur-Band.
Wir führen unsere Kooperation mit der Volkshochschule in Frankfurt am Main fort. Im Rahmen des Studium Generale wird Nico Thom (KKI-Leiter) im März zwei Online-Vorträge halten: 1) "(Populärer) Jazz in Deutschland" (13. März) und 2) "Populäre (Film-)Musik in deutschen Filmen" (20. März). Beide Vorträge setzen nach der politischen Wende im Jahr 1989 an und verhandeln den Zeitraum der letzten 35 Jahre bis hin zur Gegenwart.
Im März absolviert Tom Wedekind ein vierwöchiges Praktikum bei uns. Zurzeit studiert er Historische und Systematische Musikwissenschaft an der Universität Hamburg im Bachelor-Studiengang. Wir gewähren ihm gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag und freuen uns über seine Unterstützung!
Am Samstag, dem 1. März 2025, wird Nico Thom (KKI-Leiter) an der Philharmonie Luxembourg einen Vortrag halten unter dem Titel "Kompositionen & Arrangements für Jazz-Orchester". Es handelt sich um einen Einführungsvortrag zum Konzert der US-amerikanischen Jazz-Komponistin/Arrangeurin & Bigband-Leiterin Maria Schneider mit dem Oslo Jazz Ensemble. Mehr Infos: https://www.philharmonie.lu/de/programm/2024-25/maria-schneider-oslo-jazz-ensemble-000000e90019775a
Die Jazz-Komponistin/Arrangeurin/Bigband-Leiterin Maria Schneider stammt aus der US-amerikanischen Provinz und hat sich im Laufe ihrer Karriere einen Ruf als herausragende Orchesterchefin erarbeitet. 1992 gründete sie ihren eigenen 18-köpfigen Klangkörper, für den sie seither großformatige Stücke schreibt und diese weltweit live präsentiert. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte des Maria Schneider Orchestra mit einem wöchentlichen Engagement im New Yorker Club „Visiones“, das einige Jahre Bestand hatte.
1994 erschien das erste Album des Jazz-Orchesters. Es folgten zwei weitere Studio-Alben (1996 & 2000) sowie ein Live-Mitschnitt (ebenfalls 2000). Bevor Maria Schneider in den 1990er Jahren mit ihrer Bigband international für Aufmerksamkeit sorgte, hatte sie in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre Gelegenheit, Gil Evans zu assistieren, dem Neuerer des konzertanten Bigband-Jazz.
Schneiders viertes Studio-Album „Concert in the Garden“ erschien 2004 als Download-Version bei ArtistShare.com, der ersten kommerziellen Crowdfunding-Plattform mit eigenem Label im Internet. Das Album schrieb Musikgeschichte, weil es das erste von Fans finanzierte Musikprojekt gewesen ist, das ohne regulären Tonträger auskam und dennoch einen Grammy Award gewinnen konnte (in der Kategorie „Best Large Jazz Ensemble Recording“).
Das Download-Album besteht aus 5 Teilen: einem 12minütigen Eröffnungsstück, drei als Romanzen betitelten Stücken, die jeweils etwa 9 Minuten Länge aufweisen, sowie einem großen Abschlussstück, das eine Dauer von über 18 Minuten hat. Die Kritik nahm die fünf Aufnahmen begeistert auf und lobte vor allem die Ausgewogenheit von klanglicher Schönheit und kompositorischer Komplexität sowie die organischen Übergänge zwischen komponierten und improvisierten Passagen. Die Musik sei zugleich intim und kraftvoll und bewege sich spielerisch zwischen Klassik, Jazz und lateinamerikanischer Musik.
Die Qualität des Albums überzeugte schließlich auch die Library of Congress. „Concert in the Garden“ wurde im Jahr 2020 für die Aufnahme in das prestigeträchtige National Recording Registry ausgewählt. Mit den neuen Aufnahmen im National Recording Registry erhöhte sich die Gesamtzahl der Titel im Register auf 550 – das ist nur ein kleiner Teil der riesigen Tonträgersammlung der Library of Congress, die mehr als 3 Millionen Objekte umfasst.
Das Klaus-Kuhnke-Institut hat eine gebrannte Daten-CD des Download-Albums im Bestand, auf der die atemberaubende Musik archiviert ist. Das macht auch Sinn, denn bei den gängigen Streaming-Diensten sucht man „Concert in the Garden“ vergeblich.
Fotos: Aus dem Astoria-Programmheft für den März 1964 (Leihgabe von Till Neurath)
In vielen deutschen Städten findet man noch heute sogenannte Varietétheater - auch in Bremen (z.B. das GOP). Das sind Orte, an denen verschiedene darstellende Künste kombiniert werden, das heißt Akrobatik, Clownerie, komödiantisches Schauspiel, Puppenspiel, Kabarett, Travestie, Zauberei und natürlich auch Musik und Tanz, manchmal sogar in Form des "Schönheitstanzes". In der Regel handelt es sich um eine lose Abfolge von in sich geschlossenen Darbietungen. Man spricht von künstlerischen "Nummern", denen meistens eine verbindende Rahmenhandlung fehlt.
Im Unterscheid zum Zirkus verfügt ein Varietétheater über ein eigenes Gebäude bzw. einen festen Bühnenraum und verzichtet auf Reitkunst, wenngleich es mitunter Tierdressur im Programm hat. Ziel des Neben- und Nacheinanders von heiteren, skurrilen, faszinierenden, gruseligen und erotischen Varieté-Elementen ist die Unterhaltung des Publikums, das dabei Speisen und Getränke verzehren darf/soll. Die Engführung von Kunst und Gastronomie ist gewissermaßen Teil des Programms. Der Terminus Varieté hat eine historische und inhaltliche Nähe zu Begriffen wie Music Hall, Musical, Vaudeville, Cabaret, Revue, Burleske oder Kleinkunst. Die Anfänge des Varietés lassen sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. England, Frankreich und die USA werden als Ursprungsterritorien genannt.
Im deutschsprachigen Raum, speziell in Deutschland wurden in den 1880er Jahren die ersten Varietétheater eröffnet, zum Beispiel die Bockshalle in Düsseldorf (1880), der Krystallpalast in Leipzig (1884), das Scala Theater in Köln (1885), das Flora Theater in Hamburg (1888) oder das Mellini Theater in Hannover (1889). "Die Varieté-Saat war prächtig aufgegangen in deutschen Landen. Allein in Hannover soll es um 1900 schon 9 Varietés verschiedener Güte gegeben haben, in Berlin sogar 80." (Rainer Berg: Varieté. Gutgelaunt durchs Wirtschaftswunder, Hannover: Fackelträger 1988, S. 16)
Am 5. April 1908 begann die Erfolgsgeschichte des Bremer "Astoria". Emil Fritz hatte ein Musik-Café mit Varieté in der Bremer Innenstadt (Katharinenstraße) eröffnet, das er dann sukzessive erweiterte durch den Ankauf umliegender Packhäuser sowie die Eröffnung zusätzlicher Gastronomie- und Spielstätten in der Nähe, zum Beispiel mit dem Café "Atlantic" mit dazugehörigem Tanzpalast in der Knochenhauerstraße. 1928 gab es einen großen Umbau des "Astoria" und es verdichteten sich die Gerüchte um eine mögliche Insolvenz. Aber Emil Fritz war offenbar ein mit allen Wassern gewaschener Geschäftsmann, der das "Astoria" durch die Zeit der Weltwirtschaftskrise (Ende der 1920er Jahre) führte und dabei sogar noch gute Umsätze machte.
Das "Astoria" brachte Glanz und viele Stars der damaligen Zeit ins Bremer Nachtleben. Nationale und internationale Größen des Filmgeschäfts, prominente Entertainer:innen und Persönlichkeiten aus der Sportwelt, Adlige, Staatsmänner sowie bekannte Künstler:innen jeglicher Art - nicht zuletzt berühmte Musiker:innen - besuchten das Varietétheater und/oder traten dort auf. Dann kamen die Nationalsozialisten.
"Unter Hitler und vor allem auch während des Krieges ist es schwer, anspruchsvolle Programme zusammenzustellen. Jüdische, homosexuelle und anti-faschistische Artisten, Kabarettisten und Musiker haben Auftrittsverbot, werden ins Exil gedrängt oder in Konzentrationslager gesperrt, die meisten anderen nach und nach zum Arbeitsdienst, zur Truppenbetreuung oder zur Wehrmacht eingezogen. Politisches Kabarett und internationale Gastspiele gehören der Vergangenheit an. Auch das Servicepersonal wird knapp. Beim 137. Bombenangriff auf Bremen brennen am 6. Oktober 1944 das 'Astoria' und das 'Atlantic' nieder. [Emil] Fritz steht vor dem Nichts." (Monika Felsing [Hrsg.]: Unser Astoria. Erinnerungen an Bremens großes Varieté in den fünfziger und sechziger Jahren, Norderstedt: Books on Demand 2008, S. 14)
Am 6. Oktober 1950 konnte der umtriebige Varieté-Direktor das "Astoria" wiedereröffnen - dieses Mal sogar noch größer und prunkvoller. Und nun gelingt es Emil Fritz zudem mehr Künstler:innen aus fernen Erdteilen nach Bremen zu locken, so zum Beispiel den Harfenisten Florencio Coronado aus Peru oder die Sängerin Beryl Barony aus Indonesien. Aus dem deutschsprachigen Raum kommen (weiterhin) berühmte Musiker:innen bzw. schauspielende Sänger:innen wie "Otto Reutter, [...] Zarah Leander, Marika Rökk, Hildegard Knef, Trude Herr, Vico Torriani, Heinz Erhardt, Brigitta Mira, Lale Andersen, Marita Gründgens [...]" und geben sich in Bremen die Ehre (Monika Felsing [Hrsg.]: Unser Astoria. Erinnerungen an Bremens großes Varieté in den fünfziger und sechziger Jahren, Norderstedt: Books on Demand 2008, S. 13).
Auch der Österreicher Udo Jürgens trat im "Astoria" auf, startete von hier aus seine Karriere und - da er durchaus ein passabler Jazzpianist gewesen ist - jammte mit der Hausband, der City Club Combo. Die City Club Combo hatte sechs Jahre lang eine sonntägliche Konzertreihe namens "Cocktail in Jazz" im "Astoria". Die Band war laut eigener Aussage die "erste stehende Jazzkapelle in Bremen", erinnert sich der Trompeter Eckfried von Knobelsdorff, der zusammen mit Frankie Wegner (Bass & Gesang), Joe Kirchhof (Klarinette), Gert Fröllje (Piano) und Werner Frese (Schlagzeug) die Gruppe bildete. Noch regelmäßiger und länger (circa 10 Jahre lang) spielt jedoch das Hausorchester um Franz Frankenberg, der als beständiger Arrangeur, Dirigent und Orchesterleiter fungierte. Das Orchester begleitete die Artist:innen und Künstler:innen in den täglichen Showprogrammen und spielte zudem Tanzmusik. Zu den festen Hausmusikern gehörte auch der Pianist Rudi Wolf, der nahezu täglich die Abendschichten im "Astoria" übernahm und von 23:30 Uhr bis morgens 6:30 Uhr am Klavier saß und alles Erdenkliche spielte: beliebte Melodien aus Operette, Film und Musical ebenso wie beschwingten Schlager, Jazz und Lieder aller Art. Dabei parlierte er mit dem Publikum und führte moderierend durch die Nacht.
Am Neujahrsmorgen 1968 wurde das "Astoria" für immer geschlossen - 60 Jahre nach der Eröffnung und mit einer kriegsbedingten Pause von sechs Jahren (1944-1950). Man kann sich heute kaum noch vorstellen, welche Anziehungskraft das Haus gehabt hat. Es bot nicht nur den Bremer:innen über Jahrzehnte hinweg hochwertige Unterhaltung - und zwar quasi rund um die Uhr -, es war zudem ein Tourist:innen-Magnet für ein internationales Publikum.
Die in Bremen lebende Juristin Doreen Rocholl absolviert zurzeit ein berufsbegleitendes Master-Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin im Fach Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Im Rahmen eines vierzehntägigen Praktikums (Mitte bis Ende Februar) lernt sie das KKI kennen und erhält Einblicke in unseren Arbeitsalltag. Wir freuen uns über ihre Unterstützung!
Der Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. (VdA) fordert aus Anlass der bevorstehenden Bundestagswahl, die Archive aller Sparten zu stärken. Die Grundidee laut: Eine freiheitliche Gesellschaft braucht starke Archive als authentisches Gedächtnis! Der Verband hat hierzu 9 Positionen formuliert, denen sich das KKI anschließt. Mehr Infos hier: https://www.vda.archiv.net/aktuelles/meldung/853.html
An einem Wochenende Mitte Februar finden die jährlichen Hochschultage der Hochschule für Künste Bremen statt. Diese werden wieder im Speicher XI in der Überseestadt durchgeführt, wo der Fachbereich Kunst & Design ansässig ist. Das KKI wird am Sonntag, dem 16. Februar, von 11 bis 16 Uhr mit einem Info-Stand vertreten sein und unter anderem auch ein paar Dubletten zum Kauf anbieten.
Warum an dieser Stelle eine allgemeine Musik-Enzyklopädie vorgestellt wird? Nun, weil diese wie selbstverständlich auch Populäre Musik in ihrer ganzen Breite abdeckt und nicht, wie andere vergleichbare Enzyklopädien, den Fokus nur auf die Tradition der klassischen europäischen Kunstmusik richtet. Einen ersten Hinweis dazu gibt das Cover der CD-ROM (für PCs bzw. Windows-Programme). Darauf finden sich die stilisierten, quasi in Stein gemeiselten Konterfeie von Elvis Presley, Johann Sebastian Bach, Barbara Streisand und Louis Armstrong.
Die Compact Disc Read-Only Memory (CD-ROM) enthält "über 400.000 Einträge aus allen Bereichen der Musik in Wort, Bild & Ton", ist auf dem Frontcover zu lesen. Auf dem Rückcover steht zudem geschrieben: "Das entspricht rund 100.000 Lexikonseiten". Gestartet wurde das ambitionierte Enzyklopädie-Projekt im Jahr 1995, 1997 erschien dann die erste Version der CD-ROM. Hier handelt es sich um die 8. Version aus dem Jahr 2005. Initiator und treibender Kopf hinter der Unternehmung war und ist Harald Skorepa (Jg. 1952), ein deutscher (Rock-)Musiker, Psychotherapeut und Autor. Auch heute noch, dreißig Jahre nach Projektstart, gibt es "Ultimus" - gegenwärtig als aufgesplittetes "Musiklexikon" und "Instrumentenlexikon" (beides nach wie vor auf CD-ROM) sowie als "Online-Lexikon" (mit 2-Jahres-Abo).
Die Qualität der Informationen auf der 2005er-CD-ROM ist divergent. Manche Einträge weisen einen angemessenen Informationsgehalt auf, andere nahezu keinen. Wenig aussagekräftig sind die meisten Personen- und Musikgruppen-Einträge.
Da findet sich beispielsweise unter dem Eintrag "AC" folgende Beschreibung: "Instrumente: Schlagzeug; Mitglied bei: Running Wild". Daraus kann man schließen, dass die Band "Running Wild" einen "Schlagzeuger" hat(te), der "AC" heißt (bzw. hieß). Geht man dem nach und klickt auf den Bandnamen "Running Wild", erscheint ein Farbfoto der vierköpfigen Band von 1991. Unter dem Stichwort "Biographie" steht "Heavy Metal-Gruppe". Dass es sich um eine erfolgreiche Band aus Hamburg bzw. Deutschland handelt und dass sie bereits 1976 gegründet wurde, erfährt man nicht. Als "Mitglieder" werden aufgeführt: "AC; Becker, Jens; Morgan, Axel; Rock'n'Rolf - Gesang (1976)". Auch hier erfährt man nichts Konkretes darüber, wer "AC" ist (nämlich Rüdiger 'AC' Dreffein). Irritierend ist zudem, dass unter den "Mitgliedern" der Band das separate Stichwort "Musiker" auftaucht, welches jedoch nur einen Namen anführt: "Michael, Jörg - Schlagzeug". Offenbar hatte die Band den Schlagzeuger zwischenzeitlich gewechselt. Was man wiederum nicht erfährt, ist die Tatsache, dass auch alle anderen Bandmitglieder - bis auf den Sänger Rolf "Rock'n'Rolf" Kasparek - mehrfach gewechselt haben. Insofern bietet die Liste der Bandmitglieder nur eine kleine Auswahl, die sich auf die frühen 1990er Jahre bezieht. Scheinbar ist der Eintrag zur Band seit der ersten Version der CD-ROM nicht mehr aktualisiert worden, obwohl man mittlerweile bei Version 8.0 angekommen war. Auch die "Discographie" von Running Wild ist ziemlich lückenhaft dargestellt. Es sind lediglich zwei Alben gelistet ["Blazon Stone - CD (1991); The Rivalry - CD (1998)"], obgleich die Band bereits in den 1980er Jahren fünf Alben veröffentlicht hatte und auch zwischen den beiden angeführten drei weitere Alben im Laufe der 1990er Jahre erschienen sind.
Neben "Personen" und "Musikgruppen" gibt es weitere Rubriken wie "Alben", "Werke", "Hitparaden", "Auszeichnungen", "Instrumente" und "spez. Instrumente", "Hörbeispiele", "Adressen" sowie eine "Bildergalerie". Interessante Zugänge zur (Populären) Musik ergeben sich über die Rubriken "Bemerkenswertes", "Fachliches" und den "Zeitstrahl". Letzterer kann zum Beispiel nach Musikstilen, Personen oder Instrumenten sortiert werden und man kann darüber hinaus noch nach Ländern (nur Deutschland) und Kontinenten (Europa, Amerika und "andere") filtern. Unter der ominösen Rubrik "Fachliches" verbergen sich zum Beispiel musikalische "Fachbegriffe", technische "Hilfsmittel" sowie musikalische "Stilrichtungen", "Labels" und "Studios / Spielorte", aber auch "Musikfilme". Die Rubrik "Bemerkenswertes" enthält Zitate von Musiker:innen und musikbezogene Anekdoten.
Gegenüber der heutigen Fülle an Informationen im Internet wirkt eine derartige CD-ROM-Enzyklopädie so, als wäre sie etwas aus der Zeit gefallen bzw. überholt, zumal sie kaum Quellenangaben macht und die Auswahl der Einträge willkürlich anmutet. Dennoch findet man hier und da spannende Querverbindungen oder entdeckt - wie in einem richtigen Archiv - etwas Spannendes, wonach man eigentlich gar nicht gesucht hatte. Grundsätzlich gibt es viele Einträge zur Populären Musik, eventuell sogar mehr als zur sogenannten Klassik, aber auch Weltmusikalisches bzw. ethnische Musik wird nicht ausgespart. Einen Schwerpunkt gibt es bei deutschen Künstler:innen, insbesondere bei Musiker:innen und Bands aus Berlin, wo der Herausgeber ansässig ist.
In den 1980er Jahren erlebte der Glam Rock ein Wiederaufleben, ein Musikstil, der ursprünglich in den frühen 1970er Jahren mit Stars wie David Bowie, T. Rex und Roxy Music entstanden war. Während der Glam Rock in seiner früheren Form Mitte der 70er Jahre aus dem Mainstream verschwunden war, kam es in den 80er Jahren zu einer neuen Glam-Welle, die Hard Rock mit Theatralik und Extravaganz verband. Diese 1980er-Jahre-Variante, die manchmal auch als "Hair Metal", "Sleaze Metal" oder "Glam Metal" bezeichnet wird, zeichnete sich durch einen lauteren, ausgefeilteren Sound aus und durch die Betonung des Exzesses, sowohl in der Musik als auch in der Mode und Performance.
Die Musik des Glam Rock
In den Achtzigern wurde der Glam Rock vor allem durch Bands definiert, welche die rifflastigen, harten Rockgrundlagen der 70er Jahre mit Hooks und melodischen Elementen kombinierten, um die Musik radiotauglich zu machen. Diese neue Glam-Musik war zwar im Heavy Metal verwurzelt, hatte aber einen Sinn für Spaß und Verspieltheit, der in der Mainstream-Rockszene oftmals fehlte. Bands wie Mötley Crüe, Def Leppard, Poison und Cinderella verkörperten diesen neuen Sound mit hymnischen Refrains, eingängigen Gitarrensoli und einer Mischung aus Glamour und Theatralik. Jene Bands trugen dazu bei, dass sich der Glam Rock in diesem Jahrzehnt zu einer dominierenden Kraft in der Mainstream-Musik entwickelte.
Das Debütalbum Too fast for love (1981) von Mötley Crüe war wegweisend für das, was noch kommen sollte: eine Kombination aus schmierigem Rock 'n' Roll mit einem zugleich kantigen und polierten Image. Die Alben Pyromania (1983) und Hysteria (1987) von Def Leppard führten das Genre in den Bereich des Arena-Rocks und verbanden die spielerische Ausgelassenheit des Glam Rock mit den hymnischen Hooks, die den Stadionrock der 80er Jahre definierten. Die Glam-Metal-Welle wurde auch durch Bands wie Twisted Sister, Ratt und Warrant verstärkt, die alle ihre eigene Note einbrachten. Glam Rock war nicht länger ein Nischengenre, sondern wurde zum Mainstream, mit Songs, die Hedonismus, Rebellion und jugendliche Ausgelassenheit feierten.
Glam Rock Mode: Exzess und Androgynität
Mode war ein wesentlicher Bestandteil der Glam-Rock-Bewegung und diente als ästhetisches Statement. Die Glam-Rocker der 1980er Jahre setzten auf ein exzessives Erscheinungsbild: enge Lederhosen, Elasthan, glitzernde Oberteile und voluminöses, hochgestecktes Haar. Aber was den Glam wirklich auszeichnete, war sein androgynes Erscheinungsbild. Die Interpreten verwischten die Grenzen zwischen traditionellen männlichen und weiblichen Rollen, was zu einem Markenzeichen des Genres wurde. Toupierte Haare, lackierte Nägel und Make-up waren bei männlichen Künstlern keine Seltenheit und widersprachen den traditionellen Geschlechternormen. David Bowie hatte bereits in den Siebzigern mit seiner Ziggy Stardust-Persönlichkeit den Weg für diese Art von androgynem Ausdruck geebnet.
In den 80er Jahren verschoben Bands wie Kiss, Poison und Ratt die Geschlechtergrenzen weiter. Sie trugen Eyeliner, Lippenstift und Glitzer - Elemente, die traditionell mit Weiblichkeit assoziiert wurden - und präsentierten sich dennoch mit der Muskulösität und dem Auftreten von klassischen Rockstars. Das ermöglichte den männlichen Künstlern, ihre Verletzlichkeit offen zum Ausdruck zu bringen und gleichzeitig ihre stereotype Männlichkeit beizubehalten, wodurch ein fließender Umgang mit der Geschlechtsidentität geschaffen wurde. Die Frauen im Glam Rock übernahmen ebenfalls die übertriebene Mode, aber sie blieben tendentiell eher passiv. Musikerinnen wurden oft in den Hintergrund gedrängt oder waren nur Teil der Glam-Ästhetik, nicht die Anführerinnen. Lita Ford und die Band Vixen bildeten jedoch bemerkenswerte Ausnahmen, da beide erfolgreiche Karrieren in diesem Genre machten und vorlebten, wie Frauen die gleiche Glam-Energie ausleben und trotzdem die Geschlechterdynamik der Musik-Branche meistern konnten.
Gender-Performance im Glam Rock
Die Performativität des Glam Rock ging weit über das Musikalische hinaus und schloss auch die Geschlechterperformance ein. Die extravagante Herangehensweise an das Thema Geschlecht bedeutete, dass die Interpreten ständig zwischen maskulinen und femininen Zügen wechselten und ihre öffentlichen Auftritte oft als Bühne für die Erkundung dieser Veränderungen nutzten. Boy George, obwohl er eher der New-Wave-Szene der 80er Jahre zuzuordnen ist, ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Glam Rock breitere kulturelle Veränderungen beeinflusst hat. Bei seinen Auftritten verschmolzen Männlichkeit und Weiblichkeit, wodurch die Aufmerksamkeit auf den performativen Charakter von Geschlecht gelenkt wurde. Bei ihren Live-Auftritten spielten Glam-Rock-Bands nicht nur ihre Musik, sondern führten auch aufwendige, oft kitschige Darbietungen auf, bei denen die Grenzen zwischen Rock 'n' Roll und Drag verwischt wurden. Kostüme, Make-up und dramatische Gesten machten das Geschlecht zu einem wichtigen Teil des Spektakels. Dieses absichtliche Spiel mit dem Geschlecht - oft übertrieben und theatralisch - lud die Fans dazu ein, ihre eigene Identität in einem Raum zu erkunden, in dem Geschlechterfluidität nicht nur toleriert, sondern gefeiert wurde. Musikvideos (für MTV & Co.) wurden zu einem entscheidenden Aspekt der Anziehungskraft des Glam Rock.
Den Anstoß zu dieser kleinen Einführung in den Glam Rock gaben einige Ausgaben der Zeitschrift "Rock Power", die sich in der Zeitschriftensammlung des Klaus-Kuhnke-Instituts befinden, beispielsweise die Hefte 9/1991, 10/1991 und 12/1991 (siehe das Foto oben). "Rock Power" ist ein deutsches Magazin, das sich mit der Glam-Rock-Szene der 80er und 90er Jahre beschäftigt, beispielsweise mit bekannten Künstlern wie dem kanadischen Sänger Sebastian Bach (mit der US-Band Skid Row), der deutschen Sängerin Doro (Pesch) oder der schwedischen Band Europe.
Hans Last (1929-2015) kann ohne Übertreibung als Bremens berühmtester Musiker gelten. 1965 startete er eine langjährige Kooperation mit der deutschen Plattenfirma Polydor, welche zu einer beispiellosen Karriere führte. Unter dem Künstlernamen "James" Last veröffentlichte der Bassist, Komponist, Arrangeur, Dirigent & Orchesterleiter fortan Tonträger am Fließband und wurde zu einem internationalen Star aufgebaut, der in den 1980er Jahren sogar in die USA auswanderte, um in Florida zu leben und zu arbeiten.
Die LP "Christmas Dancing" stammt aus der Anfangsphase von James Last und seinem Orchester. Da wohnte er noch in Hamburg, wohin er von Bremen aus gezogen war. Auf der Platte präsentiert der 37jährige Orchesterchef volkstümliche und eigene Weihnachtslieder bzw. Potpourris, das heißt Arrangements mit Zitaten bekannter Weihnachtsmelodien. Es werden sowohl deutsche wie auch englischsprachige Klassiker verarbeitet, beispielsweise "O Tannenbaum", "Schneeflöckchen Weißröckchen" oder "O Du fröhliche", ebenso wie "Jingle Bells" oder "White Christmas". Es handelt sich weitgehend um Instrumentalmusik, wobei sphärische Chöre im Hintergrund die Melodien mitsummen. Auf gesungene Texte wird gänzlich verzichtet.
Zwei Stücke stammen aus der Feder von James Last: "Midnight in December" sowie "Schlittenfahrt im Winterwald". Sie sind eingebettet in kurze Medleys von zwei bzw. drei Liedern. So ist "Midnight in December" zwischen "White Christmas" und "Jingle Bells" eingepasst worden und entfaltet dort eine wundersame, geradezu cineastische Wirkung. Man denkt beim Hören an alte Winnetou/Old Shatterhand-Filmmusiken, die etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, und deren weite, von Streichern getragene Melodien. Lasts "Schlittenfahrt im Winterwald" ist mit dem Weihnachtsklassiker "Stille Nacht, Heilige Nacht" (von Franz Xaver Gruber und Joseph Mohr) kombiniert worden, wobei zwischen beiden Liedern eine kurze Pause steht. Vermutlich wollte James Last die zweiminütigen Miniaturen verbinden, um auf eine üblichere Songlänge von - in diesem Falle - 4:34 Minuten zu kommen.
Was bei allen Arrangements und Eigenkompositionen auffällt, ist die dezente, das Ambient-Ideal vorwegnehmende Art der Musik, die zugleich melancholisch und tänzerisch anmutet. Die Grundstimmung ist besinnlich, aber nicht bieder. Die Musik kommt leicht beschwingt daher, lädt jedoch nicht wirklich zum Tanzen ein, wie es der Titel der Platte nahelegt. Der sogenannte "Happy Sound" des James Last Orchesters ist zwar durchaus erkennbar, allerdings mischen sich über weite Strecken anheimelnde Passagen ins Klangbild, die wohlige Behaglichkeit verströmen. Das ist - im guten Sinne - Programmmusik, welche die Wärme und das Kerzenlicht unterm Tannenbaum akustisch imaginiert bzw. die reale Szenerie angemessen untermalt. Fazit: Eine zeitlose Platte für die Weihnachtstage, die auch heute noch gut funktioniert.
Wenn Sie ein/e Musikliebhaber:in oder Vinylsammler:in sind, haben Sie wahrscheinlich schon von 33ern, 45ern und 78ern gehört. Aber sind Sie jemals auf eine Schallfolie gestoßen? Dieses ungewöhnliche Tonträgerformat aus der Vergangenheit ist weniger bekannt und seine einzigartigen Eigenschaften machen es zu einem faszinierenden Teil der Musik- und Technikgeschichte.
Schallfolien bzw. Flexi Discs wurden in den 60er, 70er, 80er und Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts millionenfach verkauft - und verschwanden dann für anderthalb Jahrzehnte praktisch von der Bildfläche. Aber wie es sich für ein Produkt gehört, das auf einer fortlaufenden Ritzspirale basiert, war das noch nicht das Ende...
Andere "musikalische Postkarten" gab es schon seit 1950 und sie wurden unregelmäßig verkauft. Und in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre kamen in Großbritannien einige Vinyl-Flexi Discs auf den Markt, obwohl die meisten von ihnen technisch gesehen von sehr schlechter Qualität waren. Die verfeinerte Flexi-Scheibe bzw. Schallfolie wurde einige Jahre später, 1962, von der amerikanischen Firma Eva-Tone Incorporated entwickelt, patentiert und auf den Markt gebracht und zunächst "Eva-Tone Soundsheet" genannt. Dieses neue "Kind" hatte mehrere Vorteile gegenüber seinen "Eltern", der "musikalischen bzw. singenden Postkarte" und den ursprünglichen Produkten mit Spiral-Stylus-Rille, die wir als Schellack- oder Vinyl-Schallplatten kennen.
Eine Schallfolie (auch bekannt als Phonosheet, Sonosheet oder "Soundsheet", eine eingetragene Markenbezeichnung) ist eine dünne, flexible Schallplatte aus Vinyl oder ähnlichen Kunststoffen. Im Gegensatz zu den traditionellen harten, starren Schellack- und Vinylplatten, mit denen die meisten Menschen vertraut sind, können Schallfolien gebogen oder gerollt werden, ohne zu brechen. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit ihren "großen Cousins", den Vinyl-Schallplatten, können sie von normalen Plattenspielern abgespielt werden. Sie wurden vor allem in den 1960er bis 1980er Jahren als Werbeartikel oder Sonderbeilagen in Zeitschriften verwendet. Diese leichten Schallplatten enthielten Musik, gesprochene Worte oder Soundeffekte... manchmal sogar Vogelstimmen!
Einer der Hauptgründe für die Entwicklung der Schallfolie waren die Kosten. Die Hersteller konnten sie billig produzieren und leicht verteilen, was sie zu einem perfekten Werbeträger machte. Musiklabels verschickten sie oft an Abonnenten oder legten sie Magazinen bei, um neue Künstler:innen vorzustellen oder Inhalte in limitierter Auflage zu veröffentlichen. Es war nicht ungewöhnlich, eine Schallfolie in einem Comic-Heft oder einem Musikmagazin zu finden, und einige waren sogar mit einer speziellen Botschaft eines/r Künstler:in oder Band versehen. Diese Folien boten nicht viel Platz und enthielten in der Regel nur einen einzigen Song oder eine kurze Sprachaufnahme.
Die Praktikablilität und Kosteneffizienz der Schallfolien ging jedoch mit einem Nachteil einher: der verminderten Klangqualität. Aufgrund ihrer dünnen Bauweise ist die Klangqualität von Schallfolien in der Regel schlechter als bei herkömmlichen Vinyl-Schallplatten. Sie klingen oft blechern oder dumpf und ihre Flexibilität macht sie mit der Zeit anfälliger für Verzerrungen. Das hat die Leute aber nicht davon abgehalten, sie zu genießen - zumal sie oft kostenlos waren oder beim Kauf mitgeliefert wurden. Darüber hinaus hat die Musikindustrie erkannt, dass Hardcore-Fans alles sammeln wollen, was mit dem/der Künstler:in zu tun hat, und so ist es immer noch eine Möglichkeit, Sammlereditionen zu bereichern.
Schallfolien haben auch einen Platz in der Geschichte der experimentellen Musik und der alternativen Kultur eingenommen. Einige Künstler:innen nutzten sie - und nutzen sie immer noch -, um mit neuen Formen der Tonaufnahme zu experimentieren und einzigartige Musik zu produzieren. Einige seltene Schallfolien sind heute aufgrund ihrer historischen Bedeutung unter Vinyl-Liebhaber:innen sehr begehrt.
Mit dem Aufkommen von CDs und digitalen Formaten verschwanden die Schallfolien schließlich aus dem allgemeinen Gebrauch, doch Sammler:innen erinnern sich noch immer gerne an sie. Heute sind sie ein skurriles und nostalgisches Relikt aus einer Zeit, in der die Welt der Musik voller Innovationen, Experimente und DIY-Kultur war. Ob man nun in einem Secondhand-Laden über eine Schallfolie stolpert oder sie in einer Kiste mit alten Magazinen entdeckt - der Fund einer Schallfolie ist wie die Entdeckung eines Stücks Musik- und Technikgeschichte.
Natürlich gibt es auch im Klaus-Kuhnke-Institut einige Schallfolien. Das Foto zeigt zum Beispiel eine Beilage aus dem US-Folk-Magazin "Sing Out!" von 1976 (Ausgabe 25, Nummer 1). Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Magazins wurden kurze musikalische Ausschnitte von folgenden Künstler:innen auf diesem wundersamen Tonträger veröffentlicht: Joe Hill, Dianne Boesch & Kathy Stillson, Agnes 'Sis' Cunningham, Suni Paz, Merle Travis, U. Utah Phillips, The Human Condition, Jeff Kiser & Mountain Musicians Cooperative, Barbecue Bob, Pipa Students, Mable Hillery, Phil Ochs, Niles Hokkanen und Pete Seeger.
Wir haben ein Kooperationsprojekt gestartet mit dem Bremer Musiknetzwerk stadtlauscher.de. Einmal pro Monat werden wir eine/n Musiker:in, Band oder Musikinstitution (Club, Festival, Verein etc.) aus Bremen vorstellen, welche/r für die Geschichte der Populären Musik in Bremen relevant gewesen ist. Damit wollen wir unser aktuelles Forschungsprojekt zur Bremer Musikgeschichte anteasern und publik machen. Unsere Beiträge werden sowohl im Magazin-Teil der stadtlauscher.de-Plattform veröffentlicht wie auch auf unserer eigenen Website bzw. in unserem Onlinemagazin "S[æ]itenanschläge". In der ersten Folge geht es um "Peter Apel & das Projektstudio Tonbetrieb".
Mehr Infos hier: https://stadtlauscher.de/magazin/
Foto: Peter Apel / stadtlauscher.de
Der 1955 geborene Musiker, Musiklehrer & Studiobetreiber war eine Instanz des Bremer Musiklebens. Im Juni 2024 ist er im Alter von 69 Jahren aufgrund eines plötzlichen Herzversagens verstorben. Seine letzten Stunden verbrachte er in seinem Projektstudio Tonbetrieb, das Teil des Bremer Güterbahnhofes war, dem Areal für Kunst und Kultur unweit des Hauptbahnhofes.
Schon früh war Peter Apel der Gitarre verfallen, die sein Hauptinstrument wurde. Er spielte sie sowohl akustisch als auch elektronisch verstärkt auf hohem Niveau. Außerdem eignete er sich die Ukulele und den E-Bass an. Neben diesen drei Saiteninstrumenten unterrichtete Peter Apel Harmonielehre, Songwriting und Musikproduktion, nachdem er sich autodidaktisch in die Studiotechnik eingearbeitet hatte.
In seinem Projektstudio Tonbetrieb nahm er vor allem lokale Bands auf, für die er Demo-CDs produzierte. Darüber hinaus unterstützte er die Künstler:innen als Studiomusiker. Mitunter spielte er sogar Mandolinen-, Keyboard- oder Blues-Harp-Spuren ein oder sang Background Vocals. Während der Corona-Pandemie entwickelte er die Idee zum Freundeskreis Livestream Güterbahnhof, wo er fortan Online-Konzerte in seinem Studio veranstaltete.
Sein besonderes Interesse galt dem zeitgenössischen Jazz. Als Profimusiker interagierte er mit vielen lokalen und regionalen Jazzmusiker:innen. Peter Apel hatte jedoch auch ein Faible für Solo-Projekte. So trat er beispielsweise 2012 mit dem Solo-Programm „Apel…kriminell“ in Erscheinung, bei dem er Film-Klassiker aus dem Krimi- & Thriller-Genre jazzig reinterpretierte. 2018 führte er außerdem „Soundscapes“ auf, eine Art Free-Jazz-Solo-Projekt mit viel Live-Elektronik und atmosphärischen Klängen.
Peter Apel war recht aktiv in der Musikerinitiative Bremen (MIB), einem Zusammenschluss Bremer Jazzmusiker:innen. Dort leitete er über mehrere Jahre die Konzertreihe „Who's Uncle Mo?“ (ca. 1986-1990). Hausband dieser Konzertreihe war seine Peter Apel Combo, ein Trio mit ihm an der Gitarre, Thomas Milowski am Kontrabass und Friedemann Bartels am Schlagzeug (später auch Achim Langer am Schlagzeug). Die Musik des Trios wurde wie folgt beschrieben: „Peter Apel verbindet als virtuoser Solist auf der Gitarre Jazz mit Rock- und Avantgarde-Elementen, Pop mit Bebop und Blues mit Psychodelik. Seine intensiven, collagenhaften und stilübergreifenden Improvisationen sind […] [sein] Markenzeichen […].“ (Quelle: https://www.musikerinitiative-bremen.de/archiv/bands/peter-apel-combo/)
Zu seinen eigene Bandprojekten zählten darüber hinaus auch das Duo Todtenhaupt & Apel gemeinsam mit der E-Harfenistin Maria Todtenhaupt oder die Gruppe Klangwerk mit ihm und der bildenden Künstlerin und Experimental-Musikerin Carola Beismann sowie ein weiteres Duo namens Apel & Jankowski, bei dem er mit dem Maler Kazimierz Jankowski zusammenarbeitete. Offenbar lag ihm die Bildende Kunst bzw. Installations- und Klangkunst sehr am Herzen.
Peter Apel war künstlerisch vielseitig interessiert und aktiv. So publizierte er beispielsweise im Jahr 1987 einen eigenen, kleinen Lyrikband unter dem Titel „Das Kroß Buch“, den er später auch als szenische Text- und Klangcollage in verschiedenen Besetzungen vertonte.
Er wirkte als Sidemen bei vielen, zum Teil sehr unterschiedlichen Projekten mit, so zum Beispiel bei einer Aufnahme der Bremer Pop-Rock-Band The Perc Meets The Hidden Gentleman (LP „Lavender“, Strange Ways Records, 1991) oder als Mitglied der ebenfalls in Bremen beheimateten Surfmusik-Combo The Surfin‘ Mo-Tones (seit 1999) sowie beim Marc Wöhler Project (ab 2018) um den gleichnamigen Bremer Singer-Songwriter, für den er komponierte, textete und alle Instrumente einspielte.
Unser KKI-Kollege Andreas Herrmann ist im Sommer 2024 in den Ruhestand gegangen. Der engagierte Musikpädagoge hatte zuvor viele Jahre im Schuldienst verbracht und Schüler:innen an die Musik herangeführt. Nun hat er uns Arbeitsmaterialien aus seiner Zeit als Gymnasial-Musiklehrer übergeben, die einen Bezug zur Populären Musik haben. Es handelt sich um schulpädagogische Bücher, Notenausgaben & Fachzeitschriften.
Die Hochschule für Künste Bremen veranstaltet am Sonntag, dem 15. Dezember, zwischen 15 und 20 Uhr einen "HfK-Wintermarkt". Er wird am Standort des Fachbereichs Musik stattfinden (Dechanatstraße 13-15) und eine Menge Sehens- und Hörenswertes bieten. Wir werden wieder mit einem Stand vertreten sein und unsere Dubletten anbieten bzw. eine Musikbörse durchführen. Man kann bei uns Vinyl- und Schellackplatten erwerben, aber ebenso CDs und DVDs sowie Bücher und Zeitschriften. Alles selbstverständlich zu Schnäppchenpreisen! Wer also noch ein nettes Weihnachtsgeschenk sucht, kann hier fündig werden.
Mehr Infos zum HfK-Wintermarkt hier: https://www.hfk-bremen.de/de/veranstaltungen/wintermarkt/13159
Das jährliche Netzwerk-Treffen der deutschen Popmusik-Archive findet am 10.12. im Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Universität Freiburg statt. Wir reisen in den tiefen Süden der Republik und freuen uns auf den Austausch mit den Kolleg:innen. Das KKI ist daher am 10. und 11. Dezember geschlossen.
Mehr Infos zum Archivnetzwerk Pop und dem ZPKM hier:
https://www.archivnetzwerk-pop.de
https://www.zpkm.uni-freiburg.de
Am Samstag, dem 7. Dezember, werden wir am "Music Meet Up 2024" teilnehmen, das vom POP Office Bremen organisiert und im Bremer Zentrum für Kunst (im Tabakquartier) stattfinden wird. Wir freuen uns auf interessante Musikbeiträge sowie Gespräche mit den Teilnehmenden und unter anderem auch auf das "Round Table Nord" des Bundesverbandes Pop, an dem wir partizipieren werden.
Mehr Infos hier: https://popofficebremen.de/news/music-meet-up-2024/
Im Gebäude des Fachbereichs Musik der HfK Bremen befindet sich im Erdgeschoss-Flur, welcher zum Klaus-Kuhnke-Institut führt, ein auffälliger Stuhl. Dieser trägt die Aufschrift "Wild Style" und hat einen Graffiti-Look. Vermutlich ist den Wenigsten am Haus bekannt, worauf dieses künstlerische Objekt Bezug nimmt. Die Referenz ist "Wild Style", ein HipHop-Film, der als erster seiner Art in die Annalen der Filmgeschichte eingegangen ist.
Der Spielfilm von Charlie Ahearn (Drehbuch, Regie & Produktion) hat zugleich dokumentarischen Charakter, da er viele reale Künstler:innen der Zeit zu seinen Protagonisten macht. Gedreht wurde der Independent-Film im Jahr 1981 und 1982 in New York, vor allem im Stadtteil Bronx. Interessant ist, dass "Wild Style" überhaupt erst durch eine Initialfinanzierung des ZDF produziert werden konnte, das heißt mit öffentlich-rechtlicher Unterstützung aus Deutschland. 1983 kam der Film in die Kinos und entwickelte sich zu einem internationalen Erfolg mit enormer Tragweite.
Das Besondere an dem Film ist, dass er die frühe Entwicklung der HipHop-Kultur und ihrer einzelnen Bestandteile dokumentiert und diese so einem breiten Publikum zugänglich macht (Graffiti-Kunst, DJing, MCing bzw. Rapping, B-Boying bzw. Breakdancing, Streetstyle Fashion sowie Streetball). Mit anderen Worten: Kunst, Musik, Tanz, Mode und Sport werden hier mehr oder weniger gleichwertig abgebildet und ihre künstlerische Symbiose wird herausgearbeitet. Im Zentrum steht jedoch nicht der Sprechgesang oder der damals neuartige Beat, welcher auf Schallplatten-Samples bzw. sogenannten Breaks basierte. Stattdessen geht es vielmehr um die Grenze bzw. den Übergang von Straßenkunst und etablierter Kunst.
Zur Rahmenhandlung des Films: "Wild Style" erzählt die Geschichte von Raymond alias Zoro (Lee Quiñones), einem gefeierten aber anonymen Graffiti-Künstler aus der Bronx, der an seinem Outlaw-Dasein und der damit verbundenen Street-Credibility festhält, während sich um ihn herum immer mehr Sprayer für legale, bezahlte Wandgemälde an z.B. Spielplätzen buchen lassen und sich an der wachsenden medialen Aufmerksamkeit erfreuen. Der Film thematisiert das damals gerade entstehende Interesse der Medien und der etablierten Kunst-Szene an der HipHop-Kultur, die sich innerhalb der latein- und afroamerikanischen Communities entwickelt hatte.
2007 wurde die hier vorliegende DVD zum 25jährigen Jubiläum veröffentlicht. Noch einmal fünf Jahre später kam eine Blu-ray Disc zum 30jährigen Jubiläum auf den Markt. Mittlerweile ist der Film über 40 Jahre alt, hat aber nichts von seiner faszinierenden Wirkung eingebüßt. Die rohe Filmästhetik in Kombination mit authentischen Performances von damals aufstrebenden Künstler:innen wie Fab Five Freddy, Lee Quiñones, Lady Pink, The Rock Steady Crew, The Cold Crush Brothers, Rammellzee with Shockdell, Queen Lisa Lee of Zulu Nation, Grandmaster Flash oder ZEPHYR beeindrucken noch heute.
Aufschlussreich ist das Bonusmaterial der DVD: der Kommentar des Regisseurs, ein Mitschnitt der Party zum 20jährigen Jubiläum aus einem Amphitheater, Interviews mit beteiligten Künstler:innen sowie Ausschnitte aus dem Buch zum Film und von der CD-Compilation zum Film mit dem Original-Soundtrack. Besonders erhellend ist eine Foto-Sammlung, welche die Anfänge des HipHop in New York ab circa 1980 präsentiert. Dort sieht man beispielsweise wie Graffiti-Künstler:innen Werke von Andy Warhol nachahmen oder Bilder des Malers Jackson Pollock im Museum betrachten. Prädikat: künstlerisch vielschichtig.
Die Bremer Journalistin/Historikerin/Autorin Birgit Köhler hat unlängst einen Roman über Swing Kids in Bremen veröffentlicht. Wir haben sie zu ihrem Buch und dem historischen Kontext befragt. Das Video-Interview ist auf dem KKI-YouTube-Kanal zu sehen über folgenden Link: https://youtu.be/5nU3mTKuIvE
Im Küstenmuseum der am Jadebusen gelegenen Nordsee-Hafenstadt Wilhelmshaven ist vor Kurzem eine Ausstellung zur lokalen Musikgeschichte eröffnet wurden, bei der Populäre Musik im Mittelpunkt steht. Wir sind zufällig vor Ort gewesen und konnten uns einen Eindruck von diesem interessanten Projekt verschaffen (siehe die Fotos am Ende des Beitrages).
Zur Ausstellung ist ein 50-seitiger Katalog veröffentlicht worden, der wichtige Veranstaltungsorte und Akteure vorstellt sowie Bands aus Wilhelmshaven (und Umgebung). Natürlich werden auch berühmte nationale und internationale Musiker:innen bzw. Formationen präsentiert, die in Wilhelmshaven aufgetreten sind, so z.B. Helge Schneider, Die Toten Hosen oder Maureen "Moe" Tucker (u.a. Schlagzeugerin bei der Band Velvet Underground).
Der Ausstellungskatalog kommt norddeutsch-bescheiden daher und erwähnt beispielsweise nicht, dass auch Chuck Berry, Henry Rollins oder Marla Glen in den 1980er und 1990er Jahren in Wilhelmshaven zu Gast waren. Das erfährt man nur in der Ausstellung selbst. Der Katalog beschränkt sich auf Kontextbeschreibungen zur wirtschaftlichen Lage und Jugendkultur der Stadt. Es werden die vier wichtigsten Veranstaltungsorte (Palazzo, Kling Klang, Pumpwerk und Schaar3Eck) schlaglichtartig beleuchtet. Eine Übersichtskarte zeigt jedoch auf, dass es weitaus mehr Locations gab, in denen Populäre Musik erklungen ist. Das Spektrum der angebotenen Sounds - egal ob live oder aus der Konserve - war breit gefächert. Von Blues, Rock, Pop und Jazz bis hin zu Mainstream-Disco-Musik war nahezu alles im Angebot.
Besonders ausgeprägt war offenbar die Punk-Szene in Wilhelmshaven, welche auch im niedersächsischen Umland wirkte ("von Aurich bis Oldenburg", S. 31). Speziell in den 1980er Jahren formierten sich hier zahlreiche lokale Bands, wie z.B. Notausgang, Abgang (später umbenannt in Abgang deluxe), Die Schlaffen Affen oder Rudolfs Rache.
Über die Grenzen der Stadt und der Region hinaus hat die in Sande nahe Wilhelmshaven gegründete Metal-Band Crossroads sicherlich den größten Bekanntheitsgrad erzielt. In den frühen 1990er Jahren konnte Crossroads einen Major Label Deal ergattern und drei Alben veröffentlichen, die auch außerhalb von Deutschland Beachtung fanden.
Ausstellung & Katalog widmen sich ebenso den Diskotheken und deren DJs, von denen beispielsweise Michael Diers zu Wort kommt, ehemaliger Discjockey im Palazzo und heutiger Geschäftsführer der Wilhelmshavener Tourismus und Freizeit GmbH. Neben ihm schwelgt Oliver Reiners in Erinnerungen über das Palazzo, welches er als "eine der letzten progressiven Diskos im Nordwesten" bezeichnet, die "eine ganze Generation" geprägt habe (S. 49).
Fazit: Eine gut gemachte, kleine Ausstellung und ein ansehnlich-informativer Katalog. Zum Glück existieren heute noch einige Wilhelmshavener Veranstaltungsorte wie etwa das Pumpwerk (1976 gegründet als erstes soziokulturelles Zentrum in Niedersachsen), welche für die Stadt und Region ein vielseitiges und hochwertiges Programm mit Populärer Musik anbieten.
Mehr Informationen hier: https://www.kuestenmuseum.de
Der Bremer Werner Dose hat uns zwei große Kisten mit Noten übergeben. Es handelt sich um Editionen mit Tanz- und Marsch-Musik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Interessanterweise finden sich darunter sehr viele Violinen-Stimmen. Diese Noten sind also vor allem für Geiger:innen, die historische Populäre Musik spielen möchten, relevant.
Am Montag, dem 21. Oktober, wird es zwei Führungen durch die Musikbibliothek & das Klaus-Kuhnke-Institut für Populäre Musik der HfK geben. Die Führungen werden 10:30 Uhr und 14 Uhr angeboten. Bei beiden Führungen werden beide Einrichtungen kurz vorgestellt (auf Deutsch & Englisch). Treffpunkt für beide Führungen ist die Musikbibliothek im 1. Stock, Raum 1.35. Dort wird die Leiterin Veronika Greuel durch die Räumlichkeiten führen. Anschließend werden die Führungen im Klaus-Kuhnke-Institut für Populäre Musik im Erdgeschoss, Raum 0.29, fortgesetzt. Dort wird der KKI-Leiter Nico Thom durch die Räumlichkeiten führen. Beide Führungen dauern jeweils circa 1 Stunde (bzw. 2 x 30 Minuten). Alle HfK-Interessierten (Studierende, Lehrende und Mitarbeitende) sind herzlich eingeladen teilzunehmen.
Im Rahmen des Studium Generale der Volkshochschule in Frankfurt am Main übernimmt Nico Thom (KKI-Leiter) zwei Online-Vorträge unter der Überschrift "Wie sich die Populäre Musik in Deutschland etablierte". Am Donnerstag, dem 17. Oktober (19-21 Uhr), geht es um die 1950er und 1960er Jahre, in der darauffolgenden Woche (Do, 24. Oktober, 19-21 Uhr) stehen die 1970er und 1980er Jahre im Mittelpunkt. Mehr Informationen sowie Teilnahme-Anmeldungen sind möglich unter folgendem Link: https://vhs.frankfurt.de/de/portal#/search/detail/171339
Vom 7. bis 18. Oktober absolviert Timothy Schellstede ein zweiwöchiges Praktikum im KKI. Zurzeit macht er eine Ausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) am Zentrum für Künstlerpublikationen an der Weserburg in Bremen und befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr. Wir sind dankbar für seine Mitwirkung und gewähren ihm gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag. FaMI-Praktikant:innen beehren uns regelmäßig und sind jederzeit herzlich willkommen.
Mithilfe des europäischen Förderprogramms Erasmus+ ist es möglich, dass Eleni Lampronikou, eine Musikwissenschafts-Studentin aus der griechischen Hauptstadt Athen, vom 1. Oktober 2024 bis 31. Januar 2025 ein viermonatiges Langzeit-Praktikum im KKI absolviert. Wir freuen uns sehr über ihren Aufenthalt, ihr Interesse und ihre Mitwirkung! Eleni hat bereits berufliche Erfahrungen in griechischen Musikbibliotheken und -archiven gesammelt und wird diese bei uns einbringen können. Wir heißen sie herzlich willkommen und sehen den kommenden Monaten mit Vorfreude und Dankbarkeit entgegen.
Der internationale Musikmarkt ist ein Haifisch-Becken, in dem zwar nur wenige Haie, dafür aber sehr viele kleine Fische schwimmen. Diese führen in der Regel ein tristes Dasein - metaphorisch gesprochen. Anders gesagt: Man nimmt kaum Notiz von ihnen. Die volle Aufmerksamkeit gilt hingegen den imposanten Raubfischen aus Nordamerika und Großbritannien, also den Englisch sprechenden/singenden Musiker:innen & Bands. Das ist unfair und ungerecht, aber so ist "der Markt" nun einmal. Um der angelsächsischen Dominanz etwas entgegen zu setzen und die Populäre Musik der Niederlande "in de schijnwerpers" bzw. ins Rampenlicht zu stellen, haben sich Mitte der 2000er Jahre niederländische Institutionen zusammengeschlossen und ein gemeinsames Projekt gestartet.
Unter dem Titel "Neue holländische Welle" wurden drei Compilation-CDs herausgegeben, einmal jährlich im Zeitraum von 2004 bis 2006. Bei der hier vorgestellten CD handelt es sich um die dritte und letzte dieser Serie (deshalb 3.0), an der zwei Kulturförderungs-Einrichtungen und ein Medien-Partner mitgewirkt haben. Neben dem Nationaal Pop Instituut (das heute The Dutch Rock & Pop Institute heißt) und der Conamus Foundation (die sich seit 2006 Buma Cultuur nennt) war die CD/DVD-Produktionsfirma MediaMotion beteiligt, welche von 2004 bis 2008 zum internationalen EMI-Konzern gehörte. Hierdurch erklärt sich der marginale Umstand, das von den 20 Tracks der Compilation-CD immerhin zwei vom Plattenlabel EMI Music Netherlands stammen. Nichtsdestotrotz sind auch viele andere niederländische (z.B. Clone Records, Excelsior Recordings oder Rush Hour Recordings) und sogar einige britische und US-amerikanische Labels (z.B. Epitaph Records, Sanctuary Records oder Universal Music) vertreten. Wie man unschwer erkennt, ist der Tonträger im Grunde ein transnationales Projekt.
Interessant ist, dass die CD auf den deutschsprachigen Musikmarkt abzielt. Im Jahr 2001 hatte das Nationaal Pop Instituut in Zusammenarbeit mit der Conamus-Stiftung bzw. Buma Cultuur die Kampagne "musicXport.nl" ins Leben gerufen, um die Förderung niederländischer Musik im benachbarten Deutschland anzuregen. Ein Ergebnis der Kampagne war die CD-Compilation-Serie "Neue holländische Welle" - weil man in Deutschland öfter von Holland als von den Niederlanden spricht, obwohl Nord- und Süd-Holland nur zwei von zwölf Provinzen in den Niederlanden sind. Die "Neue holländische Welle 3.0" ist als kostenfreie Cardboard-Sleeve-CD der September-Ausgabe des deutschen Visions-Magazins beigegeben worden. Auf der Rückseite der CD findet man Hinweise auf die "Holland Shows at Popkomm Berlin (20-22 Sept) and Reeperbahn Hamburg (21-23 Sept)", also auf zwei maßgebliche Branchen-Messen/Festivals in Deutschland, wo offensichtlich niederländische Acts aufgetreten sind. Dass es die gleichen Acts waren wie auf der CD, kann vermutet werden.
Der Tonträger bietet eine beachtliche Bandbreite an Bands und Solokünstler:innen sowie eine Vielzahl musikalischer Stile. Das Spektrum reicht von Pop, Rock und Metal bis hin zu House, HipHop und RnB. Erstaunlich ist, dass nur wenig elektronische Tanzmusik vertreten ist, wo die Niederlande doch als europäisches Zentrum des Happy Hardcore gelten. Stattdessen überrascht es, dass die Mehrheit der Stücke eine echte Rock-Attitüde aufweisen und ausnahmslos alle Tracks der Compilation mit englischen Gesangstexten aufwarten. Offenbar hat man sich nicht getraut, den Deutschen niederländischen Gesang zuzumuten. Oder hier verschafft sich wieder einmal die ausgeprägte Transnationalität der Populären Musik Ausdruck, welche nicht an Sprach- bzw. "Kultur"-Grenzen halt macht.
Dennoch dürften viele der hier präsentierten Künstler:innen und Bands in hiesigen Breitengraden unbekannt (gewesen) sein. Dabei haben es einige von ihnen in den Niederlanden zu Ruhm und Ansehen gebracht, z.B. die Sängerin/Songwriterin Anouk, die Akustik-Rock-Band Racoon, die Indie-Rock-Band Johan oder die Symphonic/Gothic-Metal-Band Epica, welche vielleicht am ehesten auch außerhalb der Niederlande Popularität erzielt hat. In jedem Falle handelt es sich um handwerklich gut gemachte und professionell produzierte Musikstücke der 2000er Jahre. Dass sie den Niederlanden entsprungen sind, ist je nach Perspektive mal mehr, mal weniger relevant. Hörenswert sind sie allemal.
Nach langer Suche und mehreren Bewerbern hat am 18. September schließlich ein Sammler aus Frankfurt am Main den Zuschlag erhalten und 2.500 Vinyl-Dubletten vom KKI übernommen. Damit lichtet sich unser Lager ein wenig. Die nächste größere Dubletten-Verkaufsaktion ist bereits in Planung.
Im KKI haben wir es immer wieder zu tun mit quasi-ethnologischen Aufnahmen, das heißt z.B. Ton-Mitschnitten von sog. Volksliedern bzw. der Musik aus einer bestimmten Region. Im Gegensatz zu anderen Forschungseinrichtungen betrachten wir derartige Publikationen als Populäre Musik. Unter dieser Perspektive wird Musik, die ursprünglich aus einem klar abgrenzbaren Gebiet stammt, früher oder später - durch vielschichtige Migrations- und Globalisierungsprozesse - zu einem weltweit verfügbaren "Kulturgut". Ebenso verhält es sich mit der vorliegenden Veröffentlichung, die zwar eindeutig in der Tradition der Volkskunde/Ethnologie/Kulturanthropologie steht, dabei jedoch selbst historischen Migrations- und Globalisierungsprozessen unterliegt.
Das Volkskundler-Ehepaar Künzig widmete sich zeitlebens den Deutschstämmigen im Osten bzw. den Heimatvertriebenen. Sie gründeten und betrieben ein eigenes Forschungsinstitut in Freiburg im Breisgau, aus dem das heutige "Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa" hervorgegangen ist. Vor allem Johannes Künzig interessierte sich sehr für Volkslieder. Er und seine Frau machten zwischen 1956 und 1976 "authentische Tonaufnahmen" mit ehemaligen Bewohnern des ukrainischen Dorfes Deutsch-Mokra, welche mittlerweile in Baden-Württemberg, also in Deutschland lebten.
Ursprünglich, das heißt im Jahr 1775, sind etwa 100 Waldarbeiter mit ihren Familien (in Summe circa 250 Personen), die allesamt deutsch- bzw. bairisch-sprechende Bewohner:innen des oberösterreichischen Salzkammergutes waren, ins damals nordöstliche Ungarn abgeworben worden, um sich dort in den Waldkarpaten niederzulassen und Bäume zu schlagen, welche für die Produktion von Flößen benötigt wurden. Mit diesen Flößen wiederum sollte Salz transportiert werden. Die Auswanderer begründeten ein Dorf, das Deutsch-Mokra genannt wurde und immer noch in einem abgelegenen Waldgebiet des Karpaten-Gebirges zu finden ist - heute allerdings als Teil der Ukraine, im äußersten Westen des Landes.
Zwischenzeitlich, im Laufe der Jahrhunderte, hatte das Staatsgebiet, in dem das Dorf der Waldarbeiter liegt, mehrfach gewechselt. Zuerst wurde Deutsch-Mokra Teil der Habsburgermonarchie Österreich-Ungarn und gehörte ab 1918 eine zeitlang zur neu gegründeten Tschechoslowakei. 1938 wurde es der autonomen Karpatenukraine zugesprochen. Nur ein Jahr später annektierte Ungarn das Gebiet bevor es in den Kriegswirren kurzzeitig wiederum der Karpatenukraine bzw. der Tschechoslowakei angeschlossen wurde. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Dorf Teil der Sowjetunion. Seit der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 ist Deutsch-Mokra eine ukrainische Gemeinde - und liegt damit in dem umkämpften Gebiet, das seit mehr als zwei Jahren von Wladimir Putin angegriffen wird, mit dem Ziel, es Russland anzuschließen.
Diese wechselvolle (und aktuell sogar wieder einmal kriegerische) Geschichte des Dorfes macht deutlich, dass eine eindeutige territoriale Zuordnung zu einem Nationalstaat schwierig war, ist und bleibt. Damit verbunden sind auch Probleme der ethnischen Identität bzw. der "kulturellen" Zugehörigkeit. Sprache und Liedgut der Dorfbewohner:innen orientierten sich zwar lange Zeit am mittelbairischen Dialekt des Salzkammergutes, wurden jedoch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend verdrängt von der russischen und ukrainischen Sprache und den entsprechenden Volksliedern. Insofern dokumentierte das Volkskundler-Ehepaar Künzig - wohlgemerkt: Mitte des 20. Jahrhunderts in Deutschland! - einen aussterbenden österreichischen Sprach-Dialekt sowie dessen Niederschlag in der Volksmusik eines Dorfes von Migrant:innen im Karpaten-Gebirge, das über die Jahre vielen Nationen angehörte und diversen sprachlichen und musikalischen Einflüssen ausgesetzt gewesen ist. Im Jahr 1978 schreiben die Herausgeber dann: "Die dörfliche Gemeinschaft der letzten Generation ist aufgesplittert und nicht wieder herstellbar - das wissen alle [Beteiligten]." (S. 7) Dabei besteht das Dorf nach wie vor.
Von daher haben wir es hier mit einer Publikation zu tun, die sowohl die Persistenz als auch die Adaption einer sehr kleinen Bevölkerungsgruppe dokumentiert am Beispiel von weltlichen und geistlichen Volksliedern. Das wirkt etwas skuril und durchaus interessant, ist jedoch keineswegs ein singuläres Phänomen, sondern in unserer überkomplexen, hypermoderenen Welt vielerorts anzutreffen. Ethnologisch-affine Wissenschaftler:innen, die heutzutage den akademischen Mainstream bilden, würden diese Publikation vermutlich als Paradebeispiel einer gelungenen Ethnographie ansehen. Für uns vom KKI dokumentiert die Box vielmehr den Willen, eine Dorfgemeinschaft als abgeschlossene Gesellschaft zu präsentieren, Authentizität zu konstruieren und hierdurch ein fragwürdiges Paradigma von Volkskunde/Ethnologie/Kulturanthropologie auszubauen.
Vom 26. August bis 13. September absolviert Sophie Taphorn ein dreiwöchiges Praktikum im KKI. Zurzeit macht sie eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) in der Bremer Stadtbibliothek und befindet sich im letzten Ausbildungsjahr. Wir sind dankbar für ihre Mitwirkung und gewähren ihr gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag. FaMI-Praktikant:innen beehren uns regelmäßig und sind jederzeit herzlich willkommen.
Der in Bremen erscheinende Weser Kurier hat uns am Montag, dem 19. August, einen ganzseitigen Artikel gewidmet. In der Rubrik "Bremen in Zahlen" wird das KKI zahlenbasiert vorgestellt unter der Überschrift "Schatzkammer der Tonträger". Auch wenn wir natürlich mehr zu bieten haben als Tonträger (was aus dem Text durchaus hervorgeht), sind wir entzückt über die mediale Aufmerksamkeit. Und prompt haben sich auch einige Sammler:innen gemeldet, die uns ihre Schätze anvertrauen möchten. Eine feine Sache also!
Vom 19. bis 30. August absolviert John Andreas ein zweiwöchiges Praktikum im KKI. Wir freuen uns über seine Unterstützung und gewähren ihm gerne Einblicke in unseren vielfältigen Arbeitsalltag.
Vom 12. bis 30. August absolviert Hanna Lork ein dreiwöchiges Praktikum im KKI. Zurzeit macht sie eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) in der Stadtbibliothek in Verden und befindet sich im letzten Ausbildungsjahr. Wir sind dankbar für ihre Mitwirkung und gewähren ihr gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag. FaMI-Praktikant:innen beehren uns regelmäßig und sind jederzeit herzlich willkommen.
Unser lieber Kollege und KKI-Mitgesellschafter Richard Weize (Jahrgang 1945) kann es nicht lassen. Der mit dem Bundesverdienstkreuz und vielen Preisen dekorierte Labelbetreiber und Verleger denkt gar nicht ans Aufhören. Nachdem er seine weltbekannte Marke Bear Family Records 2016 verkauft hatte, begann er mit dem Aufbau von zwei neuen Labels: Richard Weize Archives (RWA) sowie ...And More Bears.
Bei Letzterem ist dieser Tage eine neue Publikation veröffentlicht worden, die sich mit dem Medium Schallplatte auf gewohnt heiter-informative Art auseinandersetzt. Da wird der Bogen gespannt von Kurt Tucholsky über Emil Berliner und Joachim Ringelnatz bis hin zu Friedrich Hollaender, Arthur Rebner und Günter Neumann. Und natürlich wird auch die Geschichte der Phonoindustrie schlaglichtartig beleuchtet am Beispiel der Marken Ultraphon, Telefunken oder Electrola, um nur einige zu nennen.
Im Zentrum stehen jedoch historische Texte und Lieder, die das damals noch recht junge Medium Schallplatte thematisiert haben, das heißt vor allem die Schellackplatte mit dem dazugehörigen Grammophon. So texte beispielsweise der Kabarettist Günter Neumann, mit dessen Günter-Neumann-Stiftung die Publikation realisiert wurde:
"Was wäre die Welt ohne Grammophon?
Ohne Schallplatten,
na, was wäre sie schon?
Die Welt wär ein Dreck,
denkt man sich die Schallplatten weg!" (S.27)
Auch Joachim Ringelnatz gerät regelrecht ins Schwärmen und sinniert über Metaphysisches, wenn er dichtet:
"Schallplatten, ihr runden,
Verschönt uns die Stunden.
Laut und leise,
Tief und hell,
Wie wir euch bestellt.
Dreht euch im Kreise.
Das Karussell
Der geistigen Welt." (S.9)
Der Kabarettist Arthur Rebner kommt auf den Konflikt zwischen der Jugend und der Elterngeneration von damals zu sprechen sowie auf eine spezifische Musikform, die durch das neue Medium zum kommerziellen Erfolg wurde:
"Wenn in zwanzig Millionen Familienschößen
Söhne und Töchter von allen Größen
Auf zwanzig Millionen Sprechapparaten
(Teils gegen bar und teils in Raten)
Spielen die neueste Schlagerplatte
Und es hilft nicht Betontür und Ohrenwatte
Und sie werden reif für die Gummizelle
Und erschlagen zum Schluß mit der Maurerkelle
Im Verfolgungswahn Onkel, Tante und Schwager, -
Das ist der Schlager!" (S.11)
Und so präsentiert die Publikation auf 3 CDs eine Auswahl von 45 Schlagern, die so wunderbare Titel tragen wie "Mein Schatzi hat ein Grammophon" (Tanzorchester Paul Godwin mit Refraingesang: Heinz Wernicke, Grammophon 1930), "Such' in meinem Plattenschrank" (Lys Assia - Willy Stanke und sein Orchester, Decca 1957) oder "Leg mal 'ne neue Platte auf" (Katja Holländer, Polydor 1965). Auf diese Weise wird eine musikalische Bandbreite aufgezeigt, die in den 1920er Jahren ansetzt und bis in die 1960er Jahre hineinreicht und somit den Übergang von der Schellack- zur Vinylplatte mitverhandelt.
Mehr Infos hier: https://andmorebears.com
Mit großem Bedauern haben wir vom Tod unseres geschätzten Kollegen Prof. Florian Poser erfahren. Florian begleitete seit 1994 die Professur für Popularmusik im Rahmen der Musiklehrer:innen-Ausbildung an der Hochschule für Künste sowie an der Universität Bremen. Er war vor allem als Jazz-Vibraphonist und Jazz-Komponist tätig und hatte ein Faible für brasilianische Musikeinflüsse. Durch seine überaus freundliche und zugewandte Persönlichkeit sowie seine fachliche Expertise hat er uns nachhaltig beeindruckt. Leider war er in den letzten Jahren gesundheitlich stark eingeschränkt. Er wurde nur 70 Jahre alt. Wir werden ihn vermissen und möchten seinen Hinterbliebenen unser Beileid aussprechen.
Aufgrund der großen Nachfrage sind unsere Praktikumsplätze aktuell bis Ende Februar 2025 ausgebucht. Neue Praktikumsplätze können wir daher erst wieder ab März 2025 anbieten. Bewerbungen sind natürlich jederzeit möglich.
Wehmütig verabschieden wir unseren hochgeschätzten und lieben Kollegen Andreas Herrmann Mitte Juli in den Ruhestand. Seit 2017 - also sieben Jahre lang - war er Teil unseres kleinen Teams. In Teilzeit hat er bei uns die Zeitschriften und Magazine betreut sowie unsere Technik. Als engagierter Computernerd und Musiktechnologe konnte er nahezu alles wieder zum Laufen bringen, was eigentlich schon den Geist aufgegeben hatte. Zudem ist er ein passionierter Handwerker und hat uns mit Rat und Tat unterstützt bei Reparatur- und Sanierungsarbeiten. Zuletzt hat er sich besonders um die Planung unseres neuen Regalsystems sowie um den Bau unserer Küche verdient gemacht. Aber auch sein musikbezogenes Wissen hat er stets einbringen können. Im Hauptberuf ist Andreas nämlich Musikpädagoge gewesen, zuerst viele Jahre im Bremer Schuldienst, die letzten Jahre als Lehrkraft für Schulpraktisches Instrumentalspiel (Klavier & Gitarre) an der Hochschule für Künste Bremen. Wir wünschen Andreas einen guten Einstieg in die wohlverdiente Pensionierung und freuen uns schon jetzt auf seine Stippvisiten bzw. die gemeinsamen Mittagessen sowie auf seine musikalischen Aktivitäten, für die er nun mehr Zeit haben wird.
In wenigen Tagen beginnt die Fußball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland. Von Mitte Juni bis Mitte Juli wird das Großevent Fans aus der ganzen Welt in Atem halten. (Populäre) Musik wird dabei wieder eine große Rolle spielen, sei es live bzw. als Playback bei der Eröffnungs- und Abschiedsfeier, jeweils zu Beginn der Länderspiele, wenn die verschiedenen Nationalhymnen erklingen, als Pausenmusik aus der Konserve oder in Form von Fangesängen im Stadion. Aber auch darum herum, auf den Straßen und Plätzen, wird es jede Menge Musik geben, denn die Musikindustrie bietet viele Fußball-Songs an, zu denen das Publikum feiern kann. Gesucht wird der aktuelle Fußball-Hit für das "neue Sommermärchen".
Dabei ist man gar nicht auf die neuesten Musikproduktionen angewiesen. Man kann sich auch bei älteren Gassenhauern bedienen, wenn man mag. Wir haben beispielsweise "Das Fußballmatch" aus dem Jahr 1948 im Angebot. Das unernste Stück wird in Wiener Mundart präsentiert und stammt vom Komponisten Hans Lang (1908-1992), der viel Filmmusik, unterhaltsame Stücke sowie Wienerlieder geschrieben hat. Als Textdichter fungierte der ebenfalls in Österreich beheimatete Erich Meder (1897-1966), der für zahlreiche Schlager und Wienerlieder die Worte beisteuerte. Der Text arbeitet sich an den Leiden eines Fans ab, der zuschauen muss wie seine Mannschaft verliert.
Derart heiteres Liedgut rund um den Fußball ist keine Seltenheit. Bis in die Gegenwart hinein reicht eine lange Tradition ironischer und unfreiwillig-komischer Stücke, zum Teil von Fußballgrößen selbst vorgetragen. Wer erinnert sich nicht gerne an Franz Beckenbauers "Gute Freunde kann niemand trennen" aus dem Jahr 1966 oder das für die WM 1986 in Mexiko von Peter Alexander und der deutschen Nationalmannschaft gesungene "Mexico mi amor"? Unvergessen auch der "Lokal"-Hit des Bremer Vorzeige-Brasilianers Ailton. Mit "Sensation" aus dem Jahr 2012 gelang Werders Ex-"Kugelblitz" eine ebensolche, als er den grün-weißen Anhängern in einem Mix aus Portugiesisch und Deutsch von seinen eigenen Stürmer-Qualitäten singend berichtete.
Vom 24. Juni bis 5. Juli absolviert Sebastian Walow ein zweiwöchiges Praktikum im KKI. Zurzeit macht er eine Ausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) an der Staats- und Universitätsbibliothek in Bremen und befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr. Wir sind dankbar für seine Mitwirkung und gewähren ihm gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag. FaMI-Praktikant:innen beehren uns regelmäßig und sind jederzeit herzlich willkommen.
Der Fachbereich Musik der Hochschule für Künste veranstaltet am Freitag, dem 21. Juni einen "Tag der offenen Tür" und beteiligt sich damit an der weltweiten "Fête de la Musique". Das KKI wird im Innenhof der Hochschule mit einer Musikbörse vertreten sein. Hier kan man Dubletten aller Art (LPs, CDs, Bücher und Zeitschriften) für kleines Geld erwerben. Zudem wird Nico Thom für die adäquate Beschallung des Innenhofs sorgen und sommerliche Musik auflegen. Für Speisen und Getränke wird ebenfalls gesorgt sein. Herzliche Einladung an alle!
Hier ist das komplette Programm zum "Tag der offenen Tür" der HfK:
https://www.hfk-bremen.de/de/veranstaltungen/tag-der-offenen-tuer-musik/11876
Das KKI plant im Jahr 2025 eine Ausbildungsstelle für eine/n Fachangestellte/n für Medien- und Informationsdienste (FaMI) mit dem Schwerpunkt "Information & Dokumentation" einzurichten bzw. als Ausbildungsbetrieb zu fungieren. Um dies tun zu können, hat Nico Thom (KKI-Leiter) eine mehrwöchige Fortbildung bzw. eine sogenannte "Ausbildung der Ausbilder" (AdA) beim Bremer Aus- und Fortbildungszentrum (AFZ) absolviert.
Eine weitere Schenkung erreichte uns dieser Tage aus Luzern (Schweiz). Von dort brachte uns die Sammlerin Ruth Riedo ihre Konstantin-Wecker-Sammlung persönlich vorbei. Die Kollektion beinhaltet Vinyl-Alben, Vinyl-Singles, CDs, MCs und Schallfolien des bekannten deutschen Liedermachers aus München, aber auch Tonträger anderer Künstler:innen, mit denen Konstantin Wecker (Jahrgang 1947) zusammengearbeitet hat. Außerdem finden sich hier Aufnahmen von Wecker mit Film- und Hörspielmusiken. Man bekommt einen guten Eindruck vom Schaffen des vielseitigen Künstlers, der zudem als Autor und Schauspieler tätig war. Da er noch aktiv ist, darf man auf weitere Werke von ihm gespannt sein.
Der in Berlin lebende Sammler Thomas Thalacker hat uns Dubletten seiner tollen Noten-Sammlung zugesandt. Es handelt sich schwerpunktmäßig um Lieder mit Klavierbegleitung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, vor allem aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum. Er selbst betreibt eine Website, auf der seine beeindruckende Sammlung dargstellt wird: https://www.notenmuseum.de
In der Frankfurter Rundschau sind Auszüge eines Interviews mit Nico Thom veröffentlicht worden. Es geht um den aktuellen Skandal im Zusammenhang mit dem Song "L‘amour toujours" von Gigi D'Agostino, zu dem bei mehreren Veranstaltungen rechte Parolen gesungen worden sind. Der KKI-Leiter versucht eine Einordnung bzw. Rehabilitierung des Künstlers bzw. Songs.
Der Artikel von Felicitas Breschendorf ist hier nachzulesen:
https://www.fr.de/panorama/lamour-toujours-sylt-verbote-experte-bedeutung-gigi-d-agostino-fans-eurodance-rassismus-zr-93103639.html
Als institutionelles Mitglied des Landesmusikrat Bremen e.V. unterstützen wir den gemeinsamen Aufruf zur Europawahl am 9. Juni.
#duhastdiewahl #machdeinkreuz #stimmtfuereuropa
Passend dazu haben wir in unseren Beständen Noten des "Le Chant de l'Europe" aus dem Jahr 1973 gefunden. Die Musik stammt von Jacques Mendel, der Text von Igor Mrozinski. Erschienen ist die Notenausgabe bei Éditions Musicales M. Camia in Paris.
Von Anfang Juni bis Mitte Juli absolviert Arne Sieb ein sechswöchiges Praktikum im KKI. Wir freuen uns über seine Unterstützung und gewähren ihm gerne Einblicke in unseren vielfältigen Arbeitsalltag.
Dass sich Geschichte wiederholt bzw. zyklisch verläuft, ist eine Binsenweisheit. Nach Kriegen gibt es stets Zeiten des Friedens, auf die wiederum Kriege folgen. Die aktuelle Situation in der Ukraine führt uns dieses universalhistorische Phänomen schonungslos vor Augen. Das dortige Kriegsgeschehen hat direkte Auswirkungen auf Deutschland und den Stadtstaat Bremen in Form von Kriegsflüchtlingen. Auch militärisch sind wir längst in den russischen Angriffskrieg von Wladimir Putin verwickelt, da wir den Ukrainer:innen Waffen senden und ihnen humanitäre Unterstützung bieten. Der Eindruck eines bereits begonnenen Weltkrieges drängt sich auf, in den viele Völker involviert sind bzw. zunehmend werden. Eventuell kommt es sogar zu einem Showdown in Gestalt einer großen, alles entscheidenden Schlacht.
Vor 211 Jahren fand in Leipzig die sogenannte "Völkerschlacht" statt, genauer gesagt vom 16.-19. Oktober 1813. In dieser Schlacht standen sich mehr als 20 europäische Völker bzw. Nationen gegenüber. Auf der Seite Napoleons kämpften Franzosen, Deutsche, Polen, Italiener, Niederländer, Schweizer und Kroaten. Im Heer der gegen ihn Verbündeten waren Deutsche, Österreicher, Ungarn, Tschechen, Slowaken, Slowenen, Großrussen, Weißrussen, Ukrainer, Letten, Baschkiren, Kalmücken, Kirgisen, Tataren, Schweden und Engländer vereint. Mit einer halben Million Soldaten und mehr als 100.000 Toten gilt die Leipziger Völkerschlacht von 1813 als die bis dahin größte und verlustreichste Schlacht der Menschheitsgeschichte.
Der Feldherr Napoleon wurde zurückgedrängt und seine Verbündeten-Armee erlitt große Verluste. Aber auch aufseiten der Gewinner gab es zahlreiche Tote zu beklagen. In den Folgejahren wurde regelmäßig an das blutige Zusammentreffen erinnert, zumeist am Jahrestag des Sieges bzw. der Entscheidung, in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober. Zu diesem Anlass veröffentlichte man neben Gedenkschriften auch Liederbücher mit patriotischen Gesängen. Eines dieser Liederbücher befindet sich in unseren Beständen. Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt das älteste Original, das im KKI archiviert wird. Wir beherbergen eine Vielzahl von Liederbüchern, seien es nun Arbeiter-, Bauern-, Kinder-, Volks- oder Kriegslieder. Die meisten wurden von unserem Namenspatron Klaus Kuhnke zusammengetragen, der selbst auch Liederbücher herausgegeben hat.
Bei den "Liedern zur Feier der Leipziger Schlacht" handelt es sich um ein schmales Bändchen bzw. eine kleine Sammlung von sieben patriotischen Liedern, in denen die "Teutschen" bzw. das "Vaterland" besungen werden, gleichwohl es Deutschland als Nation noch gar nicht gab, sondern Kleinstaaten, die sich zu Verbünden zusammengeschlossen hatten (z.B. Rheinbund oder Deutscher Bund). Die sieben (neuen) Lieder werden nur in Textform präsentiert, das heißt ohne Noten. Damit sie gesungen werden konnten, findet man in Klammern Vorschläge von (zu der Zeit) bekannten Liedern bzw. Melodien. Für das "Lied zur Nachtfeier der Leipziger Schlacht" wird zum Beispiel die Melodie von "Vom hoh'n Olymp herab" vorgeschlagen oder für "Der Bund fürs deutsche Vaterland" die Melodie von "God save the king". Das "Vaterlandslied der Teutschen" ist zu singen zur Melodie von "Auf, auf Kameraden" und das "Teutsche Volkslied" über "Heil unserm Bunde, Heil". Das konkrete Publikationsdatum der kleinen Schrift ist nicht angegeben. Stattdessen deutet das Lied "Siegesfeyer. Zu singen bey der nächtlichen Feyer vom 18ten auf den 19ten October 1814" darauf hin, dass es sich um eine Liedersammlung zum ersten Jahrestag der Völkerschlacht handelt.
Erstaunlich ist der Umstand, dass derartige Jahrestage und Jubiläen der Leipziger Völkerschlacht sogar im Alten Gymnasium in Bremen zelebriert worden sind, also in den Räumlichkeiten der heutigen Hochschule für Künste (Fachbereich Musik). Folgendes Bild zeigt das Programm zur 100-Jahr-Feier. Es stammt aus der Schrift "Kriegserziehung im Kaiserreich: Studien zur politischen Funktion von Schule und Schulmusik 1890-1918". Das zweibändige Buch von Heinz Lemmermann erschien 1984 im ERES-Verlag in Lilienthal bei Bremen. Die sorgfältig zusammengestellte Dokumentation zeigt deutlich, wie unsere Vorväter bereits in der Schulzeit für den Krieg erzogen wurden. Ohne diese kriegsverherrlichende Pädagogik wären die beiden Weltkriege vermutlich nicht möglich gewesen.
Wir suchen eine/n Großhändler/in für Vinyl-Schallplatten, der/die unsere Dubletten abkaufen möchte - möglichst alle auf einmal. Es handelt sich in Summe um circa 2.500 Alben mit Populärer Musik im weitesten Sinne (Jazz bis Punk). Zudem haben wir nicht wenige Klassik-Platten (ca. 500) und Klassik-CDs (ca. 500), die wir ebenfalls verkaufen möchten. Darüber hinaus haben wir Buch- und Zeitschriften-Dubletten zu vergeben. Interessent:innen melden sich bitte, um einen konkreten Besichtigungstermin zu vereinbaren. Bitte keine Perlen-Picker-Anfragen!
Von Januar bis März 2024 hat Peter Handke bereits ein dreimonatiges KKI-Praktikum absolviert. Nun kehrt er im Mai noch einmal für ein einmonatiges Praktikum zurück. Wir freuen uns über seine erneute Unterstützung und die weiterhin gute Zusammenarbeit!
Kürzlich erreichte uns ein Paket, das Tonträger und graphisches Material von Schifkof enthielt. Schifkof war eine Künstlergruppe, die sich während der Wendezeit formiert und ungefähr 10 Jahre Bestand hatte. Zu den Beteiligten gehörten Bildende Künstler:innen und Musiker:innen, genauer gesagt Udo Dettmann, Andrea Häfer, Andreas Hartrodt, Hans Hermann Hennig, Silke Hennig und Ulf Rickmann; später kam noch Reinhard Lippert hinzu. "Da wir aus Hamburg und Schwerin, also aus der DDR und der BRD kamen, entstand somit eine so genannte deutsch-deutsche Künstlergruppe; mit dem Ansatz Akustisches und Visuelles gleichberechtigt zu präsentieren. Unsere Arbeiten bezeichneten wir als optophone Installationen", heißt es im Begleitschreiben. Damit ist die Kunstgattung angedeutet: Es handelt sich um Klangkunst bzw. Installationen/Performances mit experimentellen Musik- und Soundanteilen. Man könnte auch von Hörstücken sprechen, die sich auf Bilder und Texte beziehen bzw. umgekehrt.
Beispielhaft soll hier "Bild und Ton" vorgestellt werden. Das "Schalldokument zu drei optophonen Bildinstallationen von Udo Dettmann und der Gruppe Schifkof" besteht aus einer limitierten Box (250 Stück) mit drei Vinyl-Platten sowie einem Begleitheft mit Schwarz-Weiß-Fotos und Texten. Jede der drei Platten enthält ein Stück bzw. eine Live-Performance. Die Titel lauten: 1) Ist Schulz Wagner, 2) Ich möchte dein Hund sein, 3) Heimatklänge. Die drei Stücke weisen eine durchschnittliche Länge von ca. 50 Minuten auf und sind jeweils auf zwei Plattenseiten á 25 Minuten verteilt worden. Auffällige Stilmittel sind liegende Klangflächen, eingespielte Audio-Schnipsel aus Radio- oder Fernsehbeiträgen sowie dezent instrumentierte Abschnitte, zum Teil mit gesprochenen oder gesungenen Texten. Neben dem Synthesizer und Klavier kommen auch E- und Bass-Gitarre zum Einsatz, ebenso wie ein Schlagzeug, ein Cello und eine Zither. Darüber hinaus werden Geräusche erzeugt mithilfe eines Diaprojektors, einer Kaffeemaschine und eines Druckers. Zudem werden diverse "Spielzeuge" zur Klangerzeugung genutzt. Die Stücke entwickeln sich langsam und sind sparsam aufgebaut. Eruptive Ausbrüche bleiben weitgehend aus. Die konzentrierte, dynamisch-differenzierte Grundstimmung wirkt atmosphärisch-getragen und lädt dazu ein, sich auf das intensive Hörerlebnis einzulassen.
Ist das Populäre Musik? Nicht im engeren Sinne, aber durchaus inspiriert von dieser; besonders in den Passagen, in denen Krautrock- und Free-Jazz-Anleihen hörbar werden. In diesen psychedelischen Abschnitten verschmelzen Polyrhythmen und atonale Klänge mit Umweltgeräuschen und Stimmen. Ab und an bilden sich Pattern. Zuweilen fühlt man sich an IDM-Elemente der Elektronischen Tanzmusik erinnert. Einfache Melodien, Akkordfolgen oder durchgehende Beats sucht man hingegen vergebens. In jedem Falle handelt es sich um subtile Medienkunst, die mittlerweile auch schon mehr als 30 Jahre alt ist.
Über die Vorgehensweise der Gruppe bei der Entstehung der Stücke sowie zum Setting der Performances ist im Begleitschreiben noch Folgendes zu lesen: "Unsere Arbeiten waren nicht improvisiert, sondern wiederholbar. Zwar nicht Note für Note, aber es gab genaue Handlungsanweisungen. Die Präsentationsform war zunächst konzertant, die Akteure und das Equipment waren Bestandteil eines sparsamen Bühnenbildes. [...] Es gab eine Reihe von Konzerten in Galerien und Konzerthäusern bis zum Ende der 90er Jahre."
Der Bremer Hartmut Neimke hat uns eine kleine, aber feine Sammlung mit Schellackplatten vermacht. Sie beinhaltet heitere deutsche Schlager, Märsche und Blasmusik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (z.B. Otto Reutter, das Grosse UFA Tanzorchester oder Walter Emmrichs Stabsmusikkorps). Zudem übergab er uns einige Plakate aus den 1960er Jahren, auf denen Konzerte mit traditionellem Jazz angekündigt werden. Darunter befindet sich beispielsweise eine geschmackvoll gestaltete Ankündigung des 7. Deutschen Amateur-Jazz-Festivals aus dem Jahr 1961, das in der Bremer Glocke stattgefunden hat.
Wir haben die Zusammenarbeit mit dem jungen Projektteam um Natalie Reinsch (Historikerin) gestartet. Wir sind gespannt auf die kommenden Projekt-Meilensteine und freuen uns auf die hybriden Vermittlungsformate zum Thema.
Mehr Infos dazu hier: https://www.bremer-buendnis.de/ns-unrecht-entartete-musik
Von Mitte April bis Mitte August absolviert Oliver Görlach ein viermonatiges Praktikum im KKI. Wir freuen uns über seine Unterstützung und gewähren ihm gerne Einblicke in unseren vielfältigen Arbeitsalltag.
Der Abend im Jazzclub der Bremer Hochschule für Künste (HfK) steht unter dem Titel "The HFK Jazz Bass World". Nachdem drei Formationen Live-Jazz mit Bass-Schwerpunkt präsentiert haben, betätigt sich abschließend Nico Thom, der Leiter des Klaus-Kuhnke-Instituts für Populäre Musik, als DJ. Er wird basslastige Tracks auflegen, die im Spektrum von Funk, Soul, HipHop und Drum&Bass angesiedelt sind und eindeutige Bezüge zum Jazz aufweisen. Hier verbinden sich ausgefeilte Arrangements mit gut abgehangenen Beats und spritzigen Improvisationen. Fusion Jazz mit Tanzgarantie!
Termin: Freitag, 12. April, 23:30 bis 2 Uhr
Location: Jazzclub der Hochschule für Künste / Mensa 13 (Dechanatstraße 13-15, 28195 Bremen)
Mehr Infos: https://jazzahead.de/de/festival/#cn-program
Unser lieber Freund Albert Caspari vom Bremer Verein Infobalt, welcher sich mit den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen auseinandersetzt, hat uns ein reizvolles Gedicht zukommen lassen. Es heißt "Jeder Dichter wäre lieber ein Rockstar" und stammt vom litauischen Poeten Donatas Petrošius (Jg. 1978). Es wurde vor Kurzem in der Anthologie "Lied vom Spaziergang. Gedichte aus Litauen" vom Heidelberger Verlag Das Wunderhorn veröffentlicht, und zwar in der Reihe "Poesie der Nachbarn. Dichter übersetzen Dichter". Als Übersetzer dieses Poems mit Bezug zur Populären Musik fungierte der deutsche Schriftsteller/Lyriker Thomas Kunst (Jg. 1965), der sich selbst seit Längerem intensiv mit Populärer bzw. Improvisierter Musik beschäftigt.
Dass es sich um eine künstlerische, das heißt freie und nicht wörtliche Übersetzung des litauischen Originals handelt, zeigt allein schon der Titel des Gedichts. Während es von Donatas Petrošius auf Litauisch mit "Kiekvienas poetas yra neišsipildžiusi roko grupė" überschrieben worden ist, was man als "Jeder Dichter ist eine unvollendete/unerfüllte Rockband" ins Deutsche übertragen könnte, wählte Thomas Kunst die Zuspitzung "Jeder Dichter wäre lieber ein Rockstar".
Das Gedicht handelt von Instrumenten der Populären Musik, ihren Spielern und Musikstilen. Da ist die Rede vom "brüllenden Drummer aus der Black-Metal-Szene" ebenso wie vom "Bassist[en]", der die "Fleischklumpen des Pops" in den "fuchsroten Rachen des Publikums" schmeißt oder dem Gitarristen, welcher sich "ohne Balladen zu spielen, ohne Blues, ohne Rock'n'Roll" [...] lieber "in die Garage" zurückziehen [...] und "Grunge spielen" würde. Der Dichter träumt letztlich davon, mehr zu sein als jemand, der 'nur' Worte beherrscht: "wenn ich eine Rockband wäre und nicht nur ein Sprecher". Er will Klänge erzeugen und mit ihnen starke Emotionen, die über das gesprochene und geschriebene Wort hinausgehen.
Übrigens gibt es neben detaillierten Informationen zum Verfasser auch den Original-Text des Gedichts auf Litauisch sowie eine Übertragung ins Englische durch Rimas Užgiris auf dieser Online-Plattform: https://www.versopolis.com/poet/119/donatas-petrosius
Das KKI beteiligt sich an der Ausstellung "Archivsplitter: Essen & Trinken" des Arbeitskreises Bremer Archive. Sie findet im Rahmen des "Tages der Archive" (2./3. März 2024) statt, einer Veranstaltung vom Verband deutscher Archivarinnen und Archive (VdA). Mehr Infos dazu hier: https://www.vda.archiv.net/tag-der-archive/startseite-2.html
Die Ausstellung kann vom 1. März bis 20. April im "Kapitel 8" (Informationszentrum der Evangelischen Kirche Bremen) besucht werden. Dort wird das KKI eine Tafel unter der Überschrift "Currywurst und Gin" präsentieren und auf Herbert Grönemeyer und Bessie Smith beispielhaft eingehen. Mehr Infos dazu hier: https://www.bremer-archive.de/gemeinsame-ausstellung-archivsplitter-essen-und-trinken-1-maerz-bis-20-april-2024/
Die Vernissage ist am Freitag, dem 1. März, um 17 Uhr im "Kapitel 8" (Domsheide 8). Es wird Fingerfood & Getränke geben und das KKI wird für die passende musikalische Untermalung sorgen.
Béla Fleck ist aktuell wohl der beste/vielseitigste/berühmteste Banjo-Spieler auf dem Planeten. Sein angestammter musikalischer Kontext ist der (Progressive) Bluegrass. Wie kein anderer Bluegrass-Musiker hat sich der Banjo-Großmeister aus New York City aus der Komfortzone herausgewagt. Allein der Umstand, dass er in den Kategorien Country, Pop, Jazz, Instrumental, Classical, Folk und World Music für Grammy Awards nominiert gewesen ist und immerhin auch 16 Grammys gewinnen konnte, spricht Bände.
Über Jahrzehnte hinweg ist er in diverse Projekte involviert gewesen. So spielte er beispielsweise live mit dem Shakti-Ensemble um John McLaughlin und zwei Duo-Alben mit dem Jazz-Pianisten Chick Corea ein, adaptierte barocke und klassische Werke von Bach, Beethoven, Chopin, Debussy, Paganini sowie Scarlatti für das Banjo und schrieb eigene Werke für Banjo und Orchester (festgehalten in mehreren Aufnahmen). Er bereiste den afrikanischen Kontinent auf der Suche nach den Ursprüngen des Banjos, woraus mehrere Alben hervorgingen, und er tritt seit mehr als zehn Jahren regelmäßig im Duo mit seiner Ehefrau Abigail Washburn auf, einer US-amerikanischen Banjo-Spielerin, die in der Tradition der Clawhammer-Stilistik beheimatet ist und zudem singt. In jüngster Zeit kehrte Béla Fleck gewissermaßen zu seinen musikalischen Wurzeln zurück, indem er alte und neue Stars der US-amerikanischen Bluegrass-Gemeinschaft um sich scharte. Seine neueste Veröffentlichung ist eine Bearbeitung der "Rhapsody in Blue" von George Gershwin für Banjo und Orchester.
Mit seiner experimentierfreudigen Band Béla Fleck & the Flecktones, mit der er seit nunmehr 35 Jahren zusammenspielt, hat er mehrere Grammys gewonnen, unter anderem für dieses Album namens "The Hidden Land", für das er 2007 die begehrte Trophäe in der Kategorie "Best Contemporary Jazz Album" einheimste. Es handelt sich um Fusion Jazz mit Country-Anleihen, aber auch klassische europäische Kunstmusik wird interpretiert (J.S. Bachs Fuge Nr. 20 in a-Moll, BWV 889). Die ungewöhnliche Bandbesetzung mit Béla Fleck am Banjo, Victor Wooten am E-Bass, Future Man an den (E-)Drums sowie Jeff Coffin an Saxophonen, der Klarinette, der Flöte und am Keyboard bringt einen ganz eigenen Gruppensound mit sich. Frappierend ist, mit welcher Unbefangenheit und Virtuosität die Musiker komponieren, improvisieren und interagieren. Das ist progressive Musik, die sich mühelos zwischen allen Stühlen bewegt. Nichts für Puristen!
Der emeritierte Musikwissenschaftler Prof. Dr. Fred Ritzel (Jg. 1938) aus Oldenburg hat uns seine feine Sammlung mit Noten und Liederbüchern übergeben, die er im Laufe von Jahrzehnten zusammengetragen hat. Die 12 Umzugskartons umfassende Kollektion deckt ein weites musikalisches Spektrum ab (von Jazz bis Schlager) sowie einen großen Zeitraum (Mitte 19. Jahrhundert bis Ende 20. Jahrhundert). Prof. Dr. Ritzel ist einer der Pioniere der deutschsprachigen Popularmusik-Forschung. Er lehrte lange Zeit an der Universität Oldenburg.
Mehr Infos zu seinem Leben & Werk hier: https://www.staff.uni-oldenburg.de/ritzel/
Wir danken ihm herzlich für sein Vertrauen sowie Prof. Dr. Mario Dunkel (Uni Oldenburg) für die Vermittlung.
Aufgrund von Platzmangel und der Umstrukturierung unserer Bücherbestände haben wir uns für eine Deakzession (lat., Aussonderung, Reduktion, Bereinigung, den Abbau oder Abgang von Beständen bzw. Sammlungen einer Bibliothek, eines Archivs oder eines Museums) entschieden. Wir haben uns von Dubletten getrennt sowie von Literatur, die keine direkten Bezüge zur Musikgeschichte aufweist. Die ca. 1.500 Bücher haben eine neue Heimat auf der Bookfarm im sächsischen Löbnitz gefunden.
Wir freuen uns, unseren neuen Beirat präsentieren zu können. Am Montag, dem 12. Februar, hat die konstituierende Sitzung stattgefunden. Zu den sechs Gründungsmitgliedern des KKI-Beirates gehören (in alphabetischer Reihenfolge):
Prof. Dr. Mario Dunkel (Uni Oldenburg), Ulrich Duve (ehemals HfK Bremen), Prof. a.D. Dr. Gunnar Schmidt (ehemals Hochschule Trier), Prof. Dr. Ilka Siedenburg (Uni Münster), Prof. Dr. Ralf von Appen (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) sowie Karl Gert zur Heide (Bremen).
Der Beirat hat beratende und repräsentative Aufgaben. Er unterstützt die Arbeit des KKI durch fachliche Expertise.
Am Freitag, dem 9. Februar 2024, wird Nico Thom (KKI-Leiter) an der Philharmonie Luxembourg einen Vortrag halten unter dem Titel "Bluegrass - Virtuose Volksmusik im Wandel der Zeit". Es handelt sich um einen Einführungsvortrag zum Konzert des US-amerikanischen Banjo-Spielers Béla Fleck, welches unter der Überschrift "My Bluegrass Heart" steht.
Mehr Infos: https://www.philharmonie.lu/de/programm/bela-fleck/5087
Jede/r, der/die sich eingehend mit Jazz auseinandersetzen möchte, sucht es: das eine Buch, welches die Essenz dieser Musik erfasst und auf den Punkt bringt, am besten anhand von konkreten Beispielen. Es gab viele Versuche, das ultimative Jazz-Lehrbuch zu präsentieren. Auch der US-amerikanische Jazz-Flötist/Saxophonist und Psychologie-Professor Mark Charles Gridley hat es probiert - und war dabei ziemlich erfolgreich. Die erste Auflage seiner Schrift "Jazz Styles" erschien 1978. Die bislang letzte, 11. Ausgabe wurde 2013 veröffentlicht. Parallel dazu ist eine gekürzte Fassung unter dem Titel "Concise Guide to Jazz" auf den Markt gebracht worden, die mittlerweile auch schon in der 7. Auflage vorliegt.
An dieser Stelle wird die 5. Auflage des umfangreichen Buches "Jazz Styles. History and Analysis" (422 Seiten) kurz beleuchtet. Ihr sind zwei Audio-Kassetten beigegeben, die mit vielen Hörbeispielen aufwarten. Auf der einen Kassette werden die instrumentalen Grundlagen von Jazzmusik erklärt, das heißt typische Spielweisen des Schlagzeugs, des Basses und des Pianos sowie diverser Melodieinstrumente. Aber auch basales Know-How in rhythmischer, harmonischer und melodischer Hinsicht wird vermittelt (z.B. Comping and Syncopation, Chords and Chord Progressions oder Octave-Voiced Piano Lines). Die zweite Kassette enthält Ausschnitte aus kanonisierten Jazzaufnahmen, die vom Autor eingeführt und kurz kontextualisiert werden. Die Beispiele zeigen die musikhistorische Entwicklung in chronologischer Reihenfolge, beginnend mit der Original Dixieland Jazz Band und endend mit Weather Report.
Die Hörbeispiele enden in den 1970er Jahren, weil die erste Buchausgabe 1978 erschienen ist. Die vorliegende Ausgabe aus dem Jahr 1994 schreibt zumindest im Text die Jazzgeschichte fort bis zum Kapitel "Jazz-Rock Fusion". Dort werden neben Weather Report der Bassgitarrist Jaco Pastorius und der Gitarrist Pat Metheny hervorgehoben als stilbildende Musiker. Kurze Abschnitte behandeln zudem die Sub-Stilistiken New Age und Fuzak sowie die Popularität von Jazz-Rock bzw. Fusion Jazz zu Beginn der 1990er Jahre.
Der überwiegende Teil der Publikation orientiert sich jedoch an einem klassischen Jazz-Narrativ. Die Geschichte dieser Musik wird eingeteilt in vormodernen und modernen Jazz, wobei die Anfänge des modernen Jazz in den 1940er Jahren verortet werden. Die Kapitelüberschriften zum vormodernen Jazz lauten: Origins of Jazz, Early Jazz: Combo Jazz prior to the middle 1930s, Swing: The early 1930s to the late 1940s, Duke Ellington sowie The Count Basie bands. Der moderne Jazz wird in zwei Teilen behandelt: 1) The early 1940s to the early 1960s sowie 2) The early 1960s to the early 1990s. Beide Teile decken die typischen Schlagworte bzw. Künstler ab: 1) Bop, Cool Jazz, Hard Bop, Miles Davis and his groups and sideman sowie John Coltrane; 2) 1960s and 70s Avant-Garde and "Free" Jazz, Bill Evans/Herbie Hancock/Chick Corea/Keith Jarrett sowie Jazz-Rock Fusion.
Die historische Darstellung ist eingerahmt von Ausführungen zu den Basics of Jazz (Definition, Improvisation etc.) und einem ausführlichen Appendix (Elements of music, Guide to album buying, Guide to jazz videos, Glossary, Supplementary reading, Sources for notated jazz solos, For musicians, Index). Zudem gibt es viele Fotos, Grafiken und Infoboxen. Notenabbildungen gibt es nicht, da sich die Publikation als Grundkurs bzw. Einführung versteht, die sich an Anfänger:innen richtet. Ursprünglich wurde der Text verfasst für fachfremde Studierende an Hochschulen bzw. Universitäten. Das Buch ist pädagogisch sinnvoll aufgebaut und operiert beispielsweise mit Kapitelzusammenfassungen. Aus europäischer Sicht fällt auf, dass die historische Darstellung stark verengt ist auf den US-amerikanischen Jazz. Nicht ein einziger europäischer Jazzmusiker wird erwähnt, geschweige denn eine Musikerin! Insofern wirkt die Publikation etwas aus der Zeit gefallen bzw. sehr traditionell. Nichtsdestotrotz liefert sie pointierte Informationen zu verschiedenen Aspekten des Jazz.
Heute wurden die Stahlstützen abgebaut, die in den letzten beiden Monaten in unserem Gewölbekeller standen. Sie sind vorsichtshalber angebracht worden, um ein potentielles Einstürzen zu verhindern, nachdem einige kleinere Risse in der Gewölbedecke entdeckt worden waren. Ein statisches Gutachten konnte allerdings Entwarnung bringen, sodass wir uns von nun an wieder frei bewegen können. Somit ist auch das Zugangsverbot für Besucher:innen aufgehoben. Darüber freuen wir uns ungemein!
Mit Entsetzen haben wir die Nachricht vom frühen Tod des Fotografen/Filmemachers Lukas Klose aufgenommen. Er hat in den letzen beiden Jahren immer mal wieder Fotos vom KKI gemacht und einige Fundstücke aus unserem Bestand abgelichtet. Als selbständiger Fotograf/Filmemacher war er unter anderem für die Hochschule für Künste sowie die Universität Bremen tätig. Er war ein noch recht junger, künstlerisch anspruchsvoller Kollege, der durch seine ruhige und reflektierte Art ein angenehmer Kooperationspartner gewesen ist. Er wird uns fehlen!
Unser geschätzter Kooperationspartner Friedel Muders, der das Bremer Label bzw. den Musikverlag FUEGO leitet, hat uns mal wieder mit interessantem Material aus seinem Fundus versorgt; darunter Bücher, Schallplatten, Zeitschriften, CDs, DVDs, Kalender, Plakate und Fotos. Wir freuen uns über die spannenden Medien und haben uns fest vorgenommen, insbesondere seine Plakat-Sammlung perspektivisch adäquat zu präsentieren, vielleicht in Form einer kleinen (Online-)Ausstellung.
Von Anfang Januar bis Ende März absolviert Peter Handke ein dreimonatiges Praktikum im KKI, vermittelt vom Berufsförderungswerk Friedehorst in Bremen. Wir freuen uns über seine Unterstützung und gewähren ihm gerne Einblicke in unseren vielfältigen Arbeitsalltag.
Vom 8. bis 26. Januar absolviert Alina Krusch ein dreiwöchiges Praktikum im KKI. Zurzeit macht sie eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) am Zentrum für Künstlerpublikationen der Weserburg in Bremen und befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr. Wir sind dankbar für ihre Mitwirkung und gewähren ihr gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag. FaMI-Praktikant:innen beehren uns regelmäßig und sind jederzeit herzlich willkommen.
Zehn Jahre lang, von 1971 bis 1981, erschien in den USA "Black Stars", eine Monatszeitschrift, die von der Johnson Publishing Company (mit Hauptsitz in Chicago) herausgegeben worden ist, einem der größten afro-amerikanischen Verlagshäuser in den Vereinigten Staaten. Black Stars wurde 1971 mit dem Ziel gegründet, ein Unterhaltungsmagazin zu schaffen. In der ersten Ausgabe umriss John H. Johnson die Ziele des Magazins wie folgt:
"Black Stars wird unterhaltsam, informativ, sachlich, intim und lebendig sein und sich fast ausschließlich mit dem Leben und den Karrieren großer, lebender schwarzer Entertainer befassen. Viele der Artikel in der Zeitschrift werden von den Stars selbst verfasst."
Nach Angaben der damaligen Vizepräsidentin des Verlags, June A. Rhinehart, wurde das Erscheinen 1981 eingestellt, weil die Leserschaft und die Werbeeinnahmen zurückgingen.
In der hier vorgestellten Ausgabe vom September 1974 ist die Jackson Familie auf dem Titelblatt, zu der auch ein gewisser Michael (15) sowie seine jüngere Schwester Janet (8) zählen. Die Geschichte der Familien-Band reicht zurück bis ins Jahr 1964. Damals sind sie als "The Jackson Brothers" gestartet. 1966 erfolgte die Umbenennung in "The Jackson Five". Ab 1976 nannte sich die Formation schlicht "The Jacksons". Sie besteht bis heute, allerdings ohne die Geschwister Michael und Janet, die beide zu Superstars geworden sind und sehr erfolgreiche Solo-Karrieren verfolgt haben. Auch andere Geschwister wie beispielsweise die Schwestern Maureen oder LaToya sind nicht mehr mit von der Partie. Auf Seite 38/39 ist ein großformatiges Foto mit insgesamt elf Familienmitgliedern zu sehen, darunter der Vater Joseph und die Mutter Katherine Jackson. In Summe waren es also neun Geschwister.
In der Ausgabe gibt es zwei Artikel zur Jackson-Familie. Einer berichtet über eine erste kleine (West-)Afrika-Tournee der Jackson Five unter der Überschrift "The Jackson Five Rap On Africa" (S. 36-44), der andere widmet sich der Mutter des Musik-Clans mit der Überschrift "Meet Mrs. Katherine Jackson" (S. 46-50). Während es im ersten Artikel bzw. einem Interview mit den Jackson Five um deren Afrika-Eindrücke geht und die Fragen sehr um das Schwarzsein an sich kreisen, ist der zweite Artikel eine Hommage an die Frau, Mutter und Großmutter, die seit 25 Jahren verheiratet ist, 9 Kinder und zwei Enkelkinder hat. Katherine Jackson sei "one of the nicest, warmest and most friendly people you can ever meet", heißt es beispielsweise auf Seite 46.
Bei Black Stars handelt es sich keineswegs um ein reines Musikmagazin. In dieser Ausgabe geht es neben Musiker:innen wie Jerry Butler und den Jacksons auch um den Komiker Jimmie Walker, die Tänzerin und Schauspielerin Deborah Allen, den Schauspieler Calvin Lockhart, den Film-Regisseur/Produzenten Melvin Van Peebles sowie um die Schauspielerin Juanita Brown. Kurzgesagt: afro-amerikanische Entertainer:innen werden beleuchtet und dabei durchaus heroisch dargestellt. Black Stars ist übrigens nicht zu verwechseln mit einem ähnlichen Magazin der Gegenwart namens "Blackstar*", vormals auch "Black Star Magazine" genannt, gleichwohl die Anliegen der beiden Printprodukte vergleichbar sind: Erfolgreiche Afro-Amerikaner:innen vorstellen und auf unterhaltsame Weise Identitätspolitik betreiben.
Was für ein Ritt! Die Umbauarbeiten im oberen Empfangs-/Büro-/Bücher-Raum des KKI sind im Großen und Ganzen abgeschlossen. Abgesehen von kleineren baulichen Maßnahmen, die noch ausstehen, ist das Meiste geschafft. Wir sind soweit zufrieden mit dem Ergebnis und erfreuen uns am neuen Interior, das zu Kontemplation anregt und uns animiert, im neuen Jahr auf der unteren Ebene des KKI mit der Renovierung fortzufahren.
Am Sonntag, dem 17. Dezember, wird das KKI von 15-20 Uhr auf dem Wintermarkt der Bremer Hochschule für Künste mit einer Musikbörse vertreten sein. Der eintägige Wintermarkt wird vor der Hochschule in der Dechanatstrasse 13-15 aufgebaut sein (= Standort des Fachbereichs Musik). Unsere Musikbörse bietet Dubletten von Platten, CDs, Büchern & Zeitschriften zu günstigen Preisen. Eine gute Gelegenheit, um die letzten Weihnachtsgeschenke zu organisieren!
Die Hochschule für Künste Bremen, unsere Mutterinstitution, hat eine neue Website. Nach mehreren Jahren der Interimslösung glänzt der neue Internetauftritt der HfK mit einem ansprechenden Design und angemessenem Informationsgehalt. Auch das KKI hat eine neue Unterseite bekommen, die man hier bestaunen kann: https://www.hfk-bremen.de/de/ueber-die-hochschule/zentrale-orte/klaus-kuhnke-institut
Gerlind Schütte hat uns am 12. Dezember zehn Ordner mit Dokumenten des Bremer Chores "Singsation" übergeben. Der Chor existiert seit 35 Jahren und steht in der Tradition des Barbershop-Gesangs. Aktuelle Infos zum Chor gibt es hier: https://singsation.de
Die Bremer Website stadtlauscher.de hat in ihrer Rubrik "Magazin" ausführlich über uns berichtet. Die dreiteilige Reportage wurde von Jürgen Francke verfasst. Wir danken Conrad Schwenke, dem Gründer der Stadtlauscher-Website, für sein Kooperationsinteresse und die freundliche Berichterstattung.
Hier geht es zur Reportage: https://stadtlauscher.de/magazin/klaus-kuhnke-institut_1
Vom 27. November bis 15. Dezember absolviert Marlies Heißenbüttel ein dreiwöchiges Praktikum im KKI. Zurzeit macht sie eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) am Bremer Landesfilmarchiv und befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr. Wir sind dankbar für ihre Mitwirkung und gewähren ihr gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag. FaMI-Praktikant:innen beehren uns regelmäßig und sind jederzeit herzlich willkommen.
2008 gewann der Musikjournalist Michael Kleff gemeinsam mit dem Label Bear Family Records den renommierten Preis der deutschen Schallplattenkritik für diese Publikation. In einem Pappschuber, auf dem die Burg Waldeck abgebildet ist, befindet sich ein 240 Seiten umfassender Sammelband mit zahlreichen Textbeiträgen und Abbildungen sowie ein Klappkarton mit 10 CDs, auf denen insgesamt circa 300 Live-Aufnahmen von Liedern/Songs/Chansons und Wortbeiträgen enthalten sind.
Mit dieser Materialfülle sind die wenigen Jahre dokumentiert, die das Festival Bestand hatte. Sechs Jahre lang trafen sich Liedermacher/Singer-Songwriter/Chansoniers und ein junges, politisch-motiviertes Publikum auf einer Burgruine nahe des Dorfes Dorweiler im Hunsrück-Gebirge in Rheinland-Pfalz. Gesungen wurde vor allem in deutscher Sprache, teilweise jedoch auch auf Englisch, Fränzösisch, Italienisch und Jiddisch. "Die Festivals auf Burg Waldeck waren die ersten deutschen Open-Air-Festivals; sie waren eine Auseinandersetzung mit dem soziokulturellen Mief der Adenauer-Restauration. Sie setzten den Schlagersängern und Heile-Welt-Propheten andere deutsche Texte entgegen", schreibt der Herausgeber (S. 10). Und weiter: "Die Waldeck-Festivals rissen die alten deutschen demokratischen Liedtraditionen aus ihrem Schattendasein. Und die Interpretinnen und Interpreten eines neuen deutschen Lieds ernteten einen in der deutschen Musikgeschichte beispiellosen Widerhall." (ebenda)
Tatsächlich werden in diesem Zeitdokument die gesellschaftlichen Umwälzungen in der Bundesrepublik sicht- und hörbar, welche heute unter dem Schlagwort "68er-Generation" zusammengefasst werden. Das Zeitcolorit vermittelt sich auf plastische Weise und es lassen sich eine Menge Zwischentöne heraushören. Neben den zahlreichen Musikbeispielen sind auch die mitgeschnittenen Diskussionen sehr interessant, weil diese die Lebendigkeit der Festival-Gemeinschaft und die vielfältigen politischen und künstlerischen Ansichten der Beteiligten aufzeigen. Ergänzend sind O-Töne aus Interviews beigegeben, die vom Herausgeber mit Protoganisten des Festivals geführt worden sind, z.B. mit Diethart Kerbs, Franz Josef Degenhardt oder Fasia Jansen.
Jedes der sechs Festivaljahre ist detailreich festgehalten. Fotos, Zeitungsartikel, Plakate und Flugblätter visualisieren die Texte von ausgewählten FestivalmacherInnen, KünstlerInnen und FestivalbesucherInnen. Fast die Hälfte des Buches besteht aus einer "alphabetischen Künstlerliste", welche die Kurzbiographien der aufgetretenen MusikerInnen, KabarettistInnen und PoetInnen bereithält. Die Veröffentlichung (Buch und CDs) ist ein Muss für Freunde des gepflegten (Volks-)Liedgutes deutscher Sprache. Das, was heute als idealtypische deutschsprachige Folk- und Liedermacher-Musik angesehen wird, ist hier zusammengefasst. Das Spektrum reicht vom hochpolitischen Protestsong bis zum poetisch-sprachverspielten Liebeslied. Das am häufigsten verwendete Begleitinstrument ist die Akustikgitarre.
Ein aktueller Vortrag von Nico Thom (KKI-Leiter) ist auf dem YouTube-Kanal des KKI zu sehen/hören. Es handelt sich um den Mittschnitt eines Online-Vortrags vom 4. Oktober 2023, welcher in der Reihe "Pop im DMA" vom Deutschen Musikarchiv in Leipzig veranstaltet worden ist. Der Titel lautete: "Hassliebe - Zum schwierigen Verhältnis von Jazz und Popmusik". Teile des Vortrags mussten aus urheberrechtlichen Gründen herausgeschnitten werden.
Hier der Link zum Video: https://youtu.be/J2IDh_rdO-U
Die Sperrung des KKI ist aufgehoben, da der beschädigte Kellergang mit Stahlstützen abgesichert werden konnte. Allerdings dürfen sich aktuell nur Mitarbeiter des KKI in den Räumlichkeiten aufhalten. Für den Publikumsverkehr ist das KKI vorerst nicht zugänglich - voraussichtlich bis Jahresende. Rechercheanfragen können jedoch jederzeit an uns gerichtet werden.
Aufgrund statischer Probleme ist das KKI bis auf Weiteres gesperrt. Ein Betreten der Räumlichkeiten ist aktuell nicht möglich. Wir warten auf eine statische Überprüfung. Sobald es Neuigkeiten dazu gibt, werden wir an dieser Stelle Bescheid geben.
Vom 6. bis 24. November absolviert Lisa Grube ein dreiwöchiges Praktikum im KKI. Zurzeit macht sie eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) an der Stadtbibliothek in Achim und befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr. Wir sind dankbar für ihre Mitwirkung und gewähren ihr gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag. FaMI-Praktikant:innen beehren uns regelmäßig und sind jederzeit herzlich willkommen.
Das britische Synthie-Pop-Duo Eurythmics war in den 1980er Jahren sehr aktiv, produzierte in dieser Zeit sieben Studio-Alben, hatte einige internationale Charthits (z.B. "Sweet dreams" oder "Love is a stranger") und absolvierte große Tourneen. Die Sängerin Annie Lennox und der Musikproduzent David A. Stewart hatten bereits zuvor (von 1975 bis 1980) in zwei Bands (The Catch und The Tourists) zusammengearbeitet. 1990 trennten sich die beiden und verfolgten jeweils erfolgreiche Solokarrieren.
1987 kam ihr sechstes Studio-Album auf den Markt unter dem Titel "Savage" (dt.: wild, brutal, barbarisch). Es enthält 12 Songs und kann als Konzeptalbum bezeichnet werden. Thematisch kreisen die Texte um Beziehungsprobleme, Ausbruchsversuche aus Partnerschaften, neue Liebschaften und Sexualität sowie um die Kunst als ordnende Kraft in diesem Gefühlschaos. Dabei dominiert eine weibliche Perspektive. Den Hintergrund für "Savage" bildeten persönlichen Spannungen zwischen Lennox und Stewart, die einstmals ein Paar gewesen sind und zur Zeit der Entstehung des Albums unabhängig voneinander Familien gründeten.
Der Sound des Duos änderte sich bei "Savage" radikal und basierte nun hauptsächlich auf programmierten Samples und Drum Loops. Musikalisch setzten die beiden wieder mehr auf klassische Synthie-Pop-Elemente, die in den beiden Vorgänger-Alben zugunsten von Rockeinflüssen zurückgedrängt worden waren. David A. Stewart produzierte die Musik weitgehend im Alleingang, Annie Lennox zeichnete für die Texte und den Gesang verantwortlich. Von der Musikfachpresse wurde das Album durchweg positiv aufgenommen. Es wurde der Platte bescheinigt, ein reifes Songwriting aufzuweisen, das eine gute Balance halte zwischen Abstraktion und Sinnlichkeit sowie Kunst und Kommerz.
Für "Savage" wurde extra ein Video-Album produziert, das einige Monate später als VHS-Kassette erschien. Das heißt, dass zu jedem Song des Albums ein Musikvideo gedreht wurde. Einige dieser Videos wurden als Singleauskopplungen im Musikfernsehen (MTV & Co) gezeigt. Die Videos stammen allesamt von Sophie Muller, einer britischen Musikvideo-Regisseurin, die im Laufe ihrer Karriere über 300 Musikvideos produziert und mit zahlreichen (vor allem weiblichen) Stars im Popmusik-Business zusammengearbeitet hat (z.B. Sade, Björk und Sinéad O’Connor oder Bands wie No Doubt, The Cure oder Radiohead). Die Videos zu "Savage" waren ihre ersten eigenständigen Arbeiten, die sie als Mitzwanzigerin erstellt hat und die ihr zum Durchbruch verhalfen. In den Videos steht Annie Lennox im Mittelpunkt. Die Sängerin wird präsentiert als Hausfrau, die sich zum Vamp verwandelt. Dabei trägt sie in den meisten Videos ein einheitliches Outfit: ein hautenges weißes Glitzerkleid, eine große blonde Perücke, einen knallroter Lippenstift und stark geschminkte Augen. Die Videoästhetik ist aufbegehrend-glamourös, einige Clips sind schwarz-weiß bzw. minimalistisch gehalten.
Nun ist es endlich da! Das neue Regalsystem von Mocoba wurde am 24. Oktober geliefert und aufgebaut. Zwar ist der Empfangs-/Büro-/Bücher-Raum damit noch nicht komplett eingerichtet, aber bis Jahresende soll alles fertig sein. Wir erfreuen uns jedenfalls schon einmal am vielversprechenden Ambiente.
Am Freitag, dem 20. Oktober 2023, traf sich das Archivnetzwerk Pop, an dem das KKI beteiligt ist, im Musikarchiv NRW in Köln. Dabei gab es selbstverständlich auch Gelegenheit, die tolle Sammlung des Musikarchiv NRW zu bestaunen, die von dessen Gründer/Leiter Matthias Schumacher zusammengetragen worden ist. Mehr Infos hier:
https://musikarchiv-nrw.de
https://www.archivnetzwerk-pop.de
Bei diesem Liederbuch handelt es sich ganz klar um politische Literatur bzw. Musik. Es ist um Umfeld der Anti-Atomkraft-Bewegung entstanden, die sich in den 1970er Jahren als soziale Bewegung formiert hat und im internationalen Vergleich in Deutschland besonders stark ausgeprägt war. Die Bewegung bestimmte den öffentlichen Diskurs in der Bundesrepublik über Jahrzehnte hinweg nachhaltig und hat dank ihrer Beharrlichkeit dazu geführt, dass am 15. April 2023 die drei letzten Atomkraftwerke Deutschlands (Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2), die noch in Betrieb gewesen sind, abgeschaltet wurden. Insofern ist der musikalisch-politische Bezug zur Gegenwart gut zu erkennen.
Das handliche Büchlein wurde für den Einsatz auf Demonstrationen konzipiert. Dazu schreiben die Herausgeber:innen von der Bremer Bürgerinitiative gegen Atomenergieanlagen (BBA) im Vorwort: "Dieses Liederbuch ist aus unserer Not entstanden, immer mit 4 oder 5 verschiedenen Heftchen herumlaufen zu müssen, wenn wir etwas singen wollen. Es ist also vorwiegend ein 'Gesangbuch', deshalb haben wir darauf verzichtet, erklärende Texte zum Entstehen der Lieder und zu den Kämpfen an den jeweiligen Standorten zu geben. Im Register wird deshalb auf Texthefte, Liederbücher und Schallplatten verwiesen, in denen mehr Inhaltliches steht. [...] Schickt uns neue Lieder und schreibt, welche rausbleiben könnten, weil man sie sowieso nicht singt. Wir konnten leider nicht alle Lieder, die wir gesammelt haben, aufnehmen, da man das Buch ja bequem zur nächsten Demo mitnehmen soll."
Offenkundig ist der Do-It-Yourself-Ansatz der Publikation, die mit einer Schreibmaschine erstellt und durch zahlreiche handgeschriebene Überschriften, Notensätze, Zusatztexte und Zeichnungen ergänzt wurde. Auf 230 engbedruckten Seiten sind circa 100 Lieder mit deutschen Texten versammelt. Diese wurden in erster Linie nach Standorten von Atomkraftanlagen geordnet, das heißt es gibt beispielsweise Lieder zu Brokdorf, Gorleben oder Rehling bei Augsburg. Aber auch die Schweiz als Atomkraftnation wird besungen, ebenso wie die französische Gemeinde Malville. Hier deutet sich die Internationalität der Bewegung an. Darüber hinaus findet man Lieder, die allgemeinen Charakter haben, zum Beispiel den "Anti Paranoia Blues", "Das Lied vom Schutzmann" oder "Das 'Es-kann-gar-nichts-passieren'-Lied".
In der vorliegenden zweiten Auflage wurde Einiges neu gemacht, wodurch die Vitalität der Anti-AKW-Bewegung Ende der 70er Jahre sichtbar wird: "Viele Lieder, die im vergangenen Jahr entstanden sind, wurden neu aufgenommen. Wenige alte Lieder haben wir dafür rausgelassen. Zu sämtlichen Liedern sind jetzt die Noten abgedruckt. Wir haben uns bemüht, die Melodien in singbaren Tonhöhen zu halten. [...] Zu allen Melodien sind Harmonien angegeben, in einer einheitlichen Schreibweise." Am Ende des Buches gibt es zudem Hinweise, wie man Lieder selber schreiben kann. Es lässt sich festhalten, dass es sich um ein Zeitdokument handelt, das neben den politischen Impetus die Idee einer musikalischen Graswurzelbewegung stellt, bei der jede/r mitmachen kann und soll.
Am Mittwoch, dem 4. Oktober 2023, um 19 Uhr wird Nico Thom (Leiter des KKI) einen (Online-)Vortrag unter dem Titel "Hassliebe - Zum schwierigen Verhältnis von Jazz und Popmusik" am Deutschen Musikarchiv halten. Das Deutsche Musikarchiv ist Teil der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig. Der Vortrag wird im Internet frei zugänglich sein. (Ursprünglich sollte der Vortrag eine Woche früher stattfinden [am 27. September], er musste jedoch krankheitsbedingt verschoben werden.) Mehr Infos hier:
https://www.dnb.de/DE/Kulturell/Veranstaltungskalender/DMAPopmusik/230927JazzPopmusik.html
Manchmal spielt einem der Zufall in die Hände. Im Foyer unserer Hochschule für Künste haben wir dieses feine Notenalbum gefunden. Jemand hat es dort zum Mitnehmen abgelegt bzw. verschenkt. Nun ist es in unseren Bestand übergegangen, also sozusagen im Haus geblieben.
Dieses Koschat-Album ist der erste Teil einer mehrbändigen Ausgabe und wurde von Thomas Koschat (1845-1914) komponiert bzw. zusammengestellt. Der "Kärntner Liederfürst" schuf im Laufe seines Lebens ein umfangreiches Werk, welches die Kärntner Volkslied-Tradition aufgriff und weiterentwickelte. Kärntnerlieder beziehen sich auf die südlichste Region Österreichs bzw. auf das Bundesland Kärnten (Landeshauptstadt: Klagenfurt am Wörthersee).
Ausgehend von Viktring bei Klagenfurt am Wörthersee zog es Koschat an die Wiener Hofoper, wo er späterhin viele Jahre Leiter des Chores gewesen ist. Mit seinen Lied-Bearbeitungen und -Neukompositionen erlangte er große Popularität und tourte sogar durch Europa und Amerika. In seiner Heimat Österreich wurde ihm Ruhm und Ehre zuteil. Auch darüber hinaus, im gesamten deutschsprachigen Raum, fand sein Œuvre viel Anerkennung. Sein bekanntestes Stück ist sicherlich das "Jägerständchen", heutzutage besser bekannt als der "Schneewalzer".
In der hier vorliegenden, sehr hübsch gestalteten Notenausgabe, die ca. 1895 in einem Leipziger Verlag veröffentlicht worden ist, sind 20 seiner Lieder bzw. Bearbeitungen von Volksliedern versammelt. Deren Texte greifen den Kärntner Dialekt auf. Dazu heißt es in den Vorbemerkungen von Koschat: "In Folge mehrfacher, namentlich aus Norddeutschland eingelaufener Anfragen in Betreff der Aussprache und Betonung gewisser durch besondere Zeichen markirter mundartlicher Laute, sehe ich mich veranlasst dieser Ausgabe meiner volksthümlichen Compositionen einige Andeutungen voraus zu schicken." (sic!)
Die kurzen, meist nur 2 bis 3 Seiten umfassenden Lieder tragen Titel wie "Karntner G'müath", "Büaberl, merk dir's fein" oder "Ew'ge Liab". Nur das letzte Stück namens "Am Wörther See" ist umfangreicher und beinhaltet 5 Kärntner Walzer.
Wie produktiv und populär Thomas Koschat gewesen ist, lässt sich den Werbeanzeigen des Verlags entnehmen, die in dem Album enthalten sind. Dort werden auf mehreren Seiten ganz unterschiedliche Notenausgaben des Komponisten angepriesen, mit Arrangements (zum Teil durch Dritte) für verschiedene Instrumente und Besetzungen. Die höchste Opuszahl liegt bei 100, zwanzig Jahre vor dem Tod des Komponisten. Offenbar gab es eine große Nachfrage nach seinen Werken, die durchweg eingängig und tänzerisch gehalten sind. Bei den meisten Stücken handelt es sich um kurze Walzer.
Das KKI ist im Begriff, einen Beirat zu formieren. Bislang war Ulrich Duve, der ehemalige Leiter des Klaus-Kuhnke-Archivs, einziges Beiratsmitglied. Nun konnten wir weitere namhafte Persönlichkeiten für die Mitarbeit im Beirat gewinnen:
Prof. Dr. Ralf von Appen (Professor für Theorie und Geschichte der Popularmusik an der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien),
Prof. Dr. Mario Dunkel (Professor für Musikpädagogik bzw. Transkulturelle Musikvermittlung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg),
Prof. a.D. Dr. Gunnar Schmidt (pensionierter Professor für Theorie und Praxis des Intermedialen an der Hochschule Trier im Fachbereich Gestaltung).
Die Beiratsmitglieder unterstützen das KKI mit ihrer fachlichen Expertise und helfen bei der Vernetzung mit den wissenschaftlichen sowie künstlerischen Gemeinschaften bzw. bei der Öffentlichkeitsarbeit.
Wir haben mit Renovierungs- und Umbauarbeiten begonnen. Insbesondere der obere Empfangs- bzw. Büroraum des KKI wird komplett umgestaltet. Vor dem Einbau eines großen Regalsystems bekommt der Raum neue Deckenplatten, einen neuen Teppichboden, neue Wandfarbe sowie neue Kabelschächte und Beleuchtung. Selbst Heizungs- und Installationsarbeiten werden vorgenommen. Kurzum: Der Betrieb ist vorübergehend etwas eingeschränkt; voraussichtlich bis Mitte November. Wir bitten um Verständnis.
Vom Berliner Filmverleih & Verlag Salzgeber, der sich auf queere Themen spezialisiert hat, wurde 2007 diese DVD veröffentlicht, welche drei kurze Dokumentarfilme von Greta Schiller und Andrea Weiss enthält. Die beiden US-Amerikanerinnen sind Mitte der 1950er Jahre geboren und machen seit den frühen 1980er Jahren gemeinsam Dokumentarfilme. Das lesbische Paar betreibt seit 1984 die Jezebel Productions, eine kleine und unabhängige Filmproduktionsgesellschaft mit Sitz in New York.
Kennen Sie die International Sweethearts of Rhythm, eine 16-köpfige Big Band? Schwarze und weiße Frauen spielten in dieser Formation gleichberechtigt miteinander. Hervorgegangen war die Gruppe aus einer Schülerinnenband aus dem Mississippi-Delta, die 1939 von einem Schulleiter gegründet worden ist. 1941 wurde die glamouröse Anna Mae Winburn neue Leiterin und zugleich Sängerin der Big Band. Auch andere professionelle Musikerinnen wie Vi Burnside und Ernestine "Tiny" Davis stießen 1941 hinzu. Fortan entwickelte sich die Big Band zu "Americas greatest all girl band" (ein Slogan, der auf dem Tourbus prangte). Während des 2. Weltkrieges gelang der Durchbruch. Nichtsdestotrotz hatten es die Sweethearts schwer, sich im Musikgeschäft durchzusetzen, weil sie eine "gemischtrassige" Band gewesen sind. Sie spielten in erster Linie für ein schwarzes Publikum und tourten gemeinsam im Bus durch die USA. "Wir aßen zusammen, schliefen und lebten zusammen. Unser einziges Ziel war, Musik unter die Leute zu bringen. [...] Wir waren Profis, wie die Männer. [...] Louis Armstrong war einer unserer liebsten Freunde. Er mochte uns persönlich. Wie auch Count Basie oder Billie Holiday. [...] Armstrong versuchte sogar Tiny Davis abzuwerben. Er bot ihr das Zehnfache." Tiny: "Ich ging nicht, weil ich die Mädchen zu sehr mochte. Ich liebte sie." "Wir hingen aneinander. [...] Wir arbeiteten auch mit Ella Fitzgerald. Sie wurde eine sehr gute Freundin", berichtet Anna Mae Winburn. Die Band trat sogar in Europa auf und spielte dort für amerikanische Soldaten. Allein in Deutschland verbrachten die Frauen sechs Monate und konzertierten dort bspw. im Nürnberger Opernhaus. Nach dem Krieg litt die Band unter den zurückkehrenden männlichen Musikerkollegen, die nun die Jobs bekamen. Außerdem gründeten viele Bandkolleginnen Familien und konnten nicht adäquat ersetzt werden. Ende der 1940er Jahre zerfiel die Big Band allmählich, nicht zuletzt weil diese Art von Swing durch neuere musikalischen Entwicklungen (Stichwort: Bebop) an Popularität verlor. Der halbstündige Dokumentarfilm mit dem schlichten Titel "International Sweethearts of Rhythm" kam 1986 heraus und zeigt Interviews mit den Protagonistinnen sowie eine Menge Archivmaterial, das die Beliebtheit der Big Band in den 1940er Jahren belegt, ebenso wie die erstklassige Qualität ihrer Musik.
Der Film "Tiny & Ruby - Hell Divin' Women" aus dem Jahr 1988 widmet sich den beiden Afro-Amerikanerinnen Ernestine "Tiny" Davis & Ruby Lucas, die seit über 40 Jahren ein lesbisches Paar sind. Kennen und lieben gelernt haben sie sich in der Band Tiny Davis and her Hell Divers. Die virtuose Trompeterin und Sängerin Ernestine "Tiny" Davis – man nannte sie anerkennend den "weiblichen Satchmo" – leitete die professionelle Frauenband von 1947 bis Anfang der 1960er Jahre, nachdem sie bei den International Sweethearts of Rhythm ausgestiegen war. Die Combo spielte eine unterhaltsame Mischung aus Blues, Swing sowie Rhythm & Blues. Ruby Lucas fungierte erst als Fahrerin, später als Bassistin, Schlagzeugerin und Pianistin der Band. Nach der Scheidung von Tiny Davis (im Jahr 1946), die drei Kinder hatte, wurden Ruby und die Bandleaderin ein Paar. Mitte der 1950er Jahre bis Anfang der 1960er Jahre betrieben Tiny und Ruby dann gemeinsam einen Schwulen-/Lesbenclub in Chicago namens Gay Spot. Hausband waren die Hell Divers. Der 27minütige Film präsentiert die beiden Frauen und ihre gemeinsame musikalische Lebensgeschichte in Form von Interviews und Archivaufnahmen. Dabei vermitteln sich zudem die ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten der Ladies: hier die lebenslustige Vollblutmusikerin im Rampenlicht (Tiny), da die zurückhaltende Organisatorin im Hintergrund (Ruby).
Im 45minütigen Film "Maxine Sullivan – Love to be in love" geht es um die Pop-/Jazz-Sängerin aus Pittsburgh, die in New York erfolgreich wurde. Ihre Lebensdaten: 1911-1987. "Sie hatte einen direkten Gesangsstil, einfach, aber mit ungeheurem Rhythmusgefühl. Einfach perfekt." (Scott Hamilton, Bandleader & Saxophonist) Zwar war ihr keine formale musikalische Ausbildung zuteil geworden, aber Maxine Sullivan stammte aus einer Familie von Musiker:innen. Alle zehn Familienmitglieder spielten irgendein Instrument oder sangen. Die Art von Musik, mit der sie Berühmtheit erlangte, wurde als "Sweet Swing" bezeichnet. Sie sang unter anderem Swing-Versionen von klassischen Werken und hatte einen Riesenhit namens "Loch Lomond". Sie trat mit Benny Goodman und Louis Armstrong auf und arbeitete sowohl am Broadway wie auch beim Film. Sullivan tourte durch Großbritannien, wo sie ebenfalls Hits landen konnte. "Ich löste mich langsam vom Folk und kehrte zurück zu meiner Leidenschaft, dem Jazz." (Maxine Sullivan) 1957 zog sie sich für 12 Jahre aus dem Showgeschäft zurück, um sich ihrer Familie zu widmen – und nahm ihre Gesangskarriere im Alter von 58 Jahren wieder auf. Seit den 1950ern spielte sie auch Posaune und Flügelhorn. In hohem Alter absolvierte sie zwei Japan-Tourneen. Ab 1983 nahm sie alle drei Monate ein neues Album auf und formte eine feste Band um sich, mit der sie um die Welt tourte. Sie war eine Dixieland- und Swing-Veteranin und erreichte ein großes Publikum von Oldtime-Jazz-Liebhaber:innen. Der Film von Greta Schiller und Andrea Weiss erblickte 1991 das Licht der Welt und dokumentiert die faszinierende Lebens-/Musikgeschichte der afro-amerikanischen Sängerin auf der Basis von zahlreichem Archivmaterial und selbstgeführten Interviews mit Wegbegleiter:innen.
Seit Jahrzehnten sind wir mit Friedel Muders eng verbunden, dem hochgeschätzten Designer, Labelbetreiber & Verleger aus Bremen. Immer wieder überlässt er uns Tonträger, Videos, Bücher, Zeitschriften und grafisches Material aus seiner Sammlung. Auf seinem Label bzw. in seinem Musikverlag FUEGO erscheinen nach wie vor spannende Indie-Acts und auch wir profitieren von dem hochwertigen Output. Kürzlich übergab er uns erneut eine Ladung seiner Musikschätze, für die wir sehr dankbar sind.
In den ersten beiden Juli-Wochen absolviert Leonie Hiestermann ein Praktikum im KKI. Zurzeit macht sie eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) an der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen und befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr. Wir sind dankbar für ihre Mitwirkung und gewähren ihr gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag. FaMI-Praktikant:innen beehren uns regelmäßig und sind jederzeit herzlich willkommen.
2007 organisierte die Stürken | Albrecht Druckgesellschaft aus Bremen erstmals den Design-Wettbewerb 'Battle of Print'. "Das Ziel des 'Battle of Print' war von Anfang an, eine optimale Vernetzung zwischen Druckerei und Kreativschaffenden sowie der Wirtschaft in und um Bremen herzustellen", heißt es in einem Statement der Firma. Seither wird jährlich ein Motto für einen Kalender ausgerufen, für das bzw. den Gestalter:innen aus dem Nordwesten der Bundesrepublik Entwürfe einreichen können. Die besten Einreichungen werden gekürt und über eine crossmediale Kampagne verbreitet, bei der
Printmedien, Social Media, klassische Online-Kommunikation sowie eine Ausstellung inklusive Vernissage kombiniert sind.
Mittlerweile wird der Design-Wettbewerb in Kooperation mit weiteren regionalen Organisationen veranstaltet, darunter ist beispielsweise der Kommunikationsverband Wirtschaftsraum Bremen e.V. sowie die Wilhelm Wagenfeld Stiftung. Im Jahr 2018 beteiligten sich zudem die Weserburg bzw. das Zentrum für Künstlerpublikationen und das Klaus-Kuhnke-Institut für Populäre Musik (KKI) an der Ausschreibung unter dem Motto 'Hands on Vinyl'. In der sechsköpfigen Jury waren - unter Anderen - Peter Schulze, der Gründer des KKI, sowie Klaus Voormann, der Musiker und Grafiker aus dem Umfeld der Beatles.
Das Motto 'Hands on Vinyl' zielte darauf ab, Re-Designs von LP-Covers anzuregen. Anders ausgedrückt bestand die Aufgabe darin, bestehende Vinyl-Alben neu zu designen. Die Entwürfe sollten die Vorder- und Rückseiten der Schallplatten-Hüllen sowie die jeweiligen Plattenetiketten (in der Mitte) umfassen und in den Originalgrößen eingereicht werden. Aus den Einsendungen wurden die drei besten ausgezeichnet. Neun weitere Entwürfe wurden in den Kalender aufgenommen, der eindrücklich Platten-Cover-Kunst zelebriert.
Den ersten Platz belegte Fabian Giering aus Bremerhaven (Studium: Digitale Medienproduktion / Hochschule Bremerhaven) mit einem Re-Design des Albums 'The Beautiful Game' (2016) der US-amerikanischen Funk-Band Vulfpeck (siehe die rechte Seite des Fotos; die linke Seite des Fotos zeigt den Kalenderrücken). Platz zwei belegte Asja Beckmann aus Bremen (Studium: Illustration und Typografie / Hochschule für Künste Bremen) mit ihrer Neu-Interpretation von 'Non-Stop Erotic Cabaret', einem Album des britischen Synthiepop-Duos Soft Cell aus dem Jahr 1981. Den dritten Platz ergatterte Ivana Kleßen aus Bremen (Studium: Kommunikationsdesign / Kunstschule Wandsbek), die das Album 'Dynasty' (1979) der US-amerikanischen Hard-Rock-Band Kiss umgestaltete.
Am Mittwoch, dem 21. Juni 2023, findet im Foyer der Hochschule für Künste (Fachbereich Musik, Dechanatstrasse 13-15) unsere nächste Musikbörse statt. Pünktlich zum Sommeranfang bieten wir Doubletten aus dem Klaus-Kuhnke-Institut (Ton- und Bildträger, Bücher, Zeitschriften etc.) zum Kauf an. Zwischen 10 und 18 Uhr kann man Schnäppchen machen und tolle Musik in Ton, Bild und Schrift erwerben - vor allem Populäre Musik, aber auch Alte, Klassische und Neue Musik, ebenso wie Musik der Welt. Die Musikbörse ist offen für alle, das heißt HfK-Mitglieder und externe Gäste.
Am 8. Juni fand das erste Treffen des neuformierten KKI-Freundeskreises statt. Es haben sich drei freiwillige Helfer:innen eingefunden, um sich bei Kaffee und Gebäck kennenzulernen und mit Nico Thom über die Mitwirkung im KKI zu sprechen. Wir freuen uns über die Unterstützung! Das nächste Treffen wird am 27. Juli, 10 Uhr im KKI stattfinden. Alle Interessent:innen sind herzlich eingeladen.
Vom 6. bis 24. Juni 2023 kann man im Weserpark Bremen (Hans-Bredow-Straße 41, 28207 Bremen) eine tolle Wanderausstellung des Arbeitskreises Bremer Archive besuchen, an der auch das KKI beteiligt ist. Der Eintritt ist frei.
Mehr Infos findet man in diesem Flyer.
Das KKI hat gerade ein Forschungsprojekt unter dem Arbeitstitel "Bunte Stadtmusik - Populäre Musik in Bremen und umzu" gestartet. Wir möchten die Musikgeschichte der Stadt Bremen und des direkten Umlandes für den Bereich der nicht-klassischen Musik aufarbeiten. Uns interessieren alle relevanten Musikstile - von Rock bis Pop, von Punk bis HipHop, von Techno bis Metal, von Folk bis Blues und natürlich auch der Jazz. Egal ob Sie Singer-Songwriterin, Weltmusiker oder Reggaekünstler:in aus Bremen und umzu sind oder solche kennen, melden Sie sich gerne bei uns, um uns Ihre persönlichen Geschichten zu erzählen. Auch Clubbesitzer:innen, Veranstaltungsorganisator:innen, Musiker:innen-Initiativen, Studio-, Festival- oder Plattenlabelbetreiber:innen können sich gerne bei uns melden, um uns über ihre Aktivitäten in der Vergangenheit (und Gegenwart) zu berichten. Wir suchen natürlich auch Bild- und Textmaterial zu Solokünstler*innen, Bands, Locations, Wettbewerben oder Vereinigungen, die Populäre Musik (im weitesten Sinne) in Bremen bzw. im Bremer Umland gemacht, angeboten oder gefördert haben. Einfach anrufen oder eine Email senden an kontakt@klaus-kuhnke-institut.de.
Einst wurden in Bremen Rundfunkempfangsgeräte produziert, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Ursprünglich hatte Otto Hermann Mende 1923 in Dresden die Firma Radio H. Mende gegründet. Da das Unternehmen im zweiten Weltkrieg in die deutsche Rüstungsindustrie eingebunden gewesen ist, ist das Werk von den Alliierten zerstört worden. 1947 wurde es von Martin Mende, dem Neffen des Gründers, in Bremen wiederaufgebaut. Aufgrund von Protesten wurde der Familien- bzw. Firmenname leicht modifiziert. Fortan trug der Betrieb die Bezeichnung Nordmende und entwickelte sich in der Nachkriegszeit zu einem der führenden deutschen Hersteller von Unterhaltungselektronik.
Neben anderen deutschen Firmen wie Metz, Saba, Grundig oder Telefunken behauptete sich Nordmende aus Bremen heraus auf dem internationalen Markt. Seit Anfang der 1950er Jahre sind neben Radios und Schallplattenspielern auch Fernsehgeräte produziert worden und die Geräte konnten in mehr als 100 Länder exportiert werden. Es herrschte eine Art Goldgräber-Stimmung bei Nordmende und so wurden weitere Werke im Bremer Umland errichtet.
Ein Markenzeichen von Nordmende war das moderne Produktdesign. Besonders ein mobiles Transistorradio mit Namen "Transita" repräsentierte den Freiheitsdrang und die Coolness der jungen Generation sowie den Sound der Zeit: den Übergang vom Rock'n'Roll der 1950er zur Beatmusik der 1960er Jahre. "Transita" war praktikabel, denn man konnte es wegen seiner kompakten Maße und des Batteriebetriebs einfach immer dabei haben und so die aufregende, neue Musik überall empfangen.
Ende der 1970er Jahre geriet Nordmende in die Krise, ähnlich wie andere deutsche Hersteller, z.B. Saba oder Telefunken. Alle drei genannten Unternehmen wurden von der französischen Firma Thomson übernommen und dann sukzessive abgewickelt bzw. wegrationalisiert. Trotz Unterstützung des Bremer Senats mussten die Nordmende-Werke in Bremen und umzu geschlossen werden. Die Markenrechte von Nordmende wurden allerdings weiterverkauft und so erlebte "Transita" im Jahr 2017 als Nordmende-DAB-Digitalradio im Retro-Design eine Wiedergeburt.
Das KKI ist Teil des Arbeitskreises Bremer Archive, in dem sich 40 Archive aus Bremen und Bremerhaven zusammengeschlossen haben. Die Wittheit zu Bremen, eine wissenschaftliche Gesellschaft der Freien Hansestadt Bremen (e.V.), hat am 2. Mai dem AK Bremer Archive einen Anerkennungspreis für Heimatforschung verliehen, genauer gesagt für "die Sicherung und Bearbeitung wichtiger Bremer Quellen sowie eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit". Wir freuen uns gemeinsam mit den Kolleg:innen des Arbeitskreises und nehmen den Preis als Ansporn für eine engagierte Fortführung der Kooperation. Außerdem danken wir Sigrid Dauks, der Leiterin des Universitätsarchives der Uni Bremen, für die Entgegennahme des Preises sowie die Dankesrede. Mehr Infos zum Arbeitskreis gibt es hier: https://www.bremer-archive.de
Ob der Osten wirklich rot ist, wird in diesen Tagen wieder heiß diskutiert. Der Krieg in der Ukraine und die Allianz zwischen Russland und China bieten Anlässe, um erneut über geopolitische Separierungen wie Ost versus West oder Kommunismus versus Kapitalismus nachzudenken. Dass solche Dualismen Zuspitzungen sind und die Welt de facto bunter bzw. facettenreicher ist, muss man sich dabei ins Gedächtnis rufen.
Einen Denkanstoß in diese Richtung liefert diese Box mit drei Vinylplatten und einem Begleitheft. Die Box ist China gewidmet und enthält die Volksoper bzw. das Epos "The East Is Red", welche/s zum 15. Jahrestag der Volksrepublik (Gründungsjahr: 1949) im Jahr 1964 entstanden ist. Darin wird die Chronologie der chinesischen Revolution nachgezeichnet.
"The East Is Red" wurde auch verfilmt. Der Film erschien 1965 in China und zeigt die historischen Ereignisse in einer stilisierten Inszenierung, welche stark geprägt ist vom Maoismus und die bevorstehende Kulturrevolution (1966-1976) bereits andeutet. In einer pompösen Bildsprache werden riesige Staatsgebäude sowie Menschenmassen dargestellt, die synchronisiert singen und tanzen. Dazu erklingt ein gewaltiges Orchester, das sich sowohl aus traditionell-chinesischen wie klassisch-europäischen Instrumenten zusammensetzt. Der massive Chorgesang wird immer wieder von Solo-Arien und gesprochenen Textpassagen unterbrochen.
Die hier vorliegende Box enthält den Soundtrack des Films. Im Untertitel heißt es: "Ein Festspiel der Revolution, aufgeführt in Peking von 3.000 Arbeitern, Bauern, Studenten und Soldaten der Volksrepublik China". Kurios ist der Umstand, dass die Vinylplatten-Box nicht in China, sondern in den USA veröffentlicht worden ist, und zwar 1971 bei dem in Brooklyn/New York ansässigen Label Paredon Records (1970-1985), das sich auf revolutionäre, linke Bewegungen und ihre jeweiligen Protestmusiken spezialisiert hatte.
Der ausgeprägte politische Impetus, der in dieser Box zu finden ist, regt an zu Reflexionen über vermeintlich klare Grenzen zwischen Ost und West bzw. kommunistischen und "freien" Staaten. Nicht zuletzt die Tatsache, dass an der Hochschule für Künste Bremen auch Menschen aus China studieren (ebenso wie Personen aus Russland und der Ukraine), sollte zu denken geben. Aber auch die Grenze zwischen klassischer und populärer Musik wird in dieser Produktion durchkreuzt. Hier handelt es sich im wahrsten Sinne des Wortes um Musik der/für Massen.
Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedete Claudia Roth (die deutsche Staatsministerin für Kultur und Medien) Peter Schulze (den Spiritus Rector des KKI) aus seinem Amt als Künstlerische Leitung der Bremer Fachmesse jazzahead!. Diese Leitung teilte er sich über viele Jahre mit Prof. Ulrich Beckerhoff, der ebenfalls abtrat, um den Staffelstab an Götz Bühler weiterzugeben.
Im Rahmen der Bremer Messe jazzahead! haben uns die lieben und geschätzten Kolleg:innen vom Jazzinstitut Darmstadt besucht. Mit Arndt Weidler und Marie Härtling haben wir fachgesimpelt sowie kulinarisch und musikalisch geschwelgt. Es lebe der Jazz und die "völkerverständigende" Kraft der archivarischen Expertise!
Die Bremer Fachmesse jazzahead! steht an und wir sind selbstverständlich wieder mit dabei. Dieses Mal haben wir extra ein Werbegeschenk produzieren lassen, das mit dem Slogan "Where Jazz Is Popular" das KKI bewirbt, denn natürlich ist Jazz bei uns beliebt! Außerdem haben wir gemeinsam mit der Jazzabteilung der Hochschule für Künste Bremen eine animierte Präsentation entwickelt, die im Rahmen der Clubnight am Freitag (28.04.) im Jazzclub bzw. der Mensa der HfK gezeigt wird. Los geht's um 19:30 Uhr.
Übrigens: Wer vorher noch eine Führung durch die Archivräume des KKI haben möchte, kann sich am 28.04., um 18:15 Uhr im KKI einfinden. Die Führung kann auf Deutsch und Englisch angeboten werden.
Anfang 2022 haben wir die große Sammlung des Bremers Mohns Mohnssen testamentarisch übernommen, der 2021 verstorben ist. 300 Kisten mit feinster US-amerikanischer Country Music. Die Frage war nur: Wohin damit? Erst haben wir extra ein Außenlager angemietet. Dann haben wir sie in unsere Archivräume in der HfK verbracht, wo sie einige Monate im Gang herumstanden. Nun sind sie nochmals umgeschichtet worden - Props an den fleißigen Kollegen Till! - und blockieren jetzt nicht mehr die Vinylregale.
Wir haben uns von zwei historischen Studio-Tonband-Maschinen getrennt (Modelle aus den 1950er bzw. 1960er Jahren), die seit vielen Jahren ungenutzt in unserem Archiv herumstanden. Ein passionierter Sammler aus Trier bekam den Zuschlag. Wir wissen sie daher in guten Händen. Eine Win-Win-Situation.
Als dieses Buch vor 28 Jahren erschienen ist, war noch nicht abzusehen wie sich das Internet bzw. dessen Musikangebot entwickeln würde. Heutzutage mag ein Schriftbanner wie "Entdecken Sie das Internet" auf dem Umschlag einer Publikation süß anmuten, damals konnte man allerdings nicht voraussetzen, dass alle potentiellen Leser:innen dieses weltweite Kommunikationsnetz kennen. Es war in der breiten Öffentlichkeit schlichtweg noch nicht angekommen. Zwar lassen sich dessen Ursprünge bis in die 1960er Jahre zurückverfolgen, als das US-Militär begann damit zu experimentieren, aber es dauerte fast drei Jahrzehnte bis das kommerzielle Potenzial erkannt und genutzt wurde. Zuvor hatten sich über viele Jahre Wissenschaftler:innen aus diversen Disziplinen mit dem Internet befasst, die Technologie dahinter weiterentwickelt und die Anwendungsmöglichkeiten getestet.
Zu den Autoren des Buches heißt es auf dem Einband: "Jens Grabig ist ein Internaut der ersten Stunde. Mit seinen Mitarbeitern Gerald Struck und Tobias Trelle ist er (fast) rund um die Uhr 'online', um für Sie die besten Plätze im Internet zu erforschen". Grabig und sein Team haben Mitte der 1990er Jahre vergleichbare Bücher zum Thema Internet veröffentlicht, darunter "Sport im Internet" (1995), "Reiseplanung im Internet" (1995) oder "Erotik im Internet" (1995), die allesamt bei Sybex erschienen sind, einem der "Pioniere im Computerbuchmarkt in Deutschland", wie auf der Website des Verlages zu lesen ist.
Wie gering das Angebot an musikbezogenen Online-Informationen noch war, ist allein schon dem Klappentext zu entnehmen: "Es [das Internet] bietet zu über 1600 Musikgruppen mehr als 1000 Web-Seiten. [...] Tauschen Sie sich in Newsgroups aus, oder laden Sie Sounds und Videos auf Ihre Festplatte. Informieren Sie sich über aktuelle Konzerttermine und Diskographien". Nichtsdestotrotz war offenbar schon das gesamte stilistische Spektrum verfügbar. "Die Informationsvielfalt ist gewaltig. Zu allen Genres finden Sie, was das Fanherz interessiert: ob Mainstream oder Underground, Klassik und Rock, Pop, Rap, Hip-Hop, Soul, Jazz, Beat, Blues... ." Da es an übergeordneten (Streaming-)Plattformen und Meta-Suchmaschinen noch mangelte, machte eine Publikation wie diese also durchaus Sinn.
Nachdem die Autoren in die "größte Musikmesse der Welt" eingeführt haben, geben sie eine Reihe von Tipps zur Software-Installation, zur Nutzung des Internets sowie zur "Netiquette". In einem Glossar werden die wichtigsten Begriffe (z.B. E-Mail, HTML oder Link) beschrieben. Der zweite Teil des Buches ordnet Internetadressen von Solokünstler:innen und Bands unter Oberbegriffe wie "Alternative, Indie & Industrial" (z.B. Dead Can Dance, Einstürzende Neubauten oder Sonic Youth), "Hard & Heavy" (z.B. AC/DC, Scorpions oder White Zombie), "Hip-Hop, Jazz, R&B" (z.B. Albert Ayler, Jazzkantine oder Snoop Doggy Dogg), "Rock & Pop" (z.B. Paula Abdul, Björk oder Die Prinzen) sowie "Techno, Rave & Ambient" (z.B. 2 Unlimited, Laurent Garnier oder Marusha). Darüber hinaus werden Websites sortiert unter "Archive & Online-Magazine" (z.B. Audio-Datenbank, Techno.Net oder Virtual Radio), "Instrumente & Musiksoftware" (z.B. Fender, MIDI Farm oder Steinberg) sowie "Labels" (z.B. BMG, Geffen Records oder Polygram) und "Verrücktes & Verschiedenes" (z.B. Beavis & Butt-Head, Deutsche Welle Musikwunsch oder Rock'n'Roll Clubs in Österreich). Selbstverständlich werden auch für "Klassische Musik" Websites angegeben (z.B. Klassische Gitarre, Bach oder New Zealand Symphony Orchestra). Alles in allem ein spannendes Dokument zu den Anfängen der (Populären) Musik im Internet.
Wir haben uns bei der Spring School der HfK Bremen mit einem einstündigen Online-Workshop eingebracht. Hier der Beschreibungstext:
"Auch Musiker:innen und Künstler:innen sollten sich mit dem Archivieren beschäftigen, denn es kann überaus hilfreich sein im Berufs- und Privatleben.
Heutzutage wird das Thema Archivieren mit Begriffen wie Dokumenten- bzw. Informations-, Kommunikations- und Wissens-Management umschrieben, wobei das digitale Ordnen und Ablegen von Dateien eine immer größere Rolle spielt. Aber auch Papierdokumente wie Verträge, Urkunden, Noten, Bilder, Fotos oder Ähnliches müssen systematisiert und langfristig aufbewahrt werden, um privat oder beruflich gut nutzbar zu sein. Zum Archivieren gehört unter anderem auch das Aussortieren und Entsorgen von alten und ungenutzten Unterlagen oder AV-Medien (Ton- und Bildträger). Der Crashkurs möchte Hilfestellungen geben für den (Arbeits-)Alltag von Musiker:innen und Künstler:innen und lebenspraktische Beispiele präsentieren, die schnell und einfach anwendbar sind. Dabei werden Einblicke in die Arbeitsweisen des Klaus-Kuhnke-Instituts der HfK Bremen gegeben, das ein Archiv sowie eine Forschungsstätte für Populäre Musik ist und alle Arten von auditiven und visuellen Medien aufbewahrt."
Nach mehr als dreißig Jahren haben wir den Zugang zum KKI neu gestaltet. Unsere Intention war es, an das Corporate Design unserer Webpräsenz anzuknüpfen. Die schlichte schwarz-grau-weiße Bemalung wird durch zwei Akzente durchbrochen. Dabei handelt es sich um die durchscheinenden Originalfarben (gelb und grün). Auf diese Weise sollen die historischen Schichten des KKIs gewürdigt werden.
Für 2023 haben wir uns viel vorgenommen. Nach mehr als dreißig Jahren in denselben Räumlichkeiten wollen wir mal richtig aufräumen und aussortieren, um Ordnung und Platz zu schaffen. Über die Jahre sammelt sich einiges an, das leider nicht mehr zu gebrauchen ist – zum Beispiel eine Menge Elektroschrott (alte und kaputte Computer sowie marodes Hi-Fi-Equipment). Selbstverständlich schmeißen wir nichts weg, was noch in irgendeiner Form verwendet werden könnte. Wir sind Fans von Upcycling- und Sharing-Konzepten und achten auf die nachhaltige Nutzung der uns anvertrauten Objekte bzw. Gegenstände.
Es ist erstaunlich, welche Reichweite die Band Versengold erzielt. Sie wurde 2003 im Bremer Umland (Osterholz-Scharmbeck) gegründet und wird 2023 ihr zwanzigjähriges Bestehen feiern. Der deutschsprachige Folk-Rock der sechs Musiker:innen setzt unter anderem auf traditionelle Instrumente wie die Nyckelharpa, die Bouzouki, die Mandoline oder die Fiddle. 2022 erschien das achte Album der Formation unter dem Titel "Was kost die Welt" und belegte Platz 1 der deutschen Album-Charts.
An dieser Stelle soll es jedoch um das Vorgängeralbum "Nordlicht" gehen, das 2019 veröffentlicht worden ist und immerhin Platz 4 der deutschen Album-Charts erreichte. Aufgrund des kommerziellen Erfolgs wurde auch eine limitierte Fan-Box auf den Markt gebracht. Diese enthält neben dem "Nordlicht"-CD-Longplayer (14 Titel) eine Blu-ray Disc, auf der die Video-Dokumentation "15 Jahre Versengold. Das Jubiläumskonzert live in Hamburg" (mit 28 Songs) aus dem Jahr 2018 festgehalten ist. Zusätzlich sind Merchandise-Produkte beigegeben wie ein Sturm-Feuerzeug, eine Kette mit Anhänger sowie ein Schnapsglas.
Die Box bietet eine Menge handgemachte Musik, die spritzig vorgetragen ist und mit ironischen Texten daherkommt. Thematisch kreisen die schnellen Tanzlieder und kratzigen Balladen vor allem um den rauen Norden, das Meer, mittelalterliche Trinkgelage, Berichte historischer Ereignisse und Liebesbeziehungen. Dabei werden hin und wieder gesellschaftskritische Anspielungen eingeflochten, die sich auf die Gegenwart beziehen.
Die Konzertaufzeichnung aus dem Jahr 2018 zelebriert die fünfzehnjährige Bandgeschichte mit einer Querschnittsauswahl von eigenen Liedern vor großem Publikum. Die Fans singen mit und tanzen ausgelassen. Eine Reihe von Gastmusiker:innen wird auf der Bühne begrüßt. Live funktioniert die Musik von Versengold offensichtlich sehr gut, nicht zuletzt, weil sie professionell und schwungvoll präsentiert wird - allerdings ohne viel Drumherum. Nur die Musiker:innen, ihre Instrumente und die Freude stiftende Performance.
Wir sind verliebt... in unsere "neuen" High-End-Boxen der Firma Ohm (NY/USA). Genau genommen sind sie gar nicht mal so neu (Baujahr 1975!), aber sie klingen immer noch fantastisch! Ein unglaublicher Genuss für die Ohren und ein wahrer Referenz-Sound! Wir sind zu Tränen gerührt. Zudem sind diese hölzernen 360-Grad-Lautsprecher auch noch ein Blickfang. Herrlich!
Seit jeher sind wir mit dem Bremer Musikverlag/Label Fuego freundschaftlich verbunden, das von Friedel Muders betrieben wird. Nun intensivieren wir unseren Austausch und kooperieren bei zwei eBook-Projekten. Zum einen wird der erste (englischsprachige) Band unserer "Bremer Beiträge zur Popularmusik-Forschung" demnächst bei Fuego erscheinen unter dem Titel "Toddlers/Children's Songs. The Popular Music of the Youngest?". Zum anderen planen wir für 2024 die Wiederveröffentlichung der "Geschichte der Popmusik" (2 Bände), welche von den drei Archivgründern (Kuhnke, Miller & Schulze) zuletzt 1998 über Bear Family Records publiziert worden ist.
Skurrile Musik und ein unauffindliches Album stehen dieses Mal im Mittelpunkt. Das "Hotcha Trio" aus den Niederlanden war vor Jahrzehnten mit heiterer Mundharmonika-Musik bzw. musikalischer Clownerie ziemlich erfolgreich. Inspiriert von Mundharmonika-Star Borrah Minevitch und seiner Gruppe "The Harmonica Rascals" startete die Formation 1938 in Rotterdam unter dem Namen "5 Hotchas", damals noch zu fünft.
Als die Gebrüder Wim und Cor Belder 1949 nach Australien auswanderten, verblieben Joop Heijman (Solo-Mundharmonika), Geert van Driesten (Bass-Mundharmonika) und Eddie Sernee (Vineta bzw. Akkord-Mundharmonika), die fortan das Hotcha Trio bildeten. In den folgenden Jahren wechselten die Bass-Mundharmonika-Spieler einige Male durch, das Trio bestand jedoch noch bis 1970. Die Hochphase des Hotcha Trios war in den 1950er Jahren. Zu dieser Zeit galten sie als "Nederlands Populairste Artiesten". Sie nahmen zahlreiche Platten auf, machten Welttourneen, hatten Auftritte in Varieté-Shows und im Fernsehen sowie Gastrollen in diversen Filmen und lukrative Werbeverträge.
Das Label Philips vermarktete das Trio auch im deutschsprachigen Raum, indem es die Mundharmonika-Virtuosen Kinder- und Volkslieder sowie Schlager instrumental vertonen lies (z.B. Blumenwalzer, Wiener Blut oder Du liegst mir am Herzen). Mitunter stellte man den Dreien eine namenlose "rhythmische Begleitung" zur Seite, das heißt einen Kontra- oder E-Bass und ein Schlagzeug. Stilistisch deckte das Trio ein breites Spektrum ab und versuchte sich ebenso an Rock'n'Roll-, Country- sowie Latin-Stücken. Stets waren die Uptempo-Arrangements schmissig, humorvoll und tanzbar.
Das KKI hat eine Original-Kompaktkassette im Archiv, die eine Best-of-Auswahl des Trios präsentiert. Leider gibt das Fundstück wenig Informationen preis. Das Erscheinungsjahr ist unklar (vermutlich irgendwann in den 1980er Jahren). Immerhin erfährt man, dass die Kassette in Deutschland produziert bzw. erschienen ist. Zum ausgewiesenen Musiklabel namens "Cross" ist allerdings nichts zu finden. Das Album taucht in keiner Diskographie des Trios auf. Der verknappte Hinweis "Trad. Bearb. J. Sprangers" lässt erahnen, dass es sich dabei um den Namen eines externen Arrangeurs handeln könnte. Das Erscheinungsbild der Kassette ist lieblos und deutet auf eine kostensparende Produktionsweise hin. Die Musik selbst ist ein Reinhören dennoch wert.
Prof. Dr. Hans Christian Hagedorn, ein Nutzer unseres Archivs, der als Germanist bzw. Literaturwissenschaftler in Spanien forscht und lehrt, hat uns die Ergebnisse seiner Recherche zur Verfügung gestellt. Gerne weisen wir an dieser Stelle auf seine englischsprachige Studie zur Don Quijote (Cervantes) - Rezeption im Jazz hin. Sie ist unter folgendem Open-Access-Link einsehbar: https://analescervantinos.revistas.csic.es/index.php/analescervantinos/article/view/511
Am 12. Januar erreichte uns die traurige Nachricht vom unerwarteten Ableben unseres lieben Kollegen Hubert Notzon. Seit mehr als 20 Jahren war er der "gute Geist" an der Pforte des Fachbereichs Musik in der Hochschule für Künste Bremen. Wir haben ihn täglich gesehen und immer mal einen Klönschnack abgehalten. Er war stets verbindlich und hilfsbereit. Wir vermissen ihn und erinnern uns an die Vergänglichkeit des Lebens.
In diesem Buch zur gleichnamigen Ausstellung wird Jugend als vielschichtiger Themenkomplex verhandelt. Beeindruckend ist, dass Mitte der 1980er Jahre bereits eine derart differenzierte Sicht auf Jugendlichkeit in (West-)Deutschland möglich war. Der umfangreiche Band (436 Seiten) versammelt viele kurze Texte und unzählige Fotos von diversen Autor:innen und Fotograf:innen.
„Das Sehen ist der Ausgangspunkt dieses Projekts“ (S. 9), schreiben die Herausgeber bzw. Ausstellungsmacher. Sie betrachten das Phänomen Jugend von mehreren Seiten und vermeiden Bewertungen. „Das Projekt will […] versuchen, dem ,Gegenstand‘ seine ursprüngliche Faszination zu lassen. Ästhetik meint hier im ganz ursprünglichen Sinn: Zeigen und Schauen. Nicht die Geschichte der Jugend(-kulturen) allgemein soll nachgezeichnet werden, sondern ihre ästhetischen Ausdrucksformen, ihre Bedeutung und die Geschichte ihres Gebrauchs. Nur insofern stehen ,Exoten‘ im Mittelpunkt. Um sich aber nicht in der Sinnlichkeit dieser Phänomene zu verlieren, ist es notwendig, den ,normalen Umgang‘ mit den Dingen, den Umgang mit den ,normalen Dingen‘ in die Betrachtung mit hinein zu nehmen. Die ,normalen Jugendlichen‘ wie die ,Erwachsenenwelt‘ werden als Kontrast für eine Darstellung benötigt, die der ästhetischen Abweichung Sinn unterstellt und die subkulturellen Phänomene als einen ästhetischen Reflex, als eine Antwort auf die Notwendigkeiten und spezifischen Problemkonstellationen ihrer Zeit begreift.“ (S. 9)
Das Buch zur Ausstellung beginnt mit den 1980er Jahren und arbeitet sich von dort Jahrzehnt für Jahrzehnt zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Selbstverständlich spielt Populäre Musik dabei eine wichtige Rolle. Angefangen mit Punk und Techno der achtziger Jahre, über Rock- und Popmusik der siebziger, Beat- und Schlagermusik der sechziger, Rock’n’Roll der fünfziger und Swingmusik der zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre. Selbst Volks- und Arbeiterlieder zwischen 1900 und 1920 werden thematisiert.
Was das Buch sehr schön aufzeigt, ist die enge Verbindung von Musik, Bildender Kunst und Mode bzw. Fashion, aber auch die übergeordnete historische Kontextualisierung mit ihren vielfältigen politischen und sozialen Querverweisen kommt keineswegs zu kurz. Oder wie es der Klappentext prägnant zusammenfasst: „… von Wandervögeln und Punks, von Wilden Cliquen und Blumenkindern, von Bündischen und Antiautoritären, und vielem anderen mehr“.
Das KKI ist vom 24. Dezember 2022 bis 1. Januar 2023 geschlossen. Am 2. Januar öffnen wir wieder unsere Pforten. Wir wünschen allen besinnliche Weihnachtstage sowie einen entspannten Jahreswechsel. Man sieht/hört sich im neuen Jahr!
Ulrich Duve war von 1991 bis 2021 Leiter und Geschäftsführer des Klaus-Kuhnke-Archivs für Populäre Musik. Am 7. August 2009 war er zu Gast in der Bremer Regional-TV-Show "Talk am Freitag Live". Dort berichtete er über das Klaus-Kuhnke-Archiv und stellte einige Exponate vor.
https://youtu.be/bzo2W3opasA
Der Bremer Stattreisen e.V. bietet alternative Stadtführungen für Einheimische und Tourist:innen. Coronabedingt lag unsere Kooperation zwei Jahre lang auf Eis. Seit Dezember 2022 veranstaltet der Stattreisen e.V. eine neue Tour durch Bremen namens "Verborgene und besondere Orte". Neben dem Tischlerei-Museum wird dabei auch das KKI besucht. Wir freuen uns über das Wiederaufleben der Zusammenarbeit sowie auf viele interessierte Gäste. Die Führungen finden einmal pro Monat an einem Samstagvormittag statt (an jedem dritten Samstag).
Mehr Infos dazu hier: https://www.stattreisen-bremen.de/stadtfuehrungen/thema/auflistung/verborgene-und-besondere-orte/verborgene-orte.html
Am Dienstag, dem 6. Dezember, verkauft das KKI eine Auswahl seiner Archiv-Doubletten. Im Zeitraum von 10 bis 16 Uhr kann man auf Schnäppchenjagd gehen. Eine gute Gelegenheit, Weihnachtsgeschenke zu finden.
In Zeiten des Internets sind musikbezogene Erklärvideos oder -podcasts omnipräsent. Das war in den 1950er Jahren noch ganz anders. Damals lieferten neben Büchern und Zeitschriften vor allem Radiosendungen musikrelevante Informationen. In einigen wenigen Fällen waren es Schallplatten, auf denen Musik erklärt wurde.
Ein Beispiel dafür ist diese 10-Zoll-Vinylplatte mit dem Titel „Jazz und alte Musik“, die einen Vortrag mit Musikbeispielen enthält. Sie ist 1957 in der Aula der Hamburger Schule am Mittelweg aufgenommen und im selben Jahr auf dem Label Telefunken veröffentlicht worden. Die beiden Vortragenden sind der Jazzjournalist/-publizist Joachim-Ernst Berendt und der Musikwissenschaftler Dr. Joachim Tröller, ein Experte für Alte Musik. Die Musikbeispiele stammen vom Wolfgang Lauth Quartett, einem Jazzquartett um den Pianisten Wolfgang Lauth, mit Werner Pöhlert an der halbakustischen E-Gitarre, Peter Trunk am Kontrabass und Joe Hackbarth am Schlagzeug. Eine namenlose „Schülerin der Musikhochschule Mannheim“ liefert die improvisierten Cembalo-Passagen.
Die Live-Aufnahme bietet „mit ihren knapp 40 Minuten einen Ausschnitt aus einer zweistündigen Veranstaltung“, bei der auch „Lichtbilder“ gezeigt wurden, welche auf der Platte aber selbstverständlich nicht zu sehen sind. Mit dieser Veranstaltung tourten die beiden Vortragenden und die Musiker:in damals durch deutsche Universitäten und Schulen – und zwar mit der Intention, sowohl Jazz als auch alte Musik (zu der Zeit noch klein geschrieben) der Bevölkerung näher zu bringen. Freilich standen die Gemeinsamkeiten der beiden Musiktraditionen dabei im Vordergrund: Improvisation, Bassmotivik, Geistlich-Weltliche Volksmelodien, durchgehender Rhythmus, tonale Kolorierungspraxis etc.
Allerdings legen die beiden Vortragenden Wert darauf, dass es nicht darum gehe, die jeweils andere Musiktradition mit dem Aufzeigen der Parallelen zu rechtfertigen oder künstlerisch aufzuwerten. Vielmehr sollen musikhistorische und musikanalytische Fakten geliefert werden, um ein besseres Verständnis von Jazz sowie alter Musik zu befördern.
Das Wolfgang Lauth Quartett spielt fünf Stücke, die man heutzutage dem sog. Cool Jazz zuordnen würde, darunter zwei Kompositionen von Wolfgang Lauth selbst sowie jeweils eine von Fats Waller, Meade Lux Lewis und John Lewis. Neben den kurzen Passagen, in denen die Cembalo-Studentin die Generalbass-Spielpraxis demonstriert, wird auch ein Hörbeispiel präsentiert, das einen Mitschnitt aus dem Gottesdienst einer afro-amerikanischen Gemeinde in Harlem/New York erklingen lässt.
Der gesamte Vortrag ist im zeittypischen, pathetisch-übertonten Sprechstil der 1950er Jahre gehalten und verwendet viele Male das N-Wort, um die afro-amerikanischen Anteile der Jazztradition zu kontextualisieren. Das mag in unseren Ohren unangemessen klingen, entsprach jedoch dem Zeitgeist und lässt an keiner Stelle abwertendes bzw. rassistisches Gedankengut erkennen. Im Gegenteil: Es geht gerade darum, die Bedeutung des Beitrags von Afro-Amerikaner:innen für die Entwicklung des Jazz zu würdigen. Insofern handelt es sich bei diesem hörenswerten Zeitdokument um ein frühes Beispiel für sog. interkulturelle Musikvermittlung.
Maren Speer, eine Musikwissenschaftsstudentin von der Universität Bremen, absolviert im November/Dezember ein studienbegleitendes vierwöchiges Praktikum im KKI. Sie ist im 7. Fachsemester ihres Bachelorstudiums und unterstützt das KKI-Team bei der Arbeit im Archiv. Wir sind dankbar für ihre Mitwirkung und gewähren ihr gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag. Studentische Praktikant:innen sind jederzeit herzlich willkommen.
Wir nehmen uns eine Woche frei und sind am 21. November wieder regulär erreichbar. Wir wünschen allen entspannte Tage.
Der ehemalige Leiter des Klaus-Kuhnke-Archivs (Ulrich Duve) und der neue Leiter des Klaus-Kuhnke-Instituts (Nico Thom) haben an der Jahrestagung der Ländergruppe Deutschland/Schweiz der International Association of Sound and Audiovisual Archives (IASA) in Freiburg/im Breisgau teilgenommen. Die hybride Veranstaltung wurde vom Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Universität Freiburg ausgerichtet. Ulrich Duve nahm seinen Abschied von der Funktion des Vorsitzenden der IASA-Ländergruppe und wurde mit herzlichen und dankbaren Worten bedacht. Nico Thom hielt einen Vortrag zum Thema "Aus (nord-)westlicher Sicht? Die quasi-ethnologischen Tonträger-Sammlungen des Bremer Klaus-Kuhnke-Instituts für Populäre Musik", in dem er einer ethnologischen Perspektive auf (Populäre) Musik eine systemtheoretische gegenüberstellte.
Am Freitag, dem 4. November 2022, veranstaltet das KKI im Zeitraum von 12 bis 16 Uhr eine Online-Tagung, die sich mit dem noch relativ unerforschten Themenkomplex "(Klein-)Kinderlieder" auseinandersetzen wird. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern derartige Lieder als Populäre Musik zu verstehen sind. Den ausführlichen Call for Papers gibt es hier: CfP_Kinderlieder.pdf
Über die Plattform Zoom werden die Vorträge und Diskussionen im Internet zu verfolgen sein.
Anmeldungen zur kostenfreien Teilnahme bitte an folgende Email-Adresse senden: kontakt@klaus-kuhnke-institut.de
Das Tagungsprogramm:
Erster Block (12:00-13:15 Uhr)
12:00-12:10 Uhr _ Eröffnung & Grußworte
12:10-12:40 Uhr _ Nico Thom (Bremen/Deutschland):
"The varity of popular toddlers/children's songs - An overview with examples from the German-speaking area"
12:40-12:45 Uhr _ Umbaupause
12:45-13:15 Uhr _ Shelley Brunt & Liz Giuffre (Melbourne & Sydney/Australien):
"Popular music and parenting"
13:15-13:30 Uhr _ 15 Minuten Pause & Online-Café
Zweiter Block (13:30-14:35 Uhr)
13:30-14:00 Uhr _ Ariane Diniz Holzbach & Jackeline da Costa (Rio de Janeiro/Brasilien):
"Mundo Bita feat. Brazilian Popular Music - Reflexions around musical quality in songs aimed at children"
14:00-14:05 Uhr _ Umbaupause
14:05-14:35 Uhr _ Andrew Snyder (Lissabon/Portugal):
"Expat migration and baby music classes in an internationalizing Lisbon"
14:35-14:50 Uhr _ 15 Minuten Pause & Online-Café
Dritter Block (14:50-16:00 Uhr)
14:50-15:20 Uhr _ Ruth Barratt-Peacock (Jena/Deutschland):
"The 'child' in children’s popular music research - A social constructionist view on childhood in kiddy metal"
15:20-15:25 Uhr _ Umbaupause
15:25-15:55 Uhr _ Tobias Marx (Erfurt/Deutschland):
"Music for children - Musical, pedagogical and social perspectives"
15:55-16:00 Uhr _ Verabschiedung
Frank Wonneberg bewegt sich seit Jahrzehnten zwischen den Künsten Musik, Graphik und Literatur. Aus einer ostdeutschen Musikerfamilie stammend erlernte er zunächst das Handwerk des Schriftsetzers, studierte dann Musikwissenschaft sowie Kulturgeschichte und arbeitete viele Jahre als Graphiker in der Verlagswelt, wo er Zeitschriften mitgestaltete, und im Musikbusiness für Plattenlabels, Musikveranstalter sowie Rockbands, für die er Plattencovers und Plakate entwarf. Zwischenzeitlich betrieb er außerdem einen Mailorder für Vinylschallplatten und brachte eine Zeitschrift namens "Living Vinyl" heraus. Mit seinem "Vinyl-Lexikon" trat er im Jahr 2000 erstmals als Buchautor in Erscheinung. Es folgten weitere überarbeitete Auflagen seines Schallplatten-Standardwerkes sowie das Buch "Grand Zappa" (2010) über den US-amerikanischen Musiker Frank Zappa (1940-1993).
Im Jahr 2019 publiziert Wonneberg dann einen limitierten Fake-Kunst-Kalender, der sich ebenfalls mit Frank Zappa auseinandersetzt. Darin bildet er die Covers von Vinylplatten ab, die der sagenumwobene Musiker angeblich hinter dem "Eisernen Vorhang" veröffentlichen konnte. Wonneberg fabuliert von "unbekannten Tonträgern aus dem ehemaligen Ostblock" bzw. von "raren Lizenzausgaben kommunistischer Schallplattenfirmen", die in einem mysteriösen Pappkarton aus dem Nachlass des schweizerischen Sammlers Beat Rupp verpackt gewesen und im Archiv der Varèse-Zappa-Gesellschaft in Basel gelagert worden seien. Wonneberg habe 2018 das Archiv besucht und dabei diese Platten zufällig entdeckt.
Die fiktive Story ist im Kalender ausgeführt und mit allerlei Details gespickt, welche sie realistisch erscheinen lassen. Dennoch handelt es sich um ein amüsantes Spiel mit der Wahrheit, das allerdings Eingeweihte und Zappa-Kenner als Fantasie bzw. Sammler-Traum des Künstlers entlarven können. Mit einem neorealistischen Ansatz "faksimiliert" Wonneberg "ein knappes Dutzend überaus seltener […] Langspielplatten sowie eine Single". Neben dem jeweiligen Frontcover wird auch die A-Seite des Tonträgers gezeigt. Die Bildunterschriften beinhalten Angaben zum Erscheinungsjahr, der Katalognummer, zum Ursprungsland und der Plattenfirma in der jeweiligen Landessprache. Zudem gibt es die Matrizennummer, die Angaben zur Originalaufzeichnung bzw. zum Lack-Umschnitt, zum Hersteller, zur Quelle der Tonaufzeichnung, zum Medien-Format, zur Vinylqualität, Grammatur und zum Prädikat aus Sicht des Sammlers. Alles erfunden natürlich!
Angeblich seien die abgebildeten Zappa-Platten in Albanien, Bulgarien, China, Kuba, der Tschechoslowakei, in Ostdeutschland, Ungarn, Nordkorea, Polen, Rumänien, der Sowjetunion und in Jugoslawien erschienen. Entsprechende Monopol-Labels wie Amiga, Supraphon oder Balkanton hätten die Vinyls mit staatlicher Genehmigung unters Volk gebracht. Und tatsächlich wirkt die Illusion durch Wonnebergs täuschend echte Nachbildungen der Label-Designs und -Ästhetiken. Nur Muttersprachler bzw. Fachleute erkennen kleine Fehlerchen bei den landestypischen Schreibweisen. Da Frank Zappa mehr als zwölf Alben veröffentlicht hat, musste Wonneberg eine Auswahl treffen, die einen Querschnitt durch Zappas Werk liefert. In jedem Falle ist das Original wiederzuerkennen, wenngleich es verfremdet dargestellt ist. Hier paart sich gelungenes Kunsthandwerk, Sachkenntnis und verschmitzter Humor. Eine Freude – nicht nur, aber vor allem für Zappa-Fans.
Am 26. Oktober trafen sich die Mitglieder des Archivnetzwerk Pop nach zwei Jahren Corona-Pause wieder. Dieses Mal lud das Deutsche Musikarchiv in Leipzig ein. Es wird von Ruprecht Langer geleitet und ist Teil der Deutschen Nationalbibliothek. Das KKI ist seit Jahren Mitglied des Netzwerks, einem deutschlandweiten Zusammenschluss von Archiven, die sich schwerpunktmäßig mit Populärer Musik auseinandersetzen. Geplant ist eine Intensivierung der Zusammenarbeit.
https://www.archivnetzwerk-pop.de
Beurteile niemals ein Buch nach seinem Einband. Oder: Never judge a book by its cover. Mit diesem internationalen Sprichwort im Hinterkopf soll dieses Mal ein Blick in ein kleinformatiges Werbe- bzw. Kundengeschenk der Firma Maxell gewagt werden. Das weltweit operierende Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Japan und diverse Niederlassungen im Ausland, unter anderem in Deutschland. Zu den Produktlinien zähl(t)en Batterien und Speichermedien wie Kassetten, Tonbänder, Disketten, Videobänder, CD- und DVD-Rohlinge, aber auch iPod-Zubehör sowie Fernbedienungen, Mikrofone, Kopfhörer, Soundbars und Beamer. Maxell ist wiederum ein Tochterunternehmen von Hitachi, einem Global Player und internationalem Technik-Mischkonzern mit Wurzeln in Japan.
Offenbar hat Maxell vor der Jahrtausendwende den deutschen Compact Verlag damit beauftragt, ein außergewöhnliches Präsent für Kunden und Geschäftspartner im deutschsprachigen Raum zu produzieren, das handlich ist und Fakten zur Populären Musik in geraffter Form bereithält. Auf immerhin 255 Seiten werden Musiker:innen und Bands von ABBA bis ZZ Top aufgelistet und mit kurzen Einträgen beschrieben. Dazwischen finden sich prägnante Informationen zu musikalischen Termini, bspw. zu Begriffen wie A Capella oder Disco. Querverweise ordnen zudem einzelne Künstler:innen entsprechenden Bands zu, bspw. Kurt Cobain zu Nirvana oder Steve Nicks zu Fleetwood Mac.
Stilistisch hält das Büchlein, was es verspricht: Es behandelt den Mainstream Rock und Pop der 1960er bis 1990er Jahre und wartet darüber hinaus auf mit vereinzelten Einträgen zu Hip-Hop-Künstler:innen wie Grandmaster Flash and the Furious Five, Salt'n'Pepa oder Run D.M.C.. Besonders häufig vertreten sind Künstler:innen, die in den 1990er Jahren die Charts dominiert haben. Wie üblich in derartigen Lexika, werden in erster Linie US-amerikanische und britische Artists vorgestellt. Man findet jedoch auch Einträge zu deutschen Musiker:innen und Formationen, bspw. zu Nena, Udo Lindenberg oder den Fantastischen Vier.
Obwohl man beim Durchblättern auf viele berühmte Namen stößt, lassen sich hin und wieder auch einige weniger bekannte Sänger:innen oder Gruppen (wieder-)entdecken. Können Sie sich bspw. noch an Pat Benatar erinnern? Dazu kann man nachlesen: "Pat Benatar (Patricia Andrzejewski, * 10.1.52) startete 1975 zunächst als Cabaretperformerin, bevor sie 1978 auf Rock umstellte. Fortan lieferte die Sängerin mit der angerauhten [sic!] Stimme mit Songs wie Fire And Ice (1981), Shadows Of The Night (1982) und Love Is A Battlefield (1984) zahlreiche Hits ab" (S. 25).
Das Cover des Miniatur-Lexikons ist eine graphische Katastrophe und nichts für Leute mit Sehschwäche (man kann nur vermuten, welche Band und welcher Solo-Gitarrist darauf abgebildet sind). Zudem ist die Schreibweise des Buchtitels grammatisch falsch. Auch der Text selbst weist einige orthographische Fehler auf (vergleiche das Zitat oben) – und das, obwohl drei Redakteure namentlich angegeben sind. Ein liebloses Erscheinungsbild also, hinter dem sich aber ein erstaunlich informationsdichtes Nachschlagewerk(chen) verbirgt, das nur zwei Daumen breit und hoch ist.
Mit einer neuen Video-Reihe beleuchtet das KKI Verständnisse von Populärer Musik und befragt dazu Expert:innen.
Erster Gast ist der Gitarrist und Komponist Daniel Stelter (geb. 1977 in Wiesbaden/Deutschland). Seit Jahren zählt er zu den gefragtesten und vielseitigsten Live-, Studio- und TV-Musiker:innen in Deutschland. Er hat mit vielen bekannten Künstler:innen aus den Bereichen Jazz, Pop, Weltmusik und Klassik zusammengespielt, in mehreren TV-Shows mitgewirkt sowie einige Alben unter eigenem Namen veröffentlicht.
Alles Weitere erfährt man im folgenden Interview:
https://youtu.be/7svisw2nwPI
Wer eine konventionelle Musik-Dokumentation im Stile einer Künstlerinnen-Biografie erwartet, wird von diesem selbstbetitelten „Musikfilm“ enttäuscht sein. Die aus der DDR stammende Musikerin Nina Hagen, die heute weltweite Verehrung genießt, wird vielmehr in avantgardistischen Bewegtbildern präsentiert. Der australisch-deutsche Filmemacher Peter Sempel veröffentlichte sein experimentelles „Portrait in Collageform“ (so der Hüllentext) erstmals 1999. Im Jahr 2005 hat er dann einen neuen Director’s Cut herausgebracht, um den es an dieser Stelle geht.
Der Film beginnt damit, die Vielseitigkeit der Künstlerin herauszustellen. Nina Hagen singt traditionelle indische Ragas, italienische Opernarien und französische Chansons. Neben ihrer Muttersprache Deutsch spricht sie über weite Strecken auf Englisch in die Kamera. Das polyglotte Setting wird durch Szenen in New York, Paris, Hamburg und Delhi verstärkt, um nur einige Drehorte zu nennen. Über einen Zeitraum von 20 Jahren hat der Filmemacher die berühmte Exzentrikerin begleitet, die sich immerzu im Performance-Modus zu befinden scheint.
Ständig schneidet sie Grimassen, spielt mit den vielfältigen Ausdrucksweisen ihres beeindruckenden Stimmumfangs, läuft ziellos hin und her, äußert esoterische Sentenzen wie „I’m jewish-indian-buddha-voodoo“ und bewegt sich lasziv in figurbetonten Outfits. Der Umstand, dass sie im Verlauf des Films mit schwarzen, grünen, blonden, roten sowie rosafarbenen Haaren bzw. Perücken zu sehen ist und dabei stets stark geschminkt und schmuckbehangen auftritt, unterstreicht ihr permanentes Bedürfnis nach Rollenwechseln und großen theatralischen Gesten.
Obwohl sie oft und lange in Nahaufnahmen zu beobachten ist und sie dabei einigermaßen frei und ungezwungen wirkt, hat man dennoch den Eindruck, nicht hinter ihre Fassade blicken zu können, also eigentlich wenig über sie zu erfahren. Es hat den Anschein, als wäre sie in ihrem neurotischen Image gefangen, als müsste sie es um jeden Preis bedienen, um interessant zu bleiben, ungreifbar, entrückt. Selbst in vermeintlich intimen Szenen, in denen sie sich verletztlich gibt, etwa wenn sie auf dem Boden sitzend Schuberts Ave Maria unbegleitet und mit zittriger Stimme ins Dunkel haucht, ist ihr unbedingter Wille zur Inszinierung spürbar. Auf die Frage des Filmemachers, was denn ihre Lieblingsoper sei, antwortet sie nur lakonisch: „the opera of my life“.
Zwar ist Nina Hagen für ihren opernhaften Gesang bekannt, gleichwohl hat sie sich den Nimbus der „Godmother of Punk“ erworben. Auf diesen globalen Ruhm scheint der Titel des Films anzuspielen („Punk + Glory“). Es kommen einige Stars aus der internationalen Musik- und Filmwelt zu Wort, die sie rühmen. Neben Udo Lindenberg und Otto Waalkes sind beispielsweise Wim Wenders, Anthony Kiedis (Sänger der Red Hot Chili Peppers) oder Lemmy Kilmister (Frontmann von Motörhead) voll des Lobes für die unangepasste Frau, welche sie für ihre kompromisslose Kunst und ihr gesellschaftspolitisches Engagement schätzen.
Auffällig ist jedoch, dass sie allesamt ihre Attraktivität erwähnen. Offenbart sich hier eventuell ein männlicher Blick auf die „feministische Revolutionärin“ (Udo Lindenberg), nicht zuletzt weil ein Mann den Film gemacht hat? Vielleicht in Teilen. Vordergründig bleibt aber der Respekt für ihre Bühnenpräsenz, ihren Witz und ihre spielerische Art im Umgang mit Geschlechterrollen. Insofern verwundert es nicht, dass auch einige begeisterte O-Töne aus der transsexuellen Community zu vernehmen sind.
Der Film verzichtet auf ein genuines Narrativ, einen roten Faden. Es bleibt der/dem Zuschauer:in überlassen, sich eine Meinung zu bilden. So gibt es zum Beispiel einige Szenen, in denen Nina Hagen in ihrem privaten Zuhause mit ihren Kindern Cosma Shiva und Otis zu erleben ist. Dabei irritiert es mitunter wie sie vor der Kamera posiert, während im Hintergrund ihre Kinder gelangweilt warten müssen. Die Ästhetik des Films ist jedoch auf kurze persönliche Eindrücke ausgerichtet, die angereichert werden mit Landschafts- und Straßenszenen, Bildern von Tieren und vorbeiziehenden Menschen. Es geht um das Dazwischen, um Übergänge und Uneindeutiges. Wenn man es sich einfach machen will, könnte man behaupten, es sei eben ein Kunstfilm. Er endet jedenfalls mit dem vielsagenden Ausspruch seiner Protagonistin: „Ich benutz' das alles als Spiel“.
Nichtsdestotrotz erfährt man etwas über Nina Hagen, was eine herkömmliche Dokumentation in dieser Form wahrscheinlich nicht herausgearbeitet hätte. Nämlich wie breit das Spektrum ihres künstlerischen Schaffens tatsächlich ist; dass Nina Hagen weit mehr ist als eine Vorreiterin der Punk-Bewegung. Dezente Anspielungen auf singende Schauspielerinnen wie Zarah Leander, Marlene Dietrich und ihre eigene Mutter Eva-Maria Hagen stehen neben musikstilistischen Verweisen auf Funk, Disco, Rap und Oper sowie auf die gesamte Rockgeschichte. Der minimalistische Soundtrack des Films bildet den Klangteppich für viele extravagente Beispiele aus Nina Hagens musikalischem Œuvre, die ergänzt werden durch nicht weniger spezielle Musikeinspielungen von Bands wie den Einstürzenden Neubauten, Yello oder Tulip, die singende Tulpe.
Wir gönnen uns zwei Wochen Schließzeit. Ab 22. August sind wir wieder regulär erreichbar. Wir wünschen allen erholsame Sommertage mit viel guter Musik!
Manche Publikationen verursachen bewunderndes Kopfschütteln. Staunend betrachtet man sie und fragt sich, wer auf die irrsinnige Idee für so ein Mammutprojekt gekommen ist und dann auch noch den Schneid hatte, es in die Tat umzusetzen. Zumal für wen? Wer kauft ein derartiges Special-Interest-Objekt mit 7 Kilogramm Gewicht für einen stolzen Ladenpreis von 2000 Euro?
Respekt gebührt in erster Linie Rainer E. Lotz, dem in Fachkreisen bekannten deutschen Musiksammler und Privatforscher, der gemeinsam mit einigen Mitstreiter:innen eine Deluxe Box mit sage und schreibe 600 Buchseiten (2 x 300), 1244 Tracks auf 45 CDs (Gesamtspielzeit knapp 57 Stunden) sowie 2000 farbige Abbildungen (Fotografien, Plakate und Filmszenen) zusammengetragen und ausgewertet hat. Das bei Bremen ansässige Plattenlabel Bear Family Records hat das ökonomische Risiko getragen und die extrem aufwändig gestaltete Sammler:innen-Box herausgebracht – und zwar mit einer limitierten Stückzahl von nur 500 Exemplaren!
Zielgruppe für diese mit ethnologischem Feinsinn zusammengestellte Kollektion sind sicherlich große Bibliotheken, Archive und Museen gewesen. Da alle Texte in englischer Sprache verfasst worden sind, richtet sich „Black Europe“ von vornherein an ein internationales Fachpublikum.
Neben der Materialdichte besteht die Besonderheit dieser großartig kuratierten Box in der historischen Eingrenzung auf die Zeit vor 1927. Die berechtigte Frage, warum gerade diese zeitliche Beschränkung, ist schnell beantwortet: Um 1927 herum wurde das vollelektrische Mikrofon erfunden, mit dem fortan die meisten Schallaufnahmen gemacht worden.
Inhaltlich beschäftigt sich dieses Pionierprojekt mit schwarzen Frauen und Männern, das heißt Menschen mit afrikanischen Wurzeln, deren Einfluss auf die Entwicklung der modernen Massenmedien (vor allem in Europa) lange Zeit übersehen worden ist. Dabei war diese marginalisierte Gruppe von Anfang an maßgeblich beteiligt bei der Entstehung der Tonträger- und Film-Industrie und wurde auf Phonographen-Zylindern, Grammophon-Platten und in den ersten Filmen (sowie in den noch jungen Printmedien) vermarktet – zumeist mit einem exotisierenden und/oder erotisierenden Impetus. „Black Europe“ zeigt anhand von mehr als 100 individuellen Biographien wie afrikanisch-stämmige Menschen um die Jahrhundertwende die Anfänge des europäischen Entertainments geprägt haben und unter welchen rassistischen Klischees sie zu leiden hatten.
Weitere Infos zur Box findet man unter diesem Link: http://black-europe.com
Für das Jahr 2022 hat sich die Stadt Bremen (in Kooperation mit Bremerhaven) einiges vorgenommen. Mit vielen subventionierten Veranstaltungen und einem offensiven Marketing werden die musikalischen Aktivitäten der Stadt (und der Region) gefördert und gewissermaßen ins Schaufenster gestellt, um das öffentliche Bewusstsein zu stärken. Dabei spielt Populäre Musik eine erstaunlich große Rolle, was uns natürlich freut. Sogar in der visuellen Darstellung wird Populärer Musik Raum gegeben, gleichberechtigt zur Klassik-Tradition der Stadt. Das ist keinesfalls selbstverständlich... man denke beispielsweise nur an das "Musikfest Bremen", das de facto ein Klassik-Fest ist. Aber wie gesagt: Es gibt Grund zur Hoffnung, dass bei den Entscheidungsträger:innen bzw. Geldgeber:innen zukünftig ein offeneres Verständnis von förderwürdiger Musik gepflegt wird. Wobei Untertitel wie der folgende alte Denkmuster weiterhin erkennen lassen: "Bremen ist inspirierend - von Hochkultur bis Subkultur". Was hohe und was niedere Kultur ist, muss aus unserer Sicht immer wieder aufs Neue verhandelt werden... am besten wählt man dafür zuerst einmal andere Begrifflichkeiten.
Mehr Infos hier: https://www.bremen.de/kultur/klangfrisch-2022#/
Das KKI widmet sich in einer neuen Video-Reihe dem Verhältnis von Literatur und Populärer Musik.
Den Auftakt bildet ein (Online-)Gespräch mit dem international renommierten Schriftsteller Hansjörg Schertenleib (geb. 1957 in Zürich/Schweiz). Er bezieht sich in seinen literarischen Texten regelmäßig auf Populäre Musik. Mitunter stellt er sie sogar ins Zentrum seiner Bücher, beispielsweise indem er über Musiker:innen und deren Lebenswelt schreibt.
Alles Weitere erfährt man im folgenden Interview:
https://youtu.be/0YKHzcn8Ih8
Der indischstämmige Perkussionist, Schlagzeuger und Sänger Trilok Gurtu lebt seit vielen Jahren in Hamburg. Sein musikalischer Lebensweg hat ihn jedoch um den gesamten Erdball geführt. Unzählige Kooperationen mit Künstler*innen wie Angelique Kidjo, Salif Keita, Neneh Cherry, John McLaughlin, Joe Zawinul, Pat Metheny, Dave Holland oder Jan Garbarek belegen seine stilistische Offenheit.
1988 veröffentlichte er seine Debüt-Platte „Usfret“ beim deutschen Label Creative Music Productions (CMP) Records. Hier definierte er erstmals seine Version von sog. World Music. Neben seiner Mutter Shobha Gurtu, einer bekannten Sängerin der klassischen indischen Musiktradition, wirken auch große Namen aus dem Jazzkontext mit, die sich ebenfalls mit regionalen Spielarten von World Music auseinandergesetzt haben: z.B. der Trompeter Don Cherry, der Gitarrist Ralph Towner oder der Bassist Jonas Hellborg.
Starken Einfluss auf die Platte hatte der aus Bremen stammende Produzent Walter Quintus, der die Aufnahmen musikalisch mitgestaltete. Das markante Plattencover bzw. Artwork verantwortete der Hamburger Graphikdesigner Ulf von Kanitz, der zum Haus-und-Hof-Graphiker des CMP-Labels avancierte. Bei CMP veröffentlichten viele (internationale) Jazzstars wie bspw. Joachim Kühn, Christof Lauer, Dave Liebman, Richie Beirach oder der Cream-Bassist Jack Bruce.
Beim "Live Cooking" auf der "Open Space"-Bühne kann man nicht nur exzellenten Köchen in die Töpfe schauen und sich Tipps abholen, sondern auch gleich probieren.
Serviert werden dazu Archiv-Spezialitäten aus dem Klaus-Kuhnke-Institut. Dessen Leiter (Nico Thom) präsentiert thematisch-gebündelte Raritäten der jüngeren Musikgeschichte. Das "Live Cooking" findet von Ende Juni bis Mitte September auf dem Bremer Domshof statt, genauer gesagt an jedem zweiten Mittwoch des Monats.
An folgenden sechs Terminen ist das KKI dort zu erleben:
29. Juni, 18 Uhr - Thema: "Essen in der Populären Musik"
13. Juli, 18 Uhr - Thema: "Beat-Club & Musikladen - Zwei innovative Musik-TV-Sendungen von Radio Bremen"
27. Juli, 18 Uhr - Thema: "Bildende Kunst im Kontext Populärer Musik"
10. August, 18 Uhr - Thema: "Soul: Egal ob schwarze oder weiße Seelenmusik - jedenfalls mit funky Grooves!"
24. August, 18 Uhr - Thema: "Plus que de la chanson - Populäre französische Musik in Geschichte und Gegenwart"
14. September, 18 Uhr - Thema: "Tropical Beats? - Weltmusik, Musik der Welt und Global Pop am internationalen Tag der Tropenwälder"
Mehr Infos hier: https://osd4.de/?p=88792
Am 16. Juni war Nico Thom, der Leiter des KKI, Studiogast bei "westendRADIO - Live aus der Kulturwerkstatt westend!" im Stadtteil Bremen-Walle. Moderiert wird die Live-Sendung, welche alle 14 Tage donnerstags von 20-21 Uhr ausgestrahlt wird, von Windy Jacob. Er arbeitet für die Kulturwerkstatt westend und gestaltet seit vielen Jahren Sendungen für das Bremer Bürgerradio "Radio Weser.TV". Eine Stunde lang unterhielten wir uns in lockerer Atmosphäre über das Klaus-Kuhnke-Institut, dessen Geschichte und Gegenwart sowie über Zukunftspläne. Nico Thom durfte die Musikbeiträge auswählen, die er allesamt aus dem Bestand des KKI-Archivs beisteuerte.
Die Sendung nachhören kann man über diesen Link: westendRADIO_16.06.2022.mp3
Blasphemie? Natürlich nicht! Unser Motto: "Ein bisschen Spass muss sein". Womit wir direkt zu einem der größten deutschsprachigen Hits überleiten können: dem gleichnamigen Titel von Roberto Blanco. Jede:r kennt das Liedchen. Das Original aus dem Jahr 1972 wurde vielfach gecovert, zum Teil sogar mit Roberto Blanco als Gast-Star. Für viel Freude sorgte bereits der Original-Video-Clip des Künstlers, worin dieser beim Schwimmen und mit freiem Oberkörper unter der Dusche gezeigt wird. Ein frühes "Meisterwerk" der deutschsprachigen Musikvideo-Tradition, lange vor MTV, VIVA & Co.
Musikbezogene Magazine sind seit jeher spannende Medienformate. Zwangsläufig filtern sie die unüberschaubare Menge an Bands und Solokünstler:innen, stellen einzelne vor, besprechen deren Veröffentlichungen sowie Konzerte, gestalten visuelle Äquivalente und schreiben im wahrsten Wortsinne (vorläufige) Musikgeschichte(n). Solche Zeitschriften haben stets den Spagat zwischen Kunst und Kommerz zu meistern, denn sie sind auf Bemusterungen von Musikfirmen (in erster Linie Major Labels) bzw. Werbekunden angewiesen, deren Produkte sie aber möglichst neutral rezensieren wollen und dabei auch noch einen eigenen künstlerischen Stil bzw. eine spezifische ästhetische Haltung erkennen lassen möchten. Eigentlich kaum machbar.
Da der Markt für Populäre Musik so unglaublich groß geworden und von niemandem mehr zu überblicken ist, ist seit Jahrzehnten eine Segmentierung zu beobachten. Früher deckten Musikperiodika wie bspw. der Rolling Stone, der New Musical Express oder die Sounds ein breites musikalisches Spektrum ab. Heutzutage ist das in der Regel anders. Da beschränkt man sich zumeist auf einzelne Musikstilistiken bzw. -genres.
Eine seltene Ausnahme bildet das in Berlin produzierte Magazin "SCHALL.", denn es tritt mit dem Impetus in Erscheinung, möglichst viele Bereiche Populärer Musik zu repräsentieren. Nicht von ungefähr nimmt das Blatt Bezug auf den wertfreien Schall-Begriff, der mit physikalischer Sachlichkeit die sich wellenförmig ausbreitenden Schwingungen umschreibt, welche vom menschlichen Gehör wahrgenommen werden können. Auch was den Umfang und das Text-Bild-Verhältnis angeht, beweist das Magazin Mut zum Nonkonformismus: Viel Text auf 226 Seiten sind wahrlich ungewöhnlich in diesen Tagen. Im Grunde könnte man sogar von einem Buch bzw. einer Buchreihe sprechen, wäre da nicht die Selbstbetitelung als Musikmagazin.
Treibender Kopf dahinter ist der Musikjournalist Christian Hentschel und ein Team von Musikredakteuren - alle männlich übrigens. Nichtsdestotrotz kommen Frauen zu ihrem Recht, sei es als Beitragsschreiberinnen, Graphikerinnen oder Musikerinnen, die präsentiert werden. Kein Herrenmagazin also, in dem es vorrangig um maskulinie Rockattitüde geht - obwohl die schon auch zu finden ist, z.B. in Beiträgen über die Bands Helloween oder Michael Schenkers Fest.
Neben diesem Gender-Faktum fällt auf, dass viel deutschsprachige Musik verhandelt wird (z.B. Ulla Meinecke oder Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen). Auch österreichische (z.B. Rainhard Fendrich oder das Duo Seiler und Speer) und schweizer Acts (z.B. Selbstbedienung) werden beleuchtet. Sogar bekannte DDR-Formationen wie die Puhdys oder Stern-Combo Meisen finden Würdigung - und das im Jahr 2019!
Stilistisch steht zwar aktuelle Rock- und Popmusik im Vordergrund - der deutschen Stoner-/Psychedelic-Rock-Band Kadavar wird die siebenseitige Titelstory gewidmet -, aber auch Elektronische Tanzmusik, Punk, Metal, Soul, Blues, Jazz und sogar Neue Musik werden thematisiert. Eine solche Vielfalt wirkt belebend und lässt die Leser:innen über den eigenen Tellerrand schauen.
Das Magazin wurde 2015 gegründet. Mittlerweile (Stand: Juni 2022) ist man bei Ausgabe 26 angekommen und es bleibt zu hoffen, dass "SCHALL." noch viele Jahre bestehen kann auf dem hartumkämpften Printmedien-Markt. Die Webpräsenz des vierteljährlich erscheinenden Musikmagazins gibt es hier zu finden: https://www.schallmagazin.de
Am Donnerstag, dem 26. Mai, haben wir wegen des (gesetzlichen) Feiertags geschlossen. Was für einige sozusagen ein himmlischer Festtag ist, ist für andere Anlass, die irdischen Väter hochleben zu lassen. Da die Mitarbeiter des KKI Väter sind und Väter haben, zelebrieren auch wir die "Herren der Schöpfung" - gemäßigt natürlich. Ein kurzer Blick in unsere Archiv-Datenbank befördert einige Himmelfahrtsperlen zutage. Hier eine kleine Auswahl:
1) Da wäre zum einen "Die Himmelfahrt der Galgentoni" - eine traurig-komische Geschichte über eine Hure, die einem zum Galgen Verurteilten die letzte Ehre erweist, berührend vorgetragen von der Diseuse Gisela May. Zu finden ist das Stück in der detailreichen Buch-/CD-/DVD-Box "die may", welche 2006 von Bear Family Records in Zusammenarbeit mit der Günter Neumann - Stiftung und der Berliner Akademie der Künste herausgegeben wurde.
2) Auf einer selbstbetitelten CD der Tiroler Tanzgeiger ist die "Himmelfahrts Polka" (sic!) verewigt. Das kurze Instrumentalstück präsentiert feinste Volks- bzw. Tanzmusik aus dem Zillertal in der Besetzung für erste und zweite Geige, Harfe, diatonische Harmonika, Streichbaß und diatonisches (Osttiroler) Hackbrett. Erschienen ist die CD 1995 bei Bogner Records in Österreich.
3) Auch die Kölner Band (De) Bläck Fööss widmet sich mit dem Lied "Himmelfahrt" dem gleichnamigen Feiertag. Darin zelebrieren sie den Umstand, dass nicht gearbeitet werden muss und man gemütlich im Westerwald "Blau machen" kann. Der vielsagende Titel des Vinylalbums von 1978 lautet "Mer han 'nen Deckel" (EMI/Electrola).
Am Freitag, dem 27. Mai, haben wir übrigens ebenfalls geschlossen - und nehmen einen Brückentag lang frei. Auch hierfür würden sich diverse Songtitel anbieten... "Über sieben Brücken musst Du gehn" (Karat/Peter Maffay)... "Bridge over Troubled Water" (Simon & Garfunkel)... gleichfalls in unseren Archivbeständen zu finden.
Eine Vitrine schmückt von nun an unser Interieur. Diese haben wir dem Bremer Staatsarchiv zu verdanken, das uns den massiven und beleuchteten Glaskasten vermacht hat. Ein zauberhaftes Stück, wie wir finden! Es bietet uns die Möglichkeit, unsere Gäste mit wechselnden Exponaten zu empfangen, z.B. dem "Fundstück des Monats".
Ein traditionelles Frühlings- bzw. Kinderlied - mit der gleichen Melodie wie "Hänschen klein" übrigens - liefert uns die passende Überschrift: "Alles neu macht der Mai". (Gut, alles natürlich nicht, aber einiges.) So jedenfalls könnte das Motto für uns lauten, denn wir ändern heute, am Freitag, dem 13. Mai (wenn das mal kein böses Omen ist ;-) unseren Namen. Bislang waren wir das "Klaus-Kuhnke-Archiv für Populäre Musik", ab heute sind wir das "Klaus-Kuhnke-Institut für Populäre Musik". Unser Untertitel ist "Archiv und Forschungsstätte an der Hochschule für Künste Bremen". Genau genommen sind wir bereits seit 1992, also seit 30 Jahren ein Institut an der HfK Bremen, nur wussten das die Wenigsten. Daher die Umbenennung. Und auch, um deutlich zu machen, dass wir fortan verstärkt mit eigenen Forschungsprojekten auf den Plan treten wollen. Mit einem neuen Namen kommt zudem eine komplett neue Website, nämlich diese hier. Viel Spaß beim Stöbern!
Am 6. Mai wurden 38 Kartons mit ca. 5.000 CD-Doubletten aus unseren Archivbeständen an das Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ZPKM) der Universität Freiburg verschickt. Die Kolleg:innen in Freiburg freuen sich über die Aufstockung ihrer Bestände und wir sind froh über den frei werdenden Platz in unserem Archiv (und den finanziellen Ausgleich). Eine klassische Win-Win-Situation also.
Im Mai verstärkt Ann-Katrin Verzagt das KKI-Team und absolviert ein dreiwöchiges Praktikum. Zurzeit macht sie eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) an der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen und befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr. Wir sind dankbar für ihre Mitwirkung und gewähren ihr gerne Einblicke in unseren Arbeitsalltag. FaMI-Praktikant:innen beehren uns regelmäßig und sind jederzeit herzlich willkommen.
Wie jedes Jahr seit der Gründung der Bremer Fachmesse jazzahead! im Jahr 2006 waren wir auch 2022 wieder mit dabei. Die Messe mit integriertem Festival, die immer Ende April stattfindet, hat sich mittlerweile zum größten internationalen Branchentreff gemausert, bei dem Jazz-Expert:innen (Musiker:innen, Bands, Labels, Agenturen, Ländervertretungen, Vereinigungen, Journalist:innen und Wissenschaftler:innen) aus der ganzen Welt zusammenkommen. Zusätzlich zur Vernetzung mit der Peer Group und dem Entdecken neuer Jazzmusik ist das Einsammeln von Tonträgern und Info-Materialien ein angenehmer Nebeneffekt für das Archiv des KKI. Aktueller Jazz aus der Ukraine, aus Luxemburg oder Bulgarien? Wir haben die relevanten Artefakte nun vorliegen - worüber wir uns sehr freuen. Ach ja: Erwähnt werden muss natürlich noch, dass der Spiritus Rector des KKI, Peter Schulze, künstlerischer Leiter der jazzahead! ist und wir uns somit in mehrfacher Hinsicht mit dieser bedeutenden Veranstaltung verbunden fühlen. Mehr Infos zur jazzahead! gibt es hier: https://jazzahead.de
Im April haben wir die beeindruckende Sammlung des Bremer Medienpädagogen Tobias Stalling vermacht bekommen und in unsere Bestände überführt. Sie beinhaltet ca. 5.000 CDs, DVDs und VHS-Kassetten sowie mehrere hundert Fanzines, Magazine und Bücher. Die Sammlung deckt vor allem den Zeitraum von 1990 bis 2020 ab und dokumentiert die lokale, nationale und internationale Punk-Tradition sehr detailreich. Darüber hinaus finden sich auch viele Ton-, Bild- und Video-Materialien zu diversen Stilistiken Populärer Musik, z.B. Jazz, HipHop, EDM sowie Classic und Progressive Rock. So ist bspw. das vollständige Oeuvre der britischen Band King Crimson Teil der Sammlung. Sie stellt eine wertvolle Ergänzung für unser Archiv dar.
Der Bremer Mohns Mohnssen hat im Laufe seines Lebens eine enorme Menge an Tonträgern (sowie Zeitschriften und Büchern) zum Thema Country Music zusammengetragen. In Fachkreisen gilt seine Kollektion als eine der größten ihrer Art in Europa. 2020 ist Mohns Mohnssen altersbedingt verstorben. Testamentarisch hatte er verfügt, dass sein Nachlass dem Klaus-Kuhnke-Archiv übergeben werden soll. Im Januar/Februar 2022 ist die Abholung der Materialien erfolgt. Im Wesentlichen handelt es sich um ca. 8.000 Vinyl-Schallplatten und ca. 3.000 CDs, vor allem mit US-amerikanischer Country Music in all ihren Spielarten. Auch europäische Varianten wurden von Mohns Mohnssen gesammelt sowie dazugehörige Kontextbeschreibungen, bspw. eine Fachzeitschrift namens Bluegrass Europe Magazine.
Ulrich Duve, der langjährige Leiter des Klaus-Kuhnke-Archivs, ist Ende 2021 in den wohlverdienten Ruhestand gegangen. Seit dem 1. Januar 2022 ist Nico Thom sein Nachfolger im Amt.
Ulrich Duve hat 30 Jahre lang die Geschicke des Archivs geleitet und wesentlich zur jetzigen Gestalt des KKA beigetragen. Zuvor war er bereits 5 Jahre lang Mitarbeiter des von Klaus Kuhnke, Manfred Miller und Peter Schulze gegründeten Archivs. Er hat also fast sein ganzes Berufsleben dem KKA gewidmet, wofür ihm großer Dank und Anerkennung gebührt. Glücklicherweise bleibt er dem Archiv ehrenamtlich verbunden, sodass er mit seiner Expertise weiterhin zur Verfügung steht.
Nico Thom, der neue Archiv- bzw. Institutsleiter, ist Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Jazz und Popularmusik. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Berufserfahrung in Forschung, Lehre sowie Archiv-Verwaltung und freut sich auf die Aufgaben, die nun vor ihm liegen. „Mein Ziel ist es, gemeinsam mit meinen drei Teilzeit-Mitarbeitern ein Zentrum für die Erforschung und Vermittlung Populärer Musik zu entwickeln, das die vielen Schätze aus den Archivbeständen noch sicht- und hörbarer macht und für die Zukunft sichert – insbesondere durch Digitalisierung. Ich möchte die Bestände selbst auch aktiv beforschen. Zudem bin ich an einem intensiven Austausch mit der wissenschaftlichen und künstlerischen Gemeinschaft interessiert und möchte die Archivmaterialien einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen – in der Hochschule für Künste, in Bremen und natürlich auch weit darüber hinaus.“
Manfred Miller: Um Blues und Groove. Afroamerikanische Musik im 20. Jahrhundert, Dreieich: Heupferd Musik 2017.
Das Opus Magnum des 2021 verstorbenen Mitbegründers unserer Institution. Eine großangelegte Erzählung von den Ursprüngen und Entwicklungen der Populären Musik des vergangenen Jahrhunderts, in der afroamerikanische Protagonisten und der Blues im Zentrum stehen. Sozialgeschichtsschreibung, musikalische und vor allem textliche Analyse sind in dieser Publikation aufs Engste verknüpft.
Ulrich Duve: "Das war eine richtige Umwälzung. Ulrich Duve, Geschäftsführer Klaus-Kuhnke-Archiv, Bremen", in: Plattenkisten. Exkursionen in die Vinylkultur", hrsg. von Jörn Morisse & Felix Gebhard, Mainz: Ventil 2015, S. 153-161.
Der ehemalige und langjährige Leiter unseres Archivs berichtet über den Kontext unserer Institution und erzählt aus dem Nähkästchen, vor allem mit Bezug zur großen Plattensammlung. Die angesprochene Umwälzung im Titel seines Interview-Beitrags war die Sendung "Roll over Beethoven" der drei Archivgründer, welche "eins der ersten Rundfunkformate in Deutschland war, das nicht nur Popmusik abspielte, sondern mit Politik mischte und den sozialgeschichtlichen Hintergrund der Musik nicht ausklammerte". Geschmackvolle Fotos aus dem Archiv gibt's obendrauf.
1) Ulrich Duve: "Die Datenbank des Klaus-Kuhnke-Archivs - mehr als nur ein Bestandskatalog" (S. 107-114),
2) Peter Schulze: "Die Musik kommt aus der Steckdose, aber wie kommt sie da hinein? Physische Archive in Zeiten der Entmaterialisierung von Tonträgern und öffentlichen Budgets. Fragen über Fragen" (S. 115-122),
3) Nico Thom: "Aktuelle Prozesse der Kanonbildung in multimedialen Magazinen Populärer Musik" (S. 65-82),
alle drei Beiträge in: Populäre Musik und kulturelles Gedächtnis. Geschichtsschreibung - Archiv - Internet, hrsg. von Martin Pfleiderer, Köln/Weimar/Wien: Böhlau 2011.
Der Archivgründer Peter Schulze erklärt in seinem Beitrag physische Musikarchive zum unverzichtbaren Back-up des Internets bzw. digitalen Zeitalters. Ulrich Duve stellt den Online-Katalog unseres Archivs vor und macht klar, dass er mehr kann als einzelne Titel ausspucken; man kann damit nämlich auch Diskographien erstellen. Nico Thom schildert die vielschichtigen, multimedialen Kanoniserungsprozesse von Musikmagazinen. Ganz nebenbei wird so das erste, historische Aufeinandertreffen der drei KKI-Mitglieder dokumentiert, die sich 2010 bei einer Tagung in Eisenach begegnet sind, aus der dieser Tagungsband hervorgegangen ist.
Ulrich Duve: "Von Johann Strauß bis zu den Sex Pistols. Das Klaus-Kuhnke-Archiv für Populäre Musik", in: Im Zentrum: Musik. Die Hochschule für Künste Bremen in der Dechanatstraße, hrsg. von der Hochschule für Künste Bremen, Bremen: Verlag H.M. Hauschild 2006, S. 122-123.
Ulrich Duve liefert eine kompakte Darstellung unseres Archivs. Anlass für den Sammelband der HfK Bremen war der Neubau für den Fachbereich Musik im Zentrum der Stadt.
Manfred Miller & Peter Schulze (Hg.): Geschichte der Popmusik (Band 2). Die Radio Bremen Sendereihe roll over beethoven, Hambergen: Bear Family Records 1998.
Vielleicht das Herzstück unserer bisherigen Publikationsgeschichte. 1998 veröffentlichten die beiden verbliebenen Autoren - Klaus Kuhnke war zwischenzeitlich verstorben - die Sendemanuskripte des zweiten Teils der legendären Sendereihe "Roll over Beethoven", die in den achtziger Jahren produziert und ausgestrahlt worden ist. Durch die Kooperation mit Richard Weize bzw. Bear Family Records entstand eine aufwändig gestaltete und mit 52 CDs bestückte Box, die Ende der neunziger Jahre für sagenhafte 1.000 Mark zum Verkauf angeboten wurde. Die Nachfrage war jedenfalls da. Bis heute ist es ein begehrtes Sammler:innenstück, das quasi nebenbei Geschichte geschrieben hat - und zwar im doppelten Wortsinne.
DiscoGraphie, Heft 1-6 (1982-1985), hrsg. von Klaus Kuhnke & dem Archiv für Populäre Musik in Bremen.
Quasi in Eigenregie hat Klaus Kuhnke über drei Jahre hinweg eine kleine Sammlung von Diskographien publiziert. Jedes Heft (bzw. jede Monographie, da mit ISBN-Nummer versehen) hat einen Umfang von 48 Seiten. Kuhnke listet, wie für Diskographien üblich, Tonträger auf und liefert wichtige Informationen zu Plattenlabeln, Erscheinungsdaten, Matrizennummern etc. Auch etwas Kontextinformationen zu einzelnen Künstler:innen bzw. Bands werden von ihm mitgeliefert. Sogar Fotos und Graphiken finden sich in den Heften. Hier und da ist von einer sogenannten "Deutschen National-Discographie" die Rede... eine Idee, die den Archivgründern schon einige Zeit vorschwebte, die letztlich aber nur ansatzweise in die Tat umgesetzt werden konnte - unter anderem wegen des Todes von Klaus Kuhnke wenige Jahre später.
Anschläge. Zeitschrift des Archivs für Populäre Musik in Bremen, 7 Hefte (1978-1981).
Mit einer hauseigenen Zeitschrift, die im Zeitraum von vier Jahren sieben Ausgaben hervorbrachte (davon schon vier Ausgaben im ersten Jahr!), verwirklichten die drei Archivgründer ein ambitioniertes Publikationsprojekt. Dabei traten sie selbst als Redakteure und Autoren auf, neben weiteren Mitstreiter:innen. Es wurden größere und kleinere Beiträge, Interviews, Textanalysen, Platten- und Bücher-Rezensionen sowie Discographien und Bibliographien veröffentlicht, zum Teil bebildert. Ein historisches Zeugnis für politisch-bewegte und in der Sache engagierte Musikpublizistik auf der Grenze von Journalismus und Wissenschaft.
Klaus Kuhnke, Manfred Miller & Peter Schulze: Geschichte der Pop-Musik, Band 1 (bis 1947), Lilienthal/Bremen: Eres Edition & Archiv für Populäre Musik 1976.
Es handelt sich um die überarbeitete Neuauflage des bereits publizierten ersten Teils der Radiosendereihe "Roll over Beethoven", welcher sich inhaltlich mit Populärer Musik bis 1947 auseinandersetzte. Die erste Auflage war beim gleichen Verlag noch als lose Blattsammlung erschienen. Hier nun wählte man das Buchformat.
Bukka White: "Country Blues. Sparkasse in Concert", Bremen: Archiv für Populäre Musik 1975.
Die drei Archivgründer haben neben Zeitschriften und Büchern auch Platten herausgebracht; genau genommen zwei. Dies ist die erste Platte aus dem Gründungsjahr des Archivs. Sie präsentiert den US-amerikanischen Sänger/Gitarristen Bukka White und dessen traditionellen Mississippi-Blues. Der Musiker ist zu diesem Zeitpunkt hochbetagt und bereits mehrfach totgesagt worden (im wahrsten Sinne des Wortes!). Diese Aufnahme ist der Mitschnitt eines Konzertes in Bremen, das von der Bremer Sparkasse finanziert und in Zusammenarbeit mit Radio Bremen aufgezeichnet wurde. Peter Schulze fungierte als Aufnahmeleiter.
Wilfried Grimpe, Klaus Kuhnke, Hartmut Lück, Manfred Miller & Peter Schulze: Geschichte der Populären Musik. Band 1: Bis zum 19. Jahrhundert, Mit 48 Tonbeispielen, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1974.
Ein Kuriosum, diese Publikation. Mit einem enormen Entwicklungsaufwand sollte mit diesem Band eine auf sechs Bände angelegte Buchreihe entstehen, die auf ein neues Format setzte, nämlich das sogenannte "Phonobuch". Neben Text und Bilder sollte sich nun eine "dritte Dimension" gesellen, und zwar die Töne bzw. der Klang. Dafür wurde eigens ein kleines Gerät in Japan entwickelt, das es ermöglichte, die ins Buch integrierten Schallfolien abzuspielen. Man konnte das Gerät einfach auf die jeweilige Schallfolie aufsetzen und loshören. Eigentlich eine tolle Idee, nur leider viel zu teuer in der Produktion. Deshalb stellte der Verlag die Herstellung schon kurz nach dem Druck der ersten Exemplare ein, obwohl er diese bei der Frankfurter Buchmesse noch mit viel Pomp präsentiert hatte. Im Grunde hat dieses (Phono-)Buch nie den Buchmarkt erreicht, sodass die wenigen Exemplare, die es gibt, zu Raritäten geworden sind.
Klaus Kuhnke, Hartmut Lück, Manfred Miller, Tom Schroeder & Peter Schulze: Roll over Beethoven. Zur Geschichte der Populären Musik, Teil 1, Lilienthal/Bremen: Edition Eres 1973.
Die erste Publikation, an der - neben weiteren Personen - alle drei Archivgründer (Kuhnke, Miller & Schulze) mitwirkten. Sie basierte auf der Sendereihe "Roll over Beethoven" bei Radio Bremen (später auch beim NDR und WDR). Aufgrund des Erfolgs der Radiosendung, die ab 1973 ausgestrahlt wurde, entstand schon im gleichen Jahr eine lose Blattsammlung mit Sendemanuskripten, die von den Hörer:innen bei der Sendestation bestellt werden konnte.